Es ist ja nicht so, dass die Digitalen keinen Gegenwind hätten. Das Zalando-Management gab sich diese Woche recht zerknirscht bei der Bekanntgabe der Quartalszahlen. Nicht nur das Wetter sei schuld gewesen an dem langsameren Wachstum, auch Managementfehler hätten zu dem 42 Millionen-Verlust im letzten Quartal geführt. Man sei mit Retouren nicht effizient genug umgegangen, räumte Finanzchef Rubin Ritter ein, habe zuviel Ware mit geringer Marge über die Outlets verschleudert. Das Problem der steigenden Fulfillmentkostenanteile dürfte den Online Retailer angesichts des nach wie vor sinkenden Durchschnittswarenkorbs noch lange beschäftigen, zumal die Zustellung wegen der steigenden Kundenansprüche im Hinblick auf schnelle und punktgenaue Anlieferung und Preiserhöhungen der Paketlogistiker tendenziell teurer werden wird. Die Börse hat Zalando jedenfalls erneut abgestraft.
Gegenwind verspürt auch Amazon. Nicht nur an der Börse, sondern zunehmend aus der Politik. Den US-Präsidenten und Jeff Bezos sind sich in gegenseitiger Abneigung verbunden. Vor den Midterm Elections raunte Trump diese Woche, dass er eine Zerschlagung des Online-Giganten nicht ausschließe. Jetzt, wo er gegen das Repräsentantenhaus regieren wird müssen, hat er gottseidank andere Probleme.
In Deutschland ruft Amazons zunehmende Dominanz in etlichen Märkten die Kartellwächter auf den Plan. Insbesondere das Nebeneinander von eigenem Handel und Marktplatzgeschäft könne zu Wettbewerbsbehinderungen von abhängigen Handelspartnern führen. Der Verdacht, dass Amazon die Marketplace-Daten für sein eigenes Geschäft nutzt, liegt auf der Hand.
Die SPD brachte jetzt die Sozialisierung von Kundendaten ins Gespräch; künftig sollten alle Marktteilnehmer den Datenschatz der Onlineriesen gleichermaßen nutzen können. Gute Idee. Aber das war der Kommunismus auch. Und die Steuersparmodelle der US-Onlineriesen wollen sich die Europäer auch nicht weiter gefallen lassen. Diese Wettbewerbsverzerrung ist tatsächlich ein Riesen-Problem. Amazons Glück ist, dass die Staaten sich nicht einig sind.
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Die Digitalisierung war selbstredend Thema bei der Future Fashion Leader-Konferenz diese Woche in Düsseldorf. Im Publikum junge Nachwuchsführungskräfte, die ihre Karriere gerne im Modebusiness machen möchten. Doch wie sieht das in Zukunft aus,? Welche Anforderungen wird das Geschäft morgen ans Management stellen?
Andreas Brill von business4brands wies in seinem klugen Einführungsvortrag auf den scheinbaren Widerspruch von extrem dominanten, rücksichtslos und aggressiv auftretenden Leadern wie Jeff Bezos, Steve Jobs und Elon Musk und der dezentral angelegten agilen Arbeitsweise in deren Unternehmen hin, die gemeinhin als Schlüssel zum Erfolg im digitalen Zeitalter gilt. „Die Idee der Agilität ist für die Grenzverschiebungen des digitalen Zeitalters entwickelt worden“, erklärte Brill. „Sie soll neue Formen der Offenheit erzeugen, die auf die Geschwindigkeit und Komplexität der digitalen Dynamik ausgerichtet sind.“ Traditionelle Managementmethoden würden die notwendigen Grenzverschiebungen verhindern. „Die Kernkompetenz des Chefs ist heute nicht mehr zu wissen, wie‘s geht. Sondern sein Team zu befähigen, Lösungen zu erarbeiten, die noch keiner kennt.“ Indem sie die Grenzen sozial akzeptierter Managementmethoden und althergebrachter Entscheidungslogiken überschreiten, machten Bezos, Musk & Co. immer wieder radikal klar, wo der Fokus ihres Unternehmens liege und wovon der Erfolg ihrer Geschäftsmodelle abhänge. „Es geht aber nicht darum, ein Arschloch zu sein“, so Brill. Leadership im digitalen Zeitalter bedeute vielmehr, „die Grenzen des Marktes zu sprengen, den man so sehr liebt, dass man sich für diese Branche entschieden hat.“
Alles wird anders, sagt Brill, ja, es ist schon anders. Er überbrachte dem Publikum damit eine ernüchternde Botschaft: „Sie sind ausgebildet worden für das Zeitalter, das vorbei ist.“ Ob Brill dem Nachwuchs damit Lust auf eine Karriere im Modebusiness gemacht hat? Zu unserem Glück ist es im Rest der Wirtschaft nicht anders.
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