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Von wegen Sommerloch 

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Jür­gen Mül­ler

Für Schlag­zei­len sorg­ten in die­sem August nicht nur Rie­sen-Deals wie Tapestry/Capri, Advent/Zimmermann oder Shein/SPARC und Kri­sen­fäl­le wie Klin­gel, Ger­ry Weber, P&C oder Hall­hu­ber. Etli­che Bran­chen­grö­ßen füll­ten die Feri­en­zeit mit Inter­views oder wur­den sonst irgend­wie auf­fäl­lig:

Ob Micha­el Mich­alsky wirk­lich noch eine sol­che Bran­chen­grö­ße ist? Eines sei­ner Ido­le ist bekannt­lich Karl Lager­feld. Der hat bis zuletzt als Desi­gner gear­bei­tet, wäh­rend Mich­alskys letz­te Show vier Jah­re her ist und sei­ne Ver­trä­ge mit MCM und Jet Set längst aus­ge­lau­fen sind. Medi­al füllt er nun eher die Lücke, die ein Rudolf Mos­ham­mer hin­ter­las­sen hat: Der Mann, der irgend­was mit Mode macht und des­we­gen als Trend­in­ter­pret und Geschmacks­in­stanz gefragt ist. Und das kann Mich­alsky ja auch gut.

Im Pod­cast mit Bar­ba­ra Schö­ne­ber­ger („Mit den Waf­feln einer Frau“) begab er sich jetzt auf ver­meint­lich ver­min­tes Gelän­de: „Diver­si­ty – ich kann den Begriff ehr­lich gesagt nicht mehr hören.“ Das bedeu­te nicht mehr als das blo­ße Aner­ken­nen, „dass es unter­schied­li­che Men­schen­ty­pen gibt“. Eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, so Mich­alsky. Ent­schei­dend aber sei es, alle zu inte­grie­ren. Statt­des­sen sol­le man bes­ser von „Inclu­si­on“ spre­chen. Recht hat er.

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Ein Desi­gner ist Phar­rell Wil­liams nicht. Aber er wird als sol­cher von LVMH bezahlt. In der aktu­el­len GQ lässt sich der Pop­star über die Zukunft von Lou­is Vuit­ton aus: Man stre­be ein expo­nen­ti­el­les Wachs­tum an, so Wil­liams, aber die­ses Wachs­tum zei­ge sich nicht nur in Zah­len. Es gehe um „Wachs­tum im Geschmack, Wachs­tum im Set­zen von Maß­stä­ben, Wachs­tum im Über­tref­fen von Stan­dards. Dann kommt das Geld.“ Immer nur „den glei­chen Mist“ her­zu­stel­len, dafür sei er nicht her­ge­kom­men. „Ich wur­de hier­her gebracht, um den Baum zu schüt­teln. Nur so bekommt man die süßes­ten Äpfel.“

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Die TW frag­te den neu­en H&M Deutsch­land-Chef Maxi­mi­li­an Schüss­ler, „wie H&M das Pro­blem H&M lösen will“. Gemeint ist natür­lich die im Ver­gleich zur Kon­kur­renz schwä­cheln­de Kern­mar­ke des H&M‑Konzerns. Stoff für sechs Sei­ten im Maga­zin und 27 Minu­ten Pod­cast. Die Kurz­fas­sung: Schüss­ler will auf weni­ger Flä­che mehr Umsatz machen mit­tels Omnich­an­nel-Ver­net­zung und neu­en Tech­no­lo­gien am POS, inten­si­vier­tem CRM und neu­en Sor­ti­men­ten wie Beau­ty, Home und Move sowie Fremd­mar­ken im Online­shop. Statt Gegen­wind ver­spü­re er bereits Rücken­wind, so Schüss­ler. Davon hät­ten wir ja dann alle was.

