Nico rose

"Reiß Dich zusammen und sei professionell"

"Es geht nicht ums Happy-Sein! Schon gar nicht in Krisensituationen", sagt Dr. Nico Rose. Der Autor und gefragte Management-Coach hält entsprechend wenig von Feelgood-Management. Rose spricht im SUITS. Talk über Leadership in Krisenzeiten und über Führungskompetenzen, auf die es heute und in Zukunft ankommt. Und dann geht es auch noch um Heavy Metal.

Herr Dr. Rose, Sie sind beken­nen­der Hea­vy Metal-Fan, haben Bücher geschrie­ben, u.a. ‚HEAVY METAL BRANDS: Was Unter­neh­men von Hea­vy-Metal-Bands wie Metal­li­ca, Iron Mai­den oder Motör­head ler­nen kön­nen‘. Brau­chen wir dann auch Rock­stars an der Spit­ze? Typen, die laut und pro­vo­kant sind, die in der Öffent­lich­keit ste­hen, die unkon­ven­tio­nel­le Künst­ler sind? Und manch­mal toxisch wie ein Elon Musk?

Bei Elon Musk sieht man natür­lich sehr stark auch die nega­ti­ven Fol­gen, nicht nur, was schlech­te Pres­se und den Akti­en­kurs angeht. Tes­la hat auch sei­nen Tech­nik­vor­sprung ein­ge­büßt. Das mag unter ande­rem auch dar­an lie­gen, dass er sich um vie­le ande­re Din­ge geküm­mert hat und dar­über sein Kern­ge­schäft ver­nach­läs­sigt hat. Was die Rock­stars an der Spit­ze angeht, so kommt natür­lich sehr dar­auf an, über was für ein Unter­neh­men wir spre­chen und auch in wel­cher Ent­wick­lungs­pha­se es sich befin­det. Die Per­son an der Spit­ze muss immer auch zur Zeit pas­sen und zum aktu­el­len Zustand und den Zie­len des Unter­neh­mens. Des­we­gen tue ich mich ein biss­chen schwer mit einer Ant­wort.

Rock­star, das ist ja nicht nur Pose und Auf­tritt, son­dern meint auch die Hal­tung und die Her­an­ge­hens­wei­se.

In dem Buch, das ich gemein­sam mit Götz Ulmer geschrie­ben habe, ging es weni­ger um Mit­ar­bei­ter­füh­rung, son­dern wir haben uns eher die stra­te­gi­sche Posi­tio­nie­rung und Mar­ken­kom­mu­ni­ka­ti­on von Unter­neh­men ange­schaut.

Ori­gi­nell fand ich, dass sie mit dem The­ma auch in Wacken auf­ge­tre­ten sind.

Da habe ich mein zwei­tes Hea­vy Metal-Buch vor­ge­stellt – ‚Hard, Hea­vy & Hap­py – Hea­vy Metal und die Kunst des guten Lebens‘. Da geht es eher um die Sze­ne und wie sich das anfühlt, Metal Fan zu sein. Was machst du mit der Musik, was macht die Musik mit dir? Und wie hilft Hea­vy Metal uns dabei, ein halb­wegs anstän­di­ges Leben zu füh­ren? Also fast ein psy­cho­lo­gi­sches Buch, ohne jetzt ein Rat­ge­ber zu sein.

Nico rose
Hea­vy Metal-Fan Rose: "Die Per­son an der Spit­ze muss immer auch zur Zeit pas­sen und zu den Zie­len des Unter­neh­mens."

Wie ist die Lesung neben all den Hard­rock-Acts ange­kom­men?

Es gibt auf Wacken eine klei­ne Büh­ne, die nennt sich ‚Wel­co­me to the Jungle‘. Die ist reser­viert für sol­che Spo­ken Word-Geschich­ten. Da lesen auch ande­re Leu­te, und da fin­den Live Pod­casts statt. Des­we­gen war das jetzt gar nicht so unge­wöhn­lich, aber es war trotz­dem immer cool. Ich mache das in die­sem Jahr wie­der, mit mei­nem neu­en Buch, was gera­de raus­ge­kom­men ist. Laut.Stark.Leben‘. Das ist eine Bio­gra­fie der Metal-Iko­ne Sabi­na Clas­sen. Eine der frü­hen und weni­gen Frau­en der Sze­ne, neben der noch bekann­te­ren Doro Pesch. Eher was für Insi­der.

