Was wäre in Deutschland los, wenn die Samwer-Brüder die FAZ kauften? Das ungefähr ist die kulturelle und politische Dimension der Übernahme der Washington Post durch Amazon-Gründer Jeff Bezos. Ein Protagonist des Internet-Zeitalters kauft eine Ikone der Printmedien, ausgerechnet. Der Killer als Retter, wie Josef Joffe in der "Zeit" treffend formulierte. Klar, dass da in den Redaktionsstuben jetzt wieder neue Hoffnung keimt, dass da einer an die Zukunft der Zeitung glaubt. Sie sollen sich nicht täuschen: Bezos kauft Content und Glaubwürdigkeit einer Medienmarke, nicht Papier. Mit der Digitalisierung werden sich Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen der Journalisten auf jeden Fall ändern. Was der Presse viele Seiten Berichterstattung wert war, ist für den Multimilliardär zudem Peanuts. 250 Millionen hat Bezos für die Washington Post bezahlt, nicht einmal 1 Prozent seines Vermögens. Ebay hat für Skype vor zwei Jahren weit mehr als das Dreissigfache hingelegt, selbst das Online-Fotoalbum Instagram erzielte beim Verkauf über 700 Millionen Dollar. Das sind die Deals, bei denen es um wirkliche Wachstumsfantasien geht.
Was also will Bezos mit dem Traditionsblatt? Ist es Nostalgie? Ist es Prestige? Ist es schlechtes Gewissen? Content für den Kindle-Kiosk und damit womöglich Teil eines Masterplans, nach dem Buchhandel jetzt auch das Verlagswesen umzukrempeln? Die Marke "Washington Post" ist für Bezos die Eintrittskarte in die US-Politik, spekulierte der Spiegel. Ein Business von der Größenordnung, die Amazon verheisst, wird eine Lobby brauchen. Und unabhängig davon, wie frei die Redaktion tatsächlich arbeitet, werden sich dem Inhaber der Washington Post stets alle Türen in der US-Hauptstadt öffnen.
Wie auch immer: Für Medien-Menschen interessant wird sein, wie der Internet-Unternehmer Bezos die Transformation des Print-Produkts in ein Online-Medium bewerkstelligt. "Früher wurde mit Zeitung Geld gemacht", schreibt Joffe. "Heute wird mit Geld Zeitung gemacht." Ob Bezos mehr dazu einfällt als den Verlagsmanagern der Old Economy?
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Otto prüft den Einstieg bei Görtz: Überraschend ist daran nur, dass der angeschlagene Schuhfilialist erst öffentlich machen musste, dass er auf Investorensuche ist. Ludwig Görtz hat doch bestimmt die Nummer von Michael Otto gespeichert. Noch ist nicht klar, was die Prüfung ergibt und ob ein Einstieg zustande kommt. Wenn der Preis stimmt, ist es ein guter Deal für beide Unternehmen.
Görtz ist im vergangenen Jahr von der Dynamik des Strukturwandels im Schuhmarkt kalt erwischt worden. Die Ursachen für die Krise waren freilich hausgemacht: falsche Kostenstrukturen, konzeptionelle Probleme bei Görtz 17, Fehldispositionen im Online-Business. Der Rest war Zalando. Es handelt sich um lösbare Probleme, es gibt einen Markt für ein solches Multilabelformat, die Qualitäts-Positionierung von Görtz ist tragfähig, Standorte und Markenauftritt sind, wie es aussieht, im wesentlichen in Ordnung, man ist in Sachen Multichannel weiter als andere. Zum Hamburger Familienkonzern Otto würde das Hamburger Familienunternehmen Görtz jedenfalls passen. Und auch für Görtz und seine Mitarbeiter brächte ein strategischer Investor wie Otto mehr Vorteile als ein auf kurzfristige Renditemaximierung ausgerichteter Finanzinvestor.
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Ein ähnliche Summe wie Jeff Bezos für die Washington Post dürfte Anders Holch Povlsen für den 10 Prozent-Anteil an Zalando auf den Tisch gelegt haben. Das Unternehmen wurde zuletzt mit bis zu 3 Mrd. Euro bewertet. Wie es aussieht, brauchen die Samwers den vielfach herbeigeschriebenen Börsengang nicht für den Exit; sie halten aktuell nur noch 18 Prozent an dem 2008 gegründeten Online-Modehändler.
