"Schrei vor Glück. Oder bring's zurück." Mit dem Werbeslogan-Klassiker hat Zalando vor bald 15 Jahren den Markt aufgemischt. Der Online Retailer hat damit eine neue Kundengeneration für den guten alten Versandeinkauf begeistert, den sie noch von ihren katalogschmökernden Eltern und Großeltern kannten. Das unverbindliche Bestellen und Zurückschicken war bequem und attraktiv. Zeitweise sollen sich Freundeskreise gar zu „Zalando-Parties“ getroffen haben.
Die Retoure hat das Berliner Startup indes nicht erfunden. Das Widerrufsrecht ist in Deutschland gesetzlich verbrieft. Es waren Versandhäuser wie Otto, Quelle und Neckermann, die die Deutschen über Jahrzehnte zu den Retourenkönigen in Europa erzogen haben. Mit Gratisrücksendungen, analog zum stationären Umtausch. Zalando hat diesem Versprechen lediglich einen zeitgemäßen Anstrich verpasst.
Das dürfte den Versandhaus-Managern seinerzeit das eine oder andere graue Haar beschert haben. Denn Gewinn oder Verlust hängen in diesem Geschäft nicht unwesentlich von der Retourenquote ab. Das unverbindliche Bestellen und Zurückschicken derart offensiv zum USP zu erklären wie Zalando, wäre Otto & Co indes eher nicht in den Sinn gekommen.
Aber das investorengetriebene Startup konnte auf seinem rasanten Wachstumskurs buchstäblich keine Rücksicht auf Verluste nehmen. Der Erfolg war bekanntlich phänomenal. Das börsennotierte Zalando muss jetzt damit klarkommen, knapp ein Drittel der 440 Millionen Mode-Retouren, die allein in Deutschland im Jahr anfallen, gewinnverträglich zu händeln.
Hinzu kommt, dass Retouren heute nicht mehr nur Kostenfaktor sind, sondern gleichermaßen zum Prüfstein für die Nachhaltigkeitsversprechen geworden sind, die sich die Unternehmen auf die Fahne geschrieben haben. Und da hat Zalando diese Woche eine gewaltige „Retourkutsche“ kassiert, wie die ZEIT doppeldeutig titelt. Ein Investigativ-Team von Flip, SWR und ZEIT weist in einer aufsehenerregenden Reportage detailliert nach, dass Zalando in seinem Retourenmanagement in puncto Klimaneutralität und Ressourcenschonung weit hinter der offiziellen Selbstdarstellung zurückbleibt. Die Recherche liest sich plausibel. Unabhängig von den einzelnen Fakten bleibt das Bild eines Unternehmens, das seine Kunden täuscht und Greenwashing betreibt.
Normalerweise macht sich Otto Normalverbraucher ja keine Vorstellung davon, was er mit einer Rücksendung auslöst. Es steht zu befürchten, dass es ihm/ihr auch überwiegend egal ist.
Da haben Journalisten wieder mal einem bösen Konzern vors Schienbein getreten, der mit seinen Sustainability-Reports halt glücklicherweise auch jede Menge Ansatzpunkte liefert, an denen er dann gemessen werden kann. Von einem Shein ist dagegen kaum eine Telefonnummer herauszubekommen. Aber die "Letzte Generation" klebt sich ja auch lieber auf deutsche Autobahnen statt an chinesische Kohlekraftwerke.
Das eigentliche Verdienst der Recherche ist, ein Licht auf die Praxis des Retourenmanagements geworfen zu haben. Normalerweise macht sich Otto Normalverbraucher ja keine Vorstellung davon, was er mit einer Rücksendung auslöst. Es steht zu befürchten, dass es ihm/ihr auch überwiegend egal ist. Die Distanzhändler investieren deshalb massiv in Retourenvermeidung, von besseren Produktbeschreibungen und detaillierteren Darstellungen bis hin zur Implementierung von Tools wie Fitfinder oder virtual dressing. Dass, wie Flip in "Zickzack Zalando" herausgefunden hat, ein Babystrampler 7000 Kilometer kreuz und quer durch Europas kutschiert wird, lässt sich damit offensichtlich trotzdem nicht verhindern.
Wenn man Umweltschutz ernst nimmt, wird man deswegen über kurz oder lang um Retourengebühren nicht herum kommen. Das scheuen die Versandhändler natürlich wie der Teufel das Weihwasser, weil es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu weniger Käufen führt. Lieber kalkuliert man die Retourenkosten mit ein, die dann von allen Kunden mitbezahlt werden.
Deswegen muss da wohl der Gesetzgeber ran. Auch gegen Plastiktütenverbot und Dosenpfand ist der Einzelhandel lange Sturm gelaufen. Heute schleppen die Leute ohne großes Murren ihre Flaschen in den Supermarkt. Und die Unternehmen haben kostenverträgliche Lösungen gefunden.