Ein ande­res Buch von Ihnen heißt ‚Füh­ren mit Sinn – Wie Sie die Füh­rungs­kraft wer­den, die Sie sich frü­her immer gewünscht haben‘. Was ist der Sinn eines Unter­neh­mens?

Ich habe mal eine Vor­le­sung am INSEAD besucht. Da war ein recht unkon­ven­tio­nel­ler Dozent, und eigent­lich soll­te es an dem Tag um Finanz­the­men gehen. Wir waren aber auf ein­mal bei ganz grund­le­gen­den Din­gen, und er sag­te so sinn­ge­mäß: ‚Die Leu­te wol­len halt ihr Zeug haben, und Markt­wirt­schaft ist die bes­te Form, damit die Leu­te ihr Zeug bekom­men‘. Bei allen Nach­tei­len die­ses Sys­tems bin ich erst­mal über­zeug­ter Markt­wirt­schaft­ler. Ich glau­be, dass Unter­neh­mer­tum ein­fach die bes­te und effi­zi­en­tes­te Form ist, um Men­schen mit schö­nen Din­gen zu ver­sor­gen. Ich fin­de auch Pro­fit­stre­ben erst­mal hilf­reich. Wir reden ja heu­te viel über Nach­hal­tig­keit. Ich fin­de, eine unter­neh­me­ri­sche Nach­hal­tig­keit im Sin­ne von Ren­di­te ist ein­fach auch unglaub­lich wich­tig.

Vor Jah­ren bei der Han­dels­ta­gung des Gott­lieb Dutt­wei­ler Insti­tuts frag­te ein Red­ner das erwar­tungs­vol­le Publi­kum: ‚What is our pur­po­se?‘

Und?

To have fun and make money.‘ Fand ich so schlicht wie tref­fend. Sie sind ja auch ein biss­chen der Exper­te für ‚To have fun‘. Oder habe ich das mit der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie falsch ver­stan­den?

Ich mag es nicht, wenn die Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie auf die­ses The­ma redu­ziert wird. Das ist einer von ganz, ganz vie­len Aspek­ten, die wir uns anschau­en. Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie ist vor allen Din­gen erst­mal eine For­schungs­rich­tung, eine Sub­dis­zi­plin der aka­de­mi­schen Psy­cho­lo­gie, aus der sich dann natür­lich auch Emp­feh­lun­gen ablei­ten las­sen.

"Die Methoden, die in einem Ausnahmezustand helfen, sind aber nicht die gleichen, die im Normalzustand zum Erfolg führen."

Und das ist ja auch das, was sie machen.

Aber es geht nicht ums Hap­py-Sein! Schon gar nicht in Kri­sen­si­tua­tio­nen. Wenn jemand zum Bei­spiel einen aku­ten Herz­still­stand hat, dann ist es natür­lich hilf­reich, wenn jemand einen Defi­bril­la­tor zur Hand hat. Wenn ein Unter­neh­men in eine Schief­la­ge gerät, dann kann es eben­so ange­ra­ten sein, mit har­ten Metho­den zu sanie­ren und restruk­tu­rie­ren. Die Metho­den, die in einem Aus­nah­me­zu­stand hel­fen, sind aber nicht die glei­chen, die im Nor­mal­zu­stand zum Erfolg füh­ren. Der Defi­bril­la­tor hilft mir nicht dabei, mei­nen Lebens­wan­del umzu­stel­len oder mehr Sport zu trei­ben. Der Sanie­rer wird mir wahr­schein­lich nicht dabei hel­fen kön­nen, eine neue Stra­te­gie zu ent­wi­ckeln und mein Geschäfts­mo­dell neu zu defi­nie­ren.

Da soll­ten dann Prin­zi­pi­en aus der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie grei­fen, wenn ich Sie rich­tig ver­ste­he.