Der Einstieg des Bestseller-Eigentümers markiert eine Zäsur: erstmals engagiert sich ein Investor mit strategischen Interessen an Zalando. Das Potenzial liegt auf der Hand, und zwar für beide Seiten. Das dürfte weniger darin liegen, dass Zalando künftig noch mehr Only, Vero Moda oder Jack & Jones verkaufen wird. Sondern darin, dass Zalando die Expertise und die Kapazitäten des dänischen Modekonzerns für sein Private Label-Business nutzen wird. Die Berliner bauen neben ihrem Multilabel-Angebot längst eigene Marken auf. So machen das auch andere große Online-Player wie beispielsweise Asos, an dem Povlsen gleichfalls signifikant beteiligt ist. Zalando hat das Eigenmarken-Geschäft in der Tochter zLabels gebündelt und mit Kiomi vor einem halben Jahr sogar eine völlig unabhängige Web-Marke gelauncht. Nun haben die Berliner Kapital und viele helle Köpfe; was ihnen fehlt, ist praktische Erfahrung und Expertise im Modegeschäft. Die kann Bestseller beisteuern. Und warum sollten die Dänen nicht Marken wie Kiomi oder Mint & Berry für Zalando gestalten und beschaffen. Auch die Mengenvorteile, die ein milliardenschwerer Modemulti wie Bestseller in der Beschaffung hat, sprächen dafür. Und Bestseller, dessen eigenes Online-Business relativ schwach auf der Brust ist, wächst mit.
Der Deal zeigt zudem, wohin der Handel im Internet sich entwickelt. Nämlich in eine Monobrand-Struktur. Das Multilabel-Business ist im Internet viel mehr noch als in der Fußgängerzone der Preiskonkurrenz ausgesetzt. Höhere Margen lassen sich nur durchsetzen, wenn man sich diesem Preisvergleich entzieht. Und mehr noch als im Offline-Business kommt es auf Markenbekanntheit und ‑auffindbarkeit an. Das Web fördert deshalb Monomarken-Strukturen. Die aktuelle Diskussion um eine selektivere Online-Vertriebspraxis der Industrie wird langfristig obsolet werden. Die Vertikalisierung passiert eben auch – und sogar verschärft – im Internet.
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Und dann haben auch noch Reiner Unkel, Brian Rennie und Jacob Bjerregaard ihre Sparschweine geschlachtet. Die drei Manager übernehmen gemeinsam die Firma Basler. Finanzinvestor Triton schreibt seine 100 Millionen schwere Beteiligung an dem DOB-Anbieter ab, und die Banken verzichten auf weitere 100 Millionen Euro Forderungen. Das war offenbar eine Umfinanzierung in höchster Not – die Alternative wäre die Insolvenz gewesen. Dass es bei Basler im Gebälk knirscht, ist seit längerem bekannt. Aber das Ausmaß der Krise überrascht dann doch.
Das Unternehmen galt einmal als eine Perle der DOB und verdient angeblich auch heute noch operativ gutes Geld. Wenn da nicht die Schulden wären, die die Finanzinvestoren Basler aufgebürdet haben. Triton ist nach Alpha bereits der zweite Übernehmer. Der offensichtlich einen unrealistischen Kaufpreis bezahlt hat. Seit etwa zwei Jahren haben die Frankfurter an einer Verkaufsstory gebastelt und die Marke, die traditionell die klassische Qualitäts-Kundin anspricht, zu einer glamourösen Red Carpet-Nummer aufgeblasen, inklusive Show auf der Berlin Fashion Week und regelmäßigen Auftritten in Bunte und Gala. Die Kritiker lästerten über "Bascada", auch wenn die Realität auf dem Bügel freilich immer noch bodenständig ausfiel. Die Verkaufsstory zündete nicht, nach mehren Finanzspritzen zieht sich Triton jetzt zurück. Eine Insolvenz hätte vermutlich mehr Stress als Geld eingebracht. Die Schuldenlast bleibt mit fast 80 Millionen Euro hoch. Man darf gespannt sein, wie Unkel & Co diesen Berg abtragen wollen.
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