380 Teilnehmer aus 42 Ländern, über 200 Unternehmen und 171 CEOs – wahrscheinlich gibt es weltweit kein hochkarätigeres Einzelhändlertreffen als den Global Department Store Summit (GDSS), der gerade in Paris stattfindet. Am ersten Tag gab es Präsentationen aus Thailand, Japan, Malaysia, Großbritannien, der Schweiz, Frankreich und den USA. Der einzige Deutsche auf der Bühne war ein Brite – Karstadt-Chef Andrew Jennings.
Den besten Vortrag hielt ein anderer Brite – Andy Street. Street ist Managing Director des britischen Warenhausunternehmens John Lewis. John Who? Aus Sicht des deutschen London-Touristen gibt es wenig Gründe, bei John Lewis einzukaufen. Die schmucklosen Läden bieten nicht das Einkaufserlebnis von Harrods oder Selfridges. Was John Lewis den großen Namen voraus hat, ist indes ein extrem erfolgreiches Online-Geschäft. Tatsächlich gehört man zu den führenden Online Retailern auf der Insel, rund 20 Prozent des Umsatzes kommen über das Internet. Das britische Traditionsunternehmen hat damit geschafft, was den meisten anderen Einzelhändlern noch bevorsteht und was viele wahrscheinlich gar nicht hinbekommen werden: den Wandel vom rein stationären Anbieter zum Multichannel-Retailer (auf dem GDSS war von "Omnichannel" die Rede). Tatsächlich gilt John Lewis unter Einzelhändlern als Best Practice-Beispiel für die Umsetzung eines Omnichannel-Konzepts.
Wie haben die Briten das geschafft?
2001 ging John Lewis online, berichtete Andy Street, und versenkte erstmal viele Millionen Pfund. "Das konnten wir uns nur leisten, weil wir keine externen Shareholder hatten, die nur auf kurzfristige Gewinnmaximierung aus sind", so Street. "Unser Mantra ist aber: Tue das, was langfristig richtig ist." Und so investierte man weiter massiv in die Online-Kompetenz. Dabei kam es auch zu schmerzhaften Einschnitten wie der Entlassung von 4000 Mitarbeitern im Zuge der notwendigen Reorganisation der Logistik. Ab 2008 griff die Konzeption, und seit zwei Jahren exlodiert das Geschäft förmlich. Allein seit 2010 ist der Online-Umsatz von 387 auf 679 Mill. Pfund gestiegen und der Gewinn überproportional von 45 auf 98 Mill. Pfund. "Der Webshop ist damit profitabler als die Läden", so Street.
Zug um Zug hat John Lewis sein Online-Sortiment ausgebaut, aktuell gibt es dort 250.000 Artikel. Diese werden im Schnitt um 6 oder 7 Prozent günstiger angeboten als im Laden – ein ungewöhnlicher Ansatz, so Street, aber Price Competitiveness sei für die Akzeptanz des Online-Angebots unabdingbar. Ein weiterer Punkt sei Convenience. Ein Multichannel-Ansatz erfordert ein flächendeckendes Filialsystem, denn nur so können die Online-Kunden die Läden als Fulfillmentstation nutzen. Derzeit betreibt das Unternehmen 29 Häuser, langfristig seien 50 bis 60 notwendig. So richtet sich die Expansionsstrategie von John Lewis auch an den Erfordernissen des Onlinegeschäfts aus. Als Anlaufstation für John Lewis-Kunden fungieren darüber hinaus die 180 zum Konzern gehörenden Waitrose-Supermärkte. Völlig umgestellt hat John Lewis sein Marketing. Werbebotschaften müssen kanalübergreifend funktionieren. So investiert das Unternehmen mittlerweile mehr als 50 Prozent seines Budgets in neue Medien. Street zeigte als Beispiel den YouTube-Clip zu Weihachten 2011. Der rührte meine Nachbarin doch tatsächlich zu Tränen.
https://www.youtube.com/watch?v=pSLOnR1s74oWichtigster Punkt, um die interne Akzeptanz des neuen Vertriebskanals zu gewährleisten und Konkurrenzdenken zu verhindern, war die Integration der Online-Verantwortlichkeiten in die bestehende Organisation. Auf den Führungsebenen wurden die Zuständigkeiten für Online- und Stationär-Geschäft jeweils in eine Hand gegeben. Die Filialleiter profitieren vom Online-Umsatz in ihrem Einzugsgebiet ebenso wie von dem ihres Ladens.
Und wahrscheinlich ist es eine weitere Besonderheit von John Lewis, die die schnelle Anpassung des Unternehmens an ein neues Geschäftsmodell befördert hat: Das Unternehmen mit immerhin 9 Mrd. Pfund Umsatz gehört seinen Mitarbeitern! Über 80.000 sogenannten Partnern, die zwangsläufig das langfristige Interesse der Firma im Blick haben. Street spielte eine kurze Filmsequenz des Unternehmensgründers John Spedan Lewis ein: "Der vordringliche Zweck eines Unternehmens ist das Glück seiner Mitarbeiter durch eine wertvolle und zufriedenstellende Beschäftigung in einem erfolgreichen Business sicherzustellen."