Die kli­ni­sche Psy­cho­lo­gie beschäf­tigt sich mit dem Erken­nen und Behan­deln von psy­chi­schen Krank­hei­ten, Depres­sio­nen, Stö­run­gen. Also mit der nega­ti­ven Abwei­chung von einem Nor­mal­zu­stand, mit dem Ziel, den Men­schen wie­der dort­hin zurück­zu­brin­gen. Die Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie wen­det sich dage­gen an Men­schen, die gesund sind im wei­tes­ten Sin­ne, und ver­sucht, Anschub zu geben, für Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung zu sor­gen oder im Unter­neh­men Füh­rungs­be­zie­hun­gen zu ver­bes­sern. Es geht nicht dar­um, Leu­te in „hap­py shi­ny Ein­hör­ner“ ver­wan­deln zu wol­len, son­dern sich auf die Stär­ken und nicht die Defi­zi­te von Men­schen zu fokus­sie­ren.

Nun sind die Zei­ten nicht gera­de leicht. Wir haben es mit einer all­ge­mei­nen Nega­tiv-Gemenge­la­ge aus Rezes­si­on, Trans­for­ma­ti­ons­druck, Zei­ten­wen­de, Trum­po­no­mics usw. zu tun. Mit allen Fol­gen, die das für die Stim­mung und die Situa­ti­on vie­ler Men­schen und damit auch Unter­neh­men hat. Was kann eine gute Füh­rung in so einer Situa­ti­on aus­rich­ten?

Sie ist noch ent­schei­den­der. In sol­chen Situa­tio­nen gilt es, das Span­nungs­feld von Authen­ti­zi­tät und Pro­fes­sio­na­li­tät neu aus­zu­lo­ten. Man kann sich ja als Füh­rungs­kraft nicht ein­fach vor­ne hin­stel­len und sagen: ‚Leu­te, es ist schei­ße, und mir geht es auch schei­ße‘. Die Pro­fes­sio­na­li­tät gebie­tet es, Opti­mis­mus zu ver­brei­ten und viel­leicht sogar manch­mal ein biss­chen zum Schau­spie­ler zu wer­den.

Wobei die Mit­ar­bei­ten­den ja durch­aus spü­ren, wenn der Chef oder die Che­fin Schön­fär­be­rei betreibt. So ein Posi­ti­vis­mus kann auch toxisch wir­ken.

Das stimmt. Ich erin­ne­re mich noch sehr klar an eine Situa­ti­on, als ich noch bei Ber­tels­mann war. Da stand ich einem Team vor, das wegen des rie­si­gen Workloads extrem über­las­tet war. Wir for­der­ten über Mona­te Ver­stär­kung, die schließ­lich auch bewil­ligt wur­de. Und an dem Tag, wo die neue Mit­ar­bei­te­rin ihren Ver­trag unter­schrei­ben soll­te, teil­ten mir mei­ne Vor­ge­setz­ten mit, dass die neue Stel­le aus Bud­get­grün­den schon wie­der gestri­chen sei. Und mit die­ser Bot­schaft muss­te ich zu mei­nem Team gehen. Das war schon ein schwe­rer Moment, weil ich genau gemerkt habe, ich blei­be mei­nen Leu­ten jetzt echt was schul­dig und muss ihnen aus mei­ner Rol­le her­aus was auf­bür­den. Da gab es nicht weni­ge, die waren bereits dem Burn­out nahe, da hast Du als Vor­ge­setz­ter ja auch eine Ver­ant­wor­tung. Und dann sprichst du natür­lich dar­über, okay, kön­nen wir noch mal irgend­was weg­las­sen, kön­nen wir noch effi­zi­en­ter wer­den? Bla bla bla. Ich bin dar­über ziem­lich zynisch gewor­den, was, glau­be ich, nach­voll­zieh­bar ist.

"Feelgood-Management ist Symptombehandlung. Lieber sollte man in die gute Ausbildung von Führungskräften investieren und in Diagnostik, um sicherzustellen, dass jeder Mensch den Job macht, den er oder sie wirklich mag."

