Dupe

Dupe-Economy: Die Ökonomie der Imitation

Fakes zu tragen, ist peinlich – Dupes sind cool. Dupes sind Duplikate, die Luxusgütern in Stil, Look und Anmutung erstaunlich nahekommen, ohne dabei Markenrechte zu verletzen. Was einst als belächeltes Nischenphänomen galt, hat sich – beschleunigt durch Social Media und Online-Plattformen – zu einer treibenden Kraft entwickelt. Erleben wir den Beginn einer neuen Konsumlogik? Das fragt sich Stefan Wenzel.
Stefan wenzel
Ste­fan Wen­zel

Sozia­le Netz­wer­ke sind längst mehr als Wer­be­ka­nä­le, sie sind zu Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren gewor­den. Tik­Tok, Insta­gram und You­Tube erzeu­gen Nach­fra­ge, noch bevor tra­di­tio­nel­le Mar­ken dar­auf reagie­ren kön­nen. Wer ein güns­ti­ges Pro­dukt ent­deckt, das aus­sieht wie Celi­ne oder Pra­da, wird nicht belä­chelt, son­dern gefei­ert. Die Algo­rith­men der Platt­for­men kura­tie­ren vira­le Dupe-Trends nahe­zu auto­ma­tisch, allen vor­an Tik­Tok.

Gleich­zei­tig machen Markt­plät­ze wie Temu, Shein, Ali­Ex­press oder Tik­Tok Shop das pas­sen­de Pro­dukt in Rekord­zeit ver­füg­bar. Der Kreis­lauf aus Trend-Trig­ger über Social Media und Echt­zeit-Lie­fer­fä­hig­keit über Platt­for­men macht die Dupe-Öko­no­mie zu einem sich selbst ver­stär­ken­den Sys­tem.

Iro­ni­scher­wei­se tra­gen die Luxus­mar­ken selbst zur Ver­brei­tung der Dupe-Kul­tur bei – vor allem durch ihre Preis­er­hö­hun­gen. Labels wie Lou­is Vuit­ton, Cha­nel oder Her­mès haben ihre Prei­se in den letz­ten Jah­ren zum Teil mehr­mals jähr­lich ange­ho­ben, oft im zwei­stel­li­gen Pro­zent­be­reich. Die Fol­ge: Aspi­ra­ti­ve, oft jun­ge Ziel­grup­pen füh­len sich zuneh­mend aus­ge­grenzt. Aber auch für zah­lungs­kräf­ti­ge­re Kun­den klafft die Sche­re zwi­schen Preis und wahr­ge­nom­me­nem Wert immer öfter zu weit aus­ein­an­der. Was man sich frü­her als „Splu­r­ge Purcha­se“ – den gele­gent­li­chen Luxus­mo­ment – gegönnt hat, ist heu­te für vie­le finan­zi­ell nicht mehr dar­stell­bar.

Die Ant­wort der Kon­su­men­ten ist prag­ma­tisch: Sie grei­fen zu güns­ti­gen Alter­na­ti­ven – nicht aus Des­in­ter­es­se am Luxus, son­dern aus öko­no­mi­scher Not­wen­dig­keit. Die Dupe-Eco­no­my bedient ein Bedürf­nis, das der Luxus­markt zuneh­mend igno­riert: Zugang.

Was steht für Marken auf dem Spiel?

Für eta­blier­te Mar­ken birgt die­ser Wan­del stra­te­gi­sche Risi­ken. Ers­tens der Ver­lust von Exklu­si­vi­tät und Dif­fe­ren­zie­rung: Wenn das Design einer 2.000 Euro teu­ren Hand­ta­sche inner­halb weni­ger Tage als No-Name-Pro­dukt bei Shein auf­taucht, wird das Ori­gi­nal ent­wer­tet – unab­hän­gig von Qua­li­tät und Mate­ri­al. Die emo­tio­na­le Auf­la­dung ist dahin.

Zwei­tens die Ero­si­on der Mar­ken­bin­dung: Jun­ge Käu­fer ler­nen, dass sie den Look auch ohne Logo und meist zu einem bes­se­ren Preis-Leis­tungs-Ver­hält­nis bekom­men. Wer mit Dupes sozia­li­siert wird, ent­wi­ckelt mög­li­cher­wei­se nie eine emo­tio­na­le Bin­dung zur Ori­gi­nal­mar­ke.

Drit­tens eine Inno­va­ti­ons­brem­se: Krea­ti­ve Kon­zep­te wer­den risi­ko­rei­cher, wenn sie bin­nen Wochen kopiert wer­den – nicht immer legal, aber oft jen­seits wirk­sa­mer Gegen­wehr. Vor allem klei­ne­re Labels ohne inter­na­tio­na­le IP-Abtei­lun­gen sehen sich einem exis­ten­zi­el­len Risi­ko aus­ge­setzt.

