Es war schon immer naiv, zu glauben, Karstadt bliebe in seiner heutigen Form erhalten. Nicolas Berggruen hat nur erledigt, was der Markt früher oder später erzwungen hätte. Dass der Investor davon profitiert, ist legitim. Er hat nur ein bisschen zu häufig Solidaritätsadressen in Richtung Essen gesandt. Die Karstadt-Mitarbeiter wollten sich davon beruhigen lassen. Wenn aber Verdi Berggruen nun Wortbruch vorwirft, dann ist das schlechte Schauspielerei. So treuherzig sind die Gewerkschafter nicht. Die Zerlegung des Unternehmens war mit der Übernahme durch den Investor strategisch angelegt. Verdi hat der Dreiteilung damals zugestimmt. Mit der Abgabe der Mehrheit an der Premium Group und den 28 Sporthäusern an René Benkos österreichische Signa-Gruppe hat Firmenhändler Berggruen diese Option jetzt gezogen. Es ist ein Deal, der es ihm erlaubt, sein Gesicht wenigstens teilweise zu wahren: Berggruen bleibt auch bei KadeWe & Co engagiert. Und er sorgt dafür dass Karstadt immerhin 300 Millionen Euro für dringend erforderliche Investitionen zufließen. „Das ist mein Beitrag zur Gesundung von Karstadt“, schreibt Berggruen laut Spiegel Online in einem Brief an die Mitarbeiter. „Niemand muss sich Sorgen machen.“
Abwarten. Denn klar ist: Mit dem Deal wird nur der nächste Akt im Karstadt-Drama eröffnet. René Benko ist ein Immobilien-Investor und Projektentwickler, der in erster Linie an den erstklassigen Lagen interessiert ist, die ihm die Karstadt-Standorte bieten. Dass er langfristig Warenhäuser betreiben wird, ist unwahrscheinlich. Entweder reicht er die Unternehmen früher oder später an einen solventen Mieter weiter. Oder er wird die Standorte mietmaximierend neu entwickeln. Wer weiß, wieviele der 300 Millionen in die 17 Karstadt-Immobilien fließen, die Benko selbst gehören (das Closing des Ende 2012 verkündeten Deals steht laut Immobilienzeitung angeblich noch aus).
Nicolas Berggruen gewinnt so oder so. Bis heute hat er kaum eigenes Geld investiert. Mit der Beteiligung an den mutmaßlich profitablen Sporthäusern sowie an der Premium-Gruppe fließt ihm knapp ein Viertel von deren Gewinnen zu. Das gilt natürlich auch für einen etwaigen Veräußerungserlös. Die Zukunft der 83 verbliebenen Karstadt-Filialen ist dafür nach dem Verkauf des Tafelsilbers wieder ein Stück weit ungewisser geworden. Man weiß nicht, wie es um deren Geschäfte steht. Man hört nichts Gutes. Mit dem Deal behält Berggruen jedenfalls den Zugriff auf die wichtigsten Assets, egal, was aus dem Rest wird. Wir werden es erleben. Das Drama geht weiter.
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