Das Mea Culpa der Vogue und die verlogene Debatte über die Mager-Models

Wird Vogue jetzt zum Gesund­heits­ma­ga­zin? Eine Art Moden-Umschau? Okay, das war jetzt ein fie­ser Ver­gleich… Zunächst mal ist die "Health Initia­ti­ve" des welt­weit wich­tigs­ten Mode­me­di­ums löb­lich. „Die Vogue-Chef­re­dak­teu­re  füh­len sich für die Gesund­heit der gezeig­ten Models und der ihrer Leser ver­ant­wort­lich und möch­ten, dass sich dies in ihrem Maga­zin wider­spie­gelt“, ließ Con­dé Nast-Ver­le­ger Jona­than New­house die­ser Tage ver­kün­den. So ver­pflich­tet sich die Vogue, nicht mehr mit Models zu arbei­ten, die unter 16 Jah­re alt sind oder offen­kun­dig an Ess­stö­run­gen lei­den. Man will dazu bei­tra­gen, ein gesun­des Kör­per­bild zu för­dern und auch auf die Desi­gner ein­wir­ken, nicht mehr so klei­ne Mus­ter­grö­ßen ein­zu­set­zen. „Vogue ist davon über­zeugt, dass Schön­heit und Gesund­heit zusam­men­ge­hö­ren“, lässt sich New­house zitie­ren. Hier gibt's die Health Initia­ti­ve im Wort­laut.

So ein biss­chen Mea Cul­pa klingt bei der "Health Initia­ti­ve" der Chef­re­dak­teu­rin­nen schon durch. Denn natür­lich prä­gen und ver­stär­ken die Medi­en die Wahr­neh­mung von gesell­schaft­li­chen Trends, von posi­ti­ven wie nega­tiv emp­fun­de­nen. Und da ist es gut, wenn über Cor­po­ra­te Social Respon­si­bi­li­ty nicht nur geschrie­ben, son­dern die­se auch selbst prak­ti­ziert wird. Oder muss es in die­sem Fall "Publisher Social Respon­si­bi­li­ty" hei­ßen? Egal. Die Vogue als der Leucht­turm unter den Mode­me­di­en hat als glo­ba­le Style-Instanz jeden­falls eine Signal­funk­ti­on. So weit wie die Bri­git­te, die seit gut zwei Jah­ren ohne Models arbei­tet, woll­te man bei Con­dé Nast aber nicht gehen. Bes­ser so. Schö­ner ist die deut­sche Frau­en­zeit­schrift seit­her nicht gewor­den.

Hier wie dort spielt sicher auch PR-Kal­kül eine Rol­le. Es geht dar­um, sich in der Debat­te um die Mager-Models poli­tisch kor­rekt zu posi­tio­nie­ren. Es ist eine unehr­li­che Debat­te. In Wahr­heit ist jedem klar:

Models müs­sen dünn sein. Sonst sieht das nix aus.

Mager-Models sind frei­lich eine Per­ver­si­on des Schlank­heits-Ide­als, das die Models ver­kör­pern. Die­ses Ide­al ist für die meis­ten Men­schen uner­reich­bar. Da fällt die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den ver­meint­lich authen­ti­schen Voll­schlan­ken leich­ter, als die Dis­zi­plin auf­zu­brin­gen, die das Dünn­sein erfor­dert. Man lobt die Dove-Wer­bung und macht Diät. Meist ver­ge­bens.

Viel­leicht ist es sogar so, dass die Frus­tra­ti­on über die eige­ne Dis­zi­plin­lo­sig­keit sich in Aggres­si­on gegen die­je­ni­gen wen­det, die das Schön­heits­ide­al pro­pa­gie­ren – die Desi­gner, die Models, die Medi­en. Vor allem, wenn die­se durch Über­trei­bung Angriffs­flä­chen bie­ten. Dabei fol­gen Mager-Models ihrer ganz per­sön­li­chen, kran­ken Ide­al­vor­stel­lung – das öffent­lich­keits­wirk­sa­me Hun­gern als nar­ziss­ti­scher Schrei nach Auf­merk­sam­keit… jetzt ist doch glatt der Psy­cho­lo­gie­stu­dent mit mir durch­ge­gan­gen, der ich nie war.

Doch zurück zum The­ma: Es ist im eige­nen Inter­es­se der Mode­ma­cher, nicht mit die­sen kran­ken Mäd­chen (und Jungs) zu arbei­ten. Denn damit scha­den sie sich und ihren Mar­ken. Die Kun­den sol­len sich schließ­lich auf die gezeig­ten Pro­duk­te kon­zen­trie­ren und sich nicht Sor­gen um das Model machen müs­sen.

Das The­ma wird auch skan­da­li­siert, weil die Mode an sich für die meis­ten Medi­en kei­nen Nach­rich­ten­wert hat. Die Schau­en­be­richt­erstat­tung dreht sich in aller Regel mehr um die Fra­ge, wer in der ers­ten Rei­he sitzt, als um das, was auf dem Lauf­steg zu sehen ist. Es sei denn, es han­delt sich um Behin­der­te, Alte, Cele­bri­ties oder eben Biaf­ra-Models. Gut mög­lich, dass man­cher Mode­ma­cher es gera­de auf die­se Medi­en­wir­kung anlegt. Ein sol­cher Miss­brauch von Mager­süch­ti­gen wäre der eigent­li­che Skan­dal.

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