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Sein ers­tes gro­ßes Inter­view gab der neue Puma-CEO Arne Freundt der Süd­deut­schen Zei­tung. Puma ist ein Glo­bal Play­er, als Kon­zern mit Sitz in Bay­ern weiß man aber, was sich gehört. Inhalt­lich bie­tet das Inter­view wenig Über­ra­schen­des. Chi­na und das US-Busi­ness will Freundt vor­an­brin­gen, das Mar­ke­ting sieht er als Bau­stel­le an, die Koope­ra­ti­on mit Rihan­na wird neu auf­ge­legt. Dass Olig­ar­chen und Scheichs mit Mil­li­ar­den im Fuß­ball­ge­schäft mit­mi­schen und der Invest­ment­fuß­ball die Fans ver­grät­zen könn­te, sieht der Puma-Chef nicht als Pro­blem, „denn es geht immer zuerst um den Sport“. Wirk­lich? Da hät­ten die Repor­ter ger­ne noch­mal nach­ha­ken kön­nen.

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Ist es ein Beleg, dass tat­säch­lich schlech­te Zei­ten auf die Snea­k­er-Anbie­ter zukom­men? Oder bloß ein Wink nach Her­zo­gen­au­rach? Kanye West geht neu­er­dings bevor­zugt unten ohne. Auf sei­nem Ita­li­en­trip wur­de er mehr­fach auf Socken gese­hen. Das Mode­ma­ga­zin Der Spie­gel glaubt einen Trend aus­ge­macht zu haben und zitiert das ame­ri­ka­ni­sche Life­style-Medi­um The Cut, das den bare­foot boy sum­mer aus­ge­ru­fen habe. Über die Dress­codes, die gera­de in fei­nen Loka­len an belieb­ten Feri­en­or­ten gel­ten – kei­ne Shorts, kei­ne Flip-Flops, kei­ne Tank­tops – sei jemand wie Kanye West offen­bar erha­ben, ätzt die Autorin. Dies ent­lar­ve das fal­sche Selbst­ver­ständ­nis eines Super­rei­chen, der sich ger­ne als gegen den Strom schwim­men­der Anti-Held insze­nie­re und dabei die glei­chen Atti­tü­den an den Tag lege wie alle ande­ren auch.

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Jeff Bezos war eben­falls in Ita­li­en. Er fei­er­te Ver­lo­bung mit Lau­ren San­chez, auf sei­ner neu­en, 127 Meter lan­gen Super­jacht, im klei­nen Kreis mit Bill Gates und Kon­sor­ten. Den Spie­gel ver­an­lass­te das zu einer amü­san­ten Wür­di­gung des Bild­gen­res „Typ auf Jacht“. Das habe man frü­her mit Leu­ten wie Aris­to­te­les Onas­sis oder Leo­nar­do DiCa­prio ver­bun­den. Bezos zei­ge heu­te, dass er der effek­ti­ve­re Ange­ber sei. Der Ama­zon-Grün­der habe offen­sicht­lich sei­ne spä­te Beru­fung gefun­den, als öffent­li­cher Luxus­ur­lau­ber und Dau­er­cam­per auf hoher See. Als Papa­raz­za betä­tigt sich Lau­ren San­chez höchst­per­sön­lich. Auf Insta­gram bewun­dert sie den durch­trai­nier­ten Kör­per ihres Ver­lob­ten: „Is it just me, or is it hot out­side?“.

Wäh­rend der Ama­zon-Grün­der durchs Mit­tel­meer kreuzt, zwingt der Kon­zern sei­ne Mit­ar­bei­ten­den in den USA zurück ins Büro. Auch gibt es dort Gerüch­te, dass Mar­ket­place-Part­ner, die Prime-Bestel­lun­gen selbst ver­sen­den, in Zukunft eine zusätz­li­che Gebühr zah­len sol­len. Wenigs­tens die Anle­ger sind glück­lich. Nach dem uner­war­tet hohen Quar­tals­ge­winn hat die Ama­zon-Aktie im August über 6 Pro­zent zuge­legt.