Wie haben Sie das dann gelöst?

Irgend­wann nach ein paar Tagen hat mein Team damals jeman­den zu mir geschickt. Die Dame war frü­her mal Vor­stands­se­kre­tä­rin, die hat­te spit­ze Ellen­bo­gen und kei­ne Hem­mun­gen. Und die hat mir sinn­ge­mäß die Bot­schaft über­bracht: ‚Nico, wir wis­sen, wie es dir geht, wir fin­den das ja genau­so schei­ße. Wir sind jetzt men­tal an dem glei­chen Punkt. Aber wenn du dich jetzt auch noch hän­gen lässt, und wenn wir jetzt von dir kei­ne Ener­gie und kei­nen Zuspruch mehr bekom­men, dann ist hier wirk­lich der Ofen aus‘. Im Grun­de hat sie gesagt: ‚Reiß Dich mal zusam­men und sei pro­fes­sio­nell.‘

Zuviel Empa­thie scha­det?

In mei­ner authen­ti­schen Ver­fas­sung hät­te ich mich damals wahr­schein­lich noch wei­ter hän­gen las­sen. Mein Team hat mich qua­si dar­an erin­nert, dass zur Pro­fes­sio­na­li­tät in die­ser Situa­ti­on ein ande­res Ver­hal­ten erfor­dert. Natür­lich gibt es ein Level von Zweck­op­ti­mis­mus, wo es dann so der­ma­ßen unrea­lis­tisch wird, dass die Leu­te sich an den Kopf fas­sen. Aber sich hän­gen las­sen, sich mich mit dem Team ver­brü­dern und im Leid suh­len, das geht auch nicht. Und ich glau­be, die­ses Span­nungs­feld muss man immer wie­der neu aus­lo­ten.

Haben Sie einen Tipp, wie man Teams durch unsi­che­re Pha­sen führt?

Es gibt in der For­schung einen Begriff, den ich sehr ger­ne mag, der nennt sich Sen­se-Making. Es geht dar­um, sich bewusst mit ande­ren über Ver­än­de­run­gen und Ent­wick­lun­gen aus­zu­tau­schen:  Was bedeu­tet das jetzt für uns? Wenn sich schnell viel ändert, dann haben wir aller­dings häu­fig das Gefühl, dass wir kei­ne Zeit für die­ses gemein­sa­me Inne­hal­ten haben. Das führt dann aber dum­mer­wei­se dazu, dass man in der Regel noch mehr den Über­blick ver­liert. Es ist eine Flos­kel, aber ich wür­de sagen, gera­de wenn es eilt, geh auch mal lang­sam. Nimm dir Zeit für kol­lek­ti­ves Sen­se-Making.

Und wenn sich kein Sinn erschließt?

Natür­lich habe ich auch als Füh­rungs­kraft nicht immer alle Infor­ma­tio­nen. Der ganz natür­li­che Impuls ist abzu­war­ten, bis ich es ver­stan­den habe, um dann die Leu­te mit­zu­neh­men. Aber das pas­siert dann in der Regel viel zu spät.

Also bes­ser Unwis­sen­heit ein­ge­ste­hen?

Ja. Ich fin­de es total okay, zu sagen: ‚Lie­be Leu­te, ich weiß es jetzt noch nicht.‘ ‚Noch‘ ist in die­sem Zusam­men­hang ein wich­ti­ges Wort! Denn natür­lich wol­len wir nicht hoff­nungs­los erschei­nen. Nicht raus­ge­hen aus der Kom­mu­ni­ka­ti­on, son­dern gera­de rein­ge­hen, wenn ich mich selbst unsi­cher füh­le. Das wäre eine gro­ße Emp­feh­lung.

Die meis­ten Füh­rungs­kräf­te sind von Kri­sen selbst auch emo­tio­nal belas­tet. Kann man sich auf sol­che Lagen vor­be­rei­ten oder das trai­nie­ren?

