Über den Jahreswechsel ist doch das eine oder andere Spannende passiert: Rene Benko konnte sich vor Weihnachten jeden Abend seine neue Immobilie im Fernsehen anschauen – der Kadewe-Weihnachtsmann mit dem albernen Zwirbelbart war in den Nachrichten omnipräsent. Immerhin 1,1 Mrd. Euro hat der Österreicher für ein Paket von 16 Karstadt-Häusern bezahlt, knapp die Hälfte davon entfällt allein auf das Berliner Flaggschiff. Benko ist jetzt der Vermieter von Nicolas Berggruen, mit dem er sich vor Jahresfrist noch um Kaufhof gebalgt hatte.
Neuigkeiten auch von der Online-Front: Zalando startet eine neue Plattform für Designer-Marken. Mit Emeza betreten die Berliner das Feld von Mytheresa, Stylebob und Net a Porter. Entscheidend wird sein, welche Marken Emeza mittelfristig führen wird. Die Etablierten sollten den Newcomer nicht unterschätzen. Und die Treue ihrer Lieferanten nicht überschätzen.
Derweil schreibt die Bild-Zeitung die seit langem angekündigten Preissenkungen bei Otto zum „Preiskampf der Online-Giganten“ Otto vs. Zalando hoch. Dass die Zalando-Inhaber ihre Beteiligungsgesellschaft Rocket Internet an die Börse bringen wollen, wurde dementiert. Gleichzeitig erklimmt die Amazon-Aktie Höchststände: das Unternehmen war Anfang Januar 120 Milliarden Dollar wert, dabei verdient Jeff Bezos wegen seiner anhaltenden Investments immer noch vergleichsweise wenig Geld. Ganz anders Amancio Ortega: der Zara-Gründer hat es zum drittreichsten Menschen der Welt gebracht und sein Vermögen laut Bloomberg allein 2012 um 63% auf 57 Milliarden Dollar gemehrt. Ein bisschen was scheint mit stationären Geschäften noch zu gehen.
Dann haben wir Trennungen zur Kenntnis genommen; das ging buchstäblich Schlag auf Schlag: erst die van der Vaarts, dann die Wulffs. Dafür ging Wöhrl mit SinnLeffers zusammen. Okay, das war jetzt ein ziemlich platter Übergang. Die Übernahme der Hagener durch die Nürnberger dürfte insbesondere zwei Menschen glücklich gemacht haben:
Peter Zühlsdorff hatte die mehr als 40 SinnLeffers-Häuser für mutmaßlich wenig Geld übernommen; jetzt hat der 72jährige Kasse gemacht. Man darf davon ausgehen, dass sich Zühlsdorff dieses Geschäft leichter vorgestellt hat. Thomas Middelhoff wusste schon, warum er SinnLeffers loswerden wollte. Unter Quelle und später Arcandor waren die einstigen Perlen Sinn und Leffers nach Strich und Faden heruntergewirtschaftet worden. So blieb Zühlsdorff nur der Weg über eine Planinsolvenz. Die hat der erfahrene Handelsmanager, der sich zuvor schon bei Tengelmann als fähiger Sanierer bewiesen hatte, konsequent genutzt, dabei Strukturen und Prozesse angepasst und kranke Häuser konsequent abgestoßen. Am Ende blieb von SinnLeffers gerade mal die Hälfte übrig. Aber eine zukunftsfähige Hälfte. Man kann sagen, dass Zühlsdorff bei SinnLeffers durchgezogen hat, was Arcandor-Insolvenzverwalter Görg bei Karstadt versäumt hat.
Der andere Glückliche ist Gerhard Wöhrl. Der 68jährige hat mit der Übernahme erreicht, was er aus eigener Kraft nicht geschafft hat: zu wachsen. Dahinter stehen wirtschaftliches Kalkül und vermutlich auch persönliche Motive. Nach dem Ausstieg seines Bruders liegt es an Gerhard Wöhrl das Erbe des 2010 gestorbenen Vaters zu bewahren.
Wöhrl wird mit SinnLeffers größer. Zugleich wird das Unternehmen komplexer. Ob die Gruppe insgesamt stärker wird, hängt sehr von einem klugen und umsichtigen Management ab. Auch wenn sich Wöhrl und SinnLeffers augenscheinlich ideal ergänzen. Klar, dass man jetzt die Vorteile des Zusammengehens betont und Beruhigungspillen an die Belegschaft ausgibt. Langfristig wird man sich keine zwei Zentralen leisten.
Die Handelsgeschichte lehrt, dass es mit Synergien operativ in aller Regel nicht weit her ist. Entscheidender noch als Größe sind im Modehandel Schnelligkeit und Kundennähe. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Herausforderung ist, Größe im Einkauf mit Stärke im Verkauf und Geschwindigkeit in den Prozessen zu verbinden. Daran arbeiten sich Handelsmanager in allen Filialsystemen ab.
Das Multilabel-Format unterliegt dabei vergleichsweise großen Zwängen. Nicht von ungefähr waren die Gewinner im vergangenen Jahrzehnt vertikale Filialisten und Discounter. Inditex ist erst 1999 in Deutschland gestartet und setzt heute mit seinen knapp 100 Zara‑, Bershka- und Massimo Dutti-Läden weit mehr um als der vor 79 Jahren gegründete Wöhrl. Kik war vor einem Jahrzehnt mit ca. 200 Mill. Euro Umsatz noch eine kleine Nummer; 2011 hat der Textildiscounter in über 2500 deutschen Filialen mehr als 1,2 Milliarden Euro umgesetzt.
Die großen Bekleidungsfilialisten galten bis in die 90er Jahre als die Stars der Zunft. Dyckhoff, Boecker, Hettlage sind vom Markt verschwunden. Wehmeyer wurde von Adler geschluckt. Wirklich erfolgreich behauptet haben sich unter den großen Multilabel-Filialisten nur Breuninger, Hirmer und P&C. Und nur die Düsseldorfer sind zugleich groß genug, um über einen Ausbau ihres Exklusivmarkengeschäfts zu vertikalisieren. Man kann die Übernahme von SinnLeffers durch Wöhrl als weiteres Kapitel in der Konsolidierung der Multilabel-Filialisten sehen. Mit ein bisschen Fantasie kann man sich noch ganz andere Konstellationen vorstellen.
Dass gleichzeitig großflächige Multilabel-Formate weiter funktionieren, beweisen die vielen lokalen Platzhirsche. Den Garhammers, L&Ts und CJ Schmidts können nur eigene Versäumnisse, Nachfolgeprobleme oder ein Einkaufszentrum zum Verhängnis werden. Manchmal, wie im Fall von Modepark Röther oder auch bei Reischmann entstehen aus lokalen Größen phänomenale Wachstumsstories. Aber das sind Ausnahmen, hinter denen tolle und dynamische Unternehmer stehen. Multilabel-Formate können ihre Stärken am besten lokal ausspielen. Kundennähe, Individualität und kurze Wege zählen in diesem Marktsegment mehr als die Größenvorteile des zentral geführten Filialisten.