Recht­lich bewe­gen sich Dupes in einer Grau­zo­ne: kei­ne Logos, kei­ne geschütz­ten Sym­bo­le, kei­ne direk­ten Mar­ken­rechts­ver­let­zun­gen. Design­rech­te und Geschmacks­mus­ter­schutz grei­fen nur bedingt, ins­be­son­de­re wenn die Dupe-Pro­duk­te gezielt leicht abge­wan­delt wer­den. Zwar set­zen eini­ge Unter­neh­men ver­stärkt auf Design­pa­ten­te, doch die­se schüt­zen vor allem funk­tio­na­le und ori­gi­nä­re Inno­va­tio­nen, weni­ger ästhe­ti­sche Gestal­tungs­merk­ma­le. Der recht­li­che Schutz ist daher schwach und im Platt­form­zeit­al­ter kaum ska­lier­bar.

Was bedeutet das für Marken und Händler?

Die Dupe-Eco­no­my ist kaum auf­zu­hal­ten, sie demo­kra­ti­siert Trends, for­dert alte Macht­ver­hält­nis­se her­aus und ver­än­dert Kon­sum­mus­ter. Die Ant­wort dar­auf sind Inhal­te statt eska­lie­ren­der Preis­er­hö­hun­gen ohne Bezug zum Pro­dukt­wert. Pro­dukt­mehr­wer­te müs­sen geschaf­fen und neu kom­mu­ni­ziert, authen­ti­sche Geschich­ten neu erzählt wer­den: Wel­che Hal­tung, Her­kunft, Hand­werks­kunst recht­fer­tigt den Preis? Wel­che kul­tu­rel­le, sozia­le oder öko­lo­gi­sche Erzäh­lung macht das Pro­dukt rele­vant? Was ist die Sub­stanz jen­seits von Logo und Pres­ti­ge?

Für vie­le bedeu­tet das ein Umden­ken: Trans­pa­renz statt Arro­ganz, Inno­va­ti­on statt Abwehr, Rele­vanz statt Nost­al­gie. Wer in der Dupe-Eco­no­my bestehen will, muss sich klar posi­tio­nie­ren – zum Bei­spiel gegen Fast Fashion, für ech­te Nach­hal­tig­keit, für krea­ti­ve Ori­gi­na­li­tät. Regu­la­to­ri­sche Maß­nah­men wie die EU-Debat­te über Fast Fashion oder die jüngs­ten Zoll­d­is­rup­tio­nen der neu­en US-Regie­rung könn­ten je nach Aus­gang die Kar­ten neu mischen – von zusätz­li­chen Waren­strö­men aus Asi­en über neue Lie­fer­ket­ten bis hin zu neu­er euro­päi­scher Wert­schöp­fung.

Für Händ­ler klingt die Dupe Eco­no­my nach neu­em Wachs­tum – theo­re­tisch. In der Pra­xis dürf­ten nur digi­ta­le Platt­for­men mit tie­fem Lie­fe­ran­ten­zu­gang, hoher Agi­li­tät und algo­rith­mi­scher Reich­wei­te das Tem­po mit­ge­hen kön­nen. Ein neu­es Pro­blem in einem ansons­ten ver­al­te­ten Modell mit 9–12 Mona­ten Pro­duk­ti­ons­vor­lauf, hohen Lager­be­stän­den, Über­hän­gen und Retou­ren.

Die Dupe Economy ist der Reality Check nicht nur für das Luxus-Segment

Die Dupe-Eco­no­my ist kein Rand­phä­no­men, son­dern ein Riss in der bis­he­ri­gen Mar­ken­lo­gik. Sie ent­zau­bert den Luxus­my­thos, offen­bart die Ver­letz­lich­keit eta­blier­ter Mar­ken und schafft neue Rea­li­tä­ten für Kon­sum, Krea­ti­vi­tät und Wett­be­werb in digi­ta­ler Echt­zeit. Was in der Mit­te der Preis­py­ra­mi­de begann, wirkt nun nach oben. Wenn Logos und Mar­ken-Halos den Pro­dukt­preis nicht mehr recht­fer­ti­gen kön­nen, braucht es über­zeu­gen­de Ant­wor­ten auf die exis­ten­zi­el­le Kern­fra­ge: War­um soll ich dich kau­fen?

Ste­fan Wen­zel ist seit mehr als 20 Jah­ren im digi­ta­len Han­del und einer der pro­fi­lier­tes­ten Köp­fe der Bran­che. Sei­ne Vita beinhal­tet unter ande­rem Sta­tio­nen als Geschäfts­füh­rer für Unter­neh­men wie Ebay, brand4friends, Otto, Mexx und Tom Tail­or Digi­tal. Ste­fan Wen­zel unter­stützt Fir­men, Grün­der und Geschäfts­füh­rer als digi­ta­ler Bei­rat, ist regel­mä­ßi­ger Spre­cher auf Fach­kon­fe­ren­zen, Inter­­­­­­­view- und Pod­­­­­­­cast-Gast. www.stefanwenzel.com

Bei­trä­ge von Ste­fan Wen­zel