An Melania Trump haben sich nun alle abgearbeitet, auch die Modeexperten. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Der unwürdigen Designer-Diskussion im Vorfeld der Vereidigung begegnete die First Lady mit einem himmelblauen Kostüm von Ralph Lauren, das sie wohl als Jacky O.-Wiedergängerin positionieren sollte. Für jemanden, der seine Wahlkampfreden bei der Vorgängerin abschreibt, ist so eine Nummer letztlich konsequent. Wenigstens verzichtete sie darauf, Ivanka Trump zu tragen.
Man muss allerdings zugeben, dass Melania am vergangenen Freitag Michelle Obama optisch ausgestochen hat. Die hatte bei der Vereidigung ein unvorteilhaftes blutrotes Kleid an und – anders als ihr Mann – größte Mühe, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Eine Jackie-Kopie an seiner Seite macht aus Donald J. Trump freilich noch lange keinen John F. Kennedy. Obwohl der 70jährige, was seine Wirkung auf Frauen angeht, sich sicher in dessen Liga wähnt, mindestens.
Schmerzhaft war es, dem Präsidentenpaar am Inaugurationsball beim Tanzen zuzusehen. Das war kein Tanz, sondern Mr. President posierte zum abgeschmackten "My Way" fürs Publikum, seine gequält lächelnde Melania fest im Griff. Das First Couple – ein Fake Couple. Der Kontrast zu den Obamas, die sich vor fünf Jahren wie frisch verliebt zum Gesang von Beyonce umarmten, hätte jedenfalls nicht größer sein können. Nicht nur politisch, sondern auch ästhetisch trennen den Ex-Präsidenten und seinen Nachfolger Welten. Im Vorfeld hatten Satiriker noch geulkt, dass Trump aus dem Weißen Haus einen zweiten Trump Tower machen könnte. Jetzt hat der neue Präsident tatsächlich die roten Vorhänge im Oval Office gegen goldene austauschen lassen und kitschige Sessel aufgestellt. Es würde einen nicht wundern, wenn Trump tatsächlich auch auf Golden Shower stehen würde.
Der Verstoß gegen das, was man gemeinhin als guten Geschmack ansieht, passt zu einem, der sich als Fundamentalopposition zum Establishment inszeniert. Insofern ist die Geschmacklosigkeit bloß der ästhetische Ausdruck des personifizierten Regelverstoßes, den Trump darstellt, und damit auf perverse Weise stimmig und authentisch. Der Milliardär tritt so auf, wie sich ein Armer einen Reichen vorstellt. Seine Brioni-Anzüge sind zwei Nummern zu groß und wirken wie aus dem Schlussverkauf. Die meist grelle Krawatte ist schlecht gebunden und stets zu lang. Das Sakko macht er nicht mal beim Eid auf die beiden Bibeln zu. Selbst die Frisur wirkt, als könne der US-Präsident sich allenfalls einen Provinzfriseur leisten.
Weil Trump diesen Stil schon immer pflegt, erscheint dieser nicht als das Kalkül, das er womöglich ist (ein interessanter Beitrag zum Dresscode im Weißen Haus erschien diese Woche in der Washington Post). Damit gibt der Medienprofi jedenfalls eine perfekte Projektionsfläche für seine Wähler ab. Die Frage steht im Raum, inwieweit die Geschmacklosigkeit stilbildend sein wird. Das steht leider zu befürchten, egal ob die Designer Melania nun boykottieren oder nicht. Ganz sicher ist dagegen: Trump hat die Wahl nicht trotz, sondern auch wegen dieses Stils gewonnen.
Bitte lesen Sie dazu:
Zum TV-Duell: Anziehtipps für Hillary und Trump
Donald Trump inspiriert die Modemacher
Und noch ein Nachtrag (gepostet von Gloria Göllmann auf Profashionals' Facebook-Seite):