Es gibt Per­sön­lich­keits­ei­gen­schaf­ten, die sind ange­bo­ren, da kann man nicht viel ändern. Man­che Men­schen sind emo­tio­nal ein­fach sta­bi­ler und stress­re­sis­ten­ter als ande­re – die kön­nen mit Kri­sen und Unsi­cher­heit bes­ser umge­hen. Und dann gibt es Din­ge, die man kul­ti­vie­ren kann. Intel­lek­tu­el­le Beschei­den­heit, also Nicht­wis­sen aner­ken­nen, das ist fast immer hilf­reich für Füh­rungs­kräf­te. Das Ein­fachs­te, was man machen kann, nen­ne ich WWW: ‚What Went Well‘. Rich­te dei­ne Auf­merk­sam­keit zumin­dest für ein paar Minu­ten am Tag auf die Din­ge, die jetzt gera­de viel­leicht trotz allem rich­tig gut lau­fen. Mor­gens auf dem Weg zur Arbeit über­le­gen, was sind neben den paar doo­fen Ter­mi­nen die drei Din­ge, auf die ich mich freue? Abends für sich resü­mie­ren, wel­che drei Sachen einen heu­te trotz allem erfreut haben. Und wenn bloß das Schnit­zel in der Kan­ti­ne beson­ders lecker war.

Das gute alte Think Posi­ti­ve…

Ich weiß, das klingt banal, aber die For­schung zeigt tat­säch­lich, dass dies einen ganz klar stim­mungs­auf­fal­len­den Effekt hat. Oder neh­men Sie das typi­sche Mee­ting. Statt nur Pro­ble­me zu wäl­zen, ist es viel­leicht rat­sam, dass am Anfang erst­mal jeder über ein oder zwei Din­ge spricht, die in der letz­ten Zeit gut gelau­fen sind. Es geht nicht nur um die posi­ti­ve Stim­mung, son­dern wir wis­sen aus der For­schung, dass posi­ti­ve Gefüh­le den Zusam­men­halt stär­ken und Krea­ti­vi­täts­pro­zes­se begüns­ti­gen.

"Die wichtigste Kompetenz einer guten Führungskraft ist, anderen Menschen wirklich zu vertrauen"

Am Ende sind Unter­neh­men trotz­dem kein Kuschel­zoo, oder? In jün­ge­ren Unter­neh­men gibt es ja nicht sel­ten die Insti­tu­ti­on des Feel­good-Mana­gers. Was hal­ten sie von die­sem Kon­zept und den dahin­ter­ste­hen­den Ideen?

Es spricht nicht gegen einen Tisch­ki­cker, es spricht nichts gegen den Obst­korb, es spricht auch nichts gegen Mas­sa­gen oder Fir­men­par­tys. Was man nur nicht davon ablei­ten darf, ist ein wirt­schaft­li­cher Erfolg. Ich bin ja von Haus aus Psy­cho­lo­ge, habe aber über Con­trol­ling pro­mo­viert. Ein Unfall, aber es ist doch ein biss­chen BWL hän­gen geblie­ben. Wirt­schaft­li­cher Erfolg ist in der Regel die Fol­ge von erar­bei­te­ten Wett­be­werbs­vor­tei­len. Wer einen Feel­good-Mana­ger beschäf­tigt, damit es den Leu­ten gut geht, okay. Wenn sie erwar­ten, dass das das Unter­neh­men erfolg­reich macht, dann wür­de ich sagen, bit­te wie­der zurück zur Uni.

Dass es den Leu­ten gut geht, ist viel­leicht nicht allein ursäch­lich, aber doch auch eine Vor­aus­set­zung für Erfolg.

Natür­lich ist es wahn­sin­nig wich­tig. Aber was heißt gut gehen? Dass die Leu­te den gan­zen Tag lächeln? Nein, Arbeit darf natür­lich auch mal kei­nen Spaß machen, und Arbeit darf auch hart sein. Und Arbeit darf auch so sein, dass ich zwi­schen­durch mal flu­che. Viel von dem, was so unter Feel­good-Manage­ment läuft, das fällt halt unter „das Hams­ter­rad ein biss­chen bes­ser aus­pols­tern“. Die Leu­te haben Scheiß-Jobs, es wird schlecht geführt, die Unter­neh­mens­kul­tur ist komisch. Alle sind dem Burn­out nahe, aber dafür krie­gen sie frei­tags Piz­za und Nacken­mas­sa­ge. Das kann es ja nicht sein. Feel­good-Manage­ment ist für mich Sym­ptom­be­hand­lung. Lie­ber soll­te man Zeit und Geld in die gute Aus­bil­dung von Füh­rungs­kräf­ten inves­tie­ren und in Dia­gnos­tik, um sicher­zu­stel­len, dass jeder Mensch den Job macht, den er oder sie wirk­lich mag und wo er auch sei­ne Stär­ken hat. Es geht dar­um, die best­mög­li­che Pas­sung her­zu­stel­len zwi­schen Mensch und Auf­ga­be. Und wenn das gege­ben ist, dann kön­nen wir auch über Kicker und Obst­korb spre­chen.

Seit der Coro­na-Kri­se ist hybri­des Arbei­ten in vie­len Funk­tio­nen der Nor­mal­fall. Das dezen­tra­le Arbei­ten erleich­tert Füh­rung nicht. Oder ist jetzt ein­fach nur anders, und man muss sich halt umstel­len?

Es wur­den Bücher ver­öf­fent­licht, wir müss­ten jetzt „digi­tal füh­ren“. Ich habe nie ver­stan­den, was „digi­ta­le Füh­rung“ sein soll. Es gab frü­her ja auch kei­ne Füh­rung per Dampf­ma­schi­ne. Es geht um Medi­en­kom­pe­tenz. Also, wie nut­ze ich Medi­en so, dass ich die beab­sich­tig­te Wir­kung erzie­le und bestimm­te Neben­wir­kun­gen ver­mei­de. Was gute Füh­rung, schlech­te Füh­rung aus­macht, hat sich aus mei­ner Sicht in den letz­ten Jah­ren nicht viel geän­dert. Wenn ich als Chef oder Mit­ar­bei­ten­der ein Arsch bin, bin ich in der Video­kon­fe­renz auch ein Arsch.

Aber emo­tio­na­le Nähe ist trotz­dem nicht so leicht zu schaf­fen.

Home­of­fice bedeu­tet für Füh­rungs­kräf­te ganz vie­le Video­kon­fe­ren­zen. Und natür­lich kom­men wir über Video nicht ganz so rüber wie in echt. Ich kann den Men­schen nicht rie­chen, das ist manch­mal gut, gehört aber zum Gesamt­bild. Ich kann auch Kör­per­spra­che nicht kom­plett ent­zif­fern. Wir kom­men nicht so ener­ge­tisch rüber wie in der Live-Situa­ti­on. Ich hat­te in der Coro­na-Zeit mal einen Work­shop mit eBay. Oli­ver Klinck, der dama­li­ge Deutsch­land­chef, hat zur Ver­ab­schie­dung einen intel­li­gen­ten Satz gesagt, der die For­schung zu die­sem The­ma gut zusam­men­fasst: ‚We have to be ten per­cent nicer online‘. Also wir müs­sen net­ter, sym­pa­thi­scher, ener­ge­ti­scher sein, um unge­fähr so zu wir­ken wie im ech­ten Leben. Die meis­ten Leu­te sind übri­gens viel zu nah an ihrer Video­ka­me­ra dran. Wie vie­le Nasen­lö­cher muss­te ich mir in den letz­ten Jah­ren anse­hen. So nah kom­me ich Men­schen per­sön­lich nur, wenn ich sie küs­sen oder schla­gen woll­te.

Nico rose
Coach Rose: "Ver­trau­ens­fä­hig­keit ist ent­schei­dend"

Vie­len schaut man von unten an, das ist ganz unan­ge­nehm, selbst wenn man es nicht mit einem Dop­pel­kinn zu tun hat.

Es stimmt, die Kame­ras sind häu­fig zu nied­rig. Das heißt, ich schaue auf mein Gegen­über her­un­ter. Ich bin auch bei Prä­sen­ta­tio­nen immer so weit weg, dass die Leu­te mei­ne Ges­tik sehen kön­nen. Ohne die Ges­tik fehlt ein­fach ein wich­ti­ger Teil. Ich nut­ze zudem ein Ring­licht, das dem Gesicht schmei­chelt. Ich wür­de Unter­neh­men raten, nicht kni­cke­rig bei der Tech­nik zu sein. Und Füh­rungs­kräf­ten wür­de ich anra­ten, ein biss­chen zum Schau­spie­ler zu wer­den. Also leb­haft auf­zu­tre­ten, lie­ber extra gro­ße Ges­ten machen und bewusst ein biss­chen mehr into­nie­ren. Das wird nicht alle Schwie­rig­kei­ten besei­ti­gen, aber für Wir­kung sor­gen.

Trotz­dem wird es für Füh­rungs­kräf­te schwie­ri­ger, ihr Team auch emo­tio­nal zu bin­den und hin­ter sich zu brin­gen, wenn der Schwatz zwi­schen­durch fehlt. In man­chen Video­calls sagt man ja nicht ein­mal mehr guten Mor­gen.

Eine Emp­feh­lung ist tat­säch­lich: Lasst den Small­talk nicht sau­sen. Und natür­lich braucht es regel­mä­ßi­ge Prä­senz­tref­fen. Ver­trau­en baut sich immer noch eher im per­sön­li­chen Kon­takt auf.

Wel­che Kom­pe­ten­zen wer­den aus Ihrer Sicht für Füh­rungs­kräf­te der Zukunft – gera­de mit Blick auf die aktu­el­le Unsi­cher­heit und den Wan­del – beson­ders wich­tig sein?

Offen­heit ist wich­tig, für neue The­men wie zum Bei­spiel KI, und sich mit den Aus­wir­kun­gen auf Geschäfts­mo­del­le zu beschäf­ti­gen. Sonst ist man in fünf Jah­ren viel­leicht weg vom Fens­ter. Aber an der Rele­vanz von guter Füh­rung ändert dies nichts.

Das heißt?

Die wich­tigs­te Kom­pe­tenz einer guten Füh­rungs­kraft ist, ande­ren Men­schen wirk­lich zu ver­trau­en. Wenn ich nicht genug ver­traue, dann muss ich kon­trol­lie­ren. Dann baue ich Sys­te­me drum­her­um. Die­se Sys­te­me machen lang­sam und sind teu­er. Von daher wäre mei­ne größ­te Emp­feh­lung an jede Füh­rungs­kraft, im Zwei­fel lie­ber erst­mal zwei Pro­zent zu viel zu ver­trau­en. Wenn es dann in drei von hun­dert Fäl­len schief­geht, bist du bestimmt resi­li­ent genug, um damit umzu­ge­hen. Aber das ist immer noch bes­ser, als hun­dert Pro­zent der Leu­te zwei Pro­zent zu wenig zu ver­trau­en. Ver­trau­ens­fä­hig­keit ist ent­schei­dend. Mir fal­len ganz weni­ge Kon­tex­te ein, wo das falsch ist.

Nico rose swDr. Nico Rose ist der Sinn­put-Geber. Er arbei­tet als frei­schaf­fen­der Autor sowie Spar­rings­part­ner für Men­schen und Orga­ni­sa­tio­nen. Von 2019 bis Anfang 2022 war er Pro­fes­sor für Wirt­schafts­psy­cho­lo­gie an der ISM Dort­mund. Zuvor arbei­te­te er für Ber­tels­mann, zuletzt als Vice Pre­si­dent im Stab des HR-Vor­stands. Rose stu­dier­te Psy­cho­lo­gie in Müns­ter und wur­de an der EBS Oestrich-Win­kel in BWL pro­mo­viert. Zudem stu­dier­te er Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie an der Uni­ver­si­ty of Penn­syl­va­nia. Sein sieb­tes Buch, ‚Hard, Hea­vy & Hap­py‘, ist ein SPIEGEL Best­sel­ler. Er ist Kolum­nist für die Wirt­schafts­Wo­che. Der Metal­fan und Vater von zwei Kin­dern lebt in Müns­ter.