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Wo wir schon in Ita­li­en sind: Ren­zo Rosso plau­der­te mit Tan­ja Rest von der SZ über sein Leben, das ja nicht unwe­sent­lich aus Die­sel besteht. Wie er „bra­ve“ und „rebel­lisch“ bleibt? Er hört sei­nen sie­ben Kin­dern und ihren Freun­den zu „und dann gebe ich die­sen moder­nen Leu­ten, was sie wol­len“. Man müs­se dabei nur schnell sein. „Die meis­ten Leu­te, die unse­re Welt steu­ern, reden nur, tun aber nichts.“ Rosso arbei­tet im Übri­gen nicht für Geld. „Ich mag, was ich tue, und ver­su­che, es so gut wie mög­lich zu machen.“ Vor zehn Jah­ren habe er sich zum ers­ten Mal mit einem Bank­di­rek­tor zum Lunch getrof­fen – auf die Initia­ti­ve sei­ner Frau. „Ich fand das vor­her Zeit­ver­schwen­dung. (…) Finan­zen? Pfffh, inter­es­siert mich nicht, das kann auch jemand ande­res machen.“ Jeans – soviel ver­steht Rosso vom Geschäf­te­ma­chen – müss­ten im Übri­gen viel teu­rer sein als die 200 Euro, die Die­sel heu­te meist auf­ruft. Eine Jeans für 100 Euro kön­ne man nicht nach­hal­tig machen. „Es ist immer bes­ser, eine nach­hal­ti­ge Jeans für 200 Euro zu ver­kau­fen als zwei Jeans für 100 Euro.“

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„Wir pro­du­zie­ren – als Bran­che – viel zu viel Abfall“, stellt auch Dani­el Grie­der im Inter­view mit Focus fest. „Vie­le Mar­ken pro­du­zie­ren immer noch ins Blaue hin­ein“, kri­ti­siert der Hugo-Boss-Chef. „Da müs­sen wir alle anset­zen, nicht nur die Fast Fashion.“ Zwar wol­le nicht jeder Kun­de, der in die Läden kommt, die Welt ret­ten, son­dern ein­fach etwas Schö­nes zum Anzie­hen kau­fen. „Je prä­zi­ser ich Kun­den­wün­sche tref­fe, umso weni­ger pro­du­zie­re ich am Bedarf vor­bei.“ Effi­zi­enz hel­fe allen, auch der Umwelt.

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Wenn es dar­auf ankä­me, dann könn­te Wolf­gang Grupp das Som­mer­loch ganz allein fül­len. Im August äußer­te er sich prak­tisch zu allem und jedem. In einer Fuß­gän­ger­un­ter­füh­rung im schwä­bi­schen Rems­eck gibt es Grupp neu­er­dings sogar als Gra­fit­to („Mit Kunschd hab ich nix zu tun“). Der Stern ver­öf­fent­lich­te ein gro­ßes Por­trait des Tri­gema-Chefs, bald täg­lich zitier­ten Lokal­zei­tun­gen aus sei­nen Auf­trit­ten. „Ich bin kein Sozi­als­äus­ler. Ich bin ein Ego­ist. Mir soll es gut gehen. Aber Mit­ar­bei­ter leis­ten mehr und arbei­ten freu­di­ger, je bes­ser und net­ter ich sie behand­le.“ Stu­die­ren sei Non­sen­se, erklär­te er bei ande­rer Gele­gen­heit. Die Stu­di­en­in­hal­te hät­ten wenig mit der Lebens­rea­li­tät zu tun. Stu­die­ren sei wie das unnö­ti­ge Berech­nen des Brems­wegs beim Auto­fah­ren. Kann man machen, aber am Ende sei die Erfah­rung wich­ti­ger.

Das Video des zu Trä­nen gerühr­ten Grupp, der das hohe Lied auf die Fami­lie singt, ging viral, eben­so der Tik­tok-Clip, wo er sich als Medi­zin-Skep­ti­ker outet: „Ich gehe prak­tisch zu kei­nem Arzt und neh­me auch kei­ne Medi­zin. Weil ich sage, man kann auch sei­nen Kör­per selbst dis­zi­pli­nie­ren und selbst stäh­lern. Die Natur ist bes­ser als künst­li­che Din­ge.“

In einer Pod­cast-Fol­ge des RTL/ntv-For­mats "Biz & Bey­ond" äußer­te er sich wenig zeit­ge­mäß zur Rol­le von Frau­en: Wenn heu­te die Frau­en die Jobs woll­ten und die Män­ner soll­ten den Haus­halt machen, "dann ist die Welt ver­kehrt gewor­den", so Grupp, der ein begeis­ter­ter Jäger ist. "Ich habe noch nie einen Hirsch mit einem Kalb her­um­lau­fen sehen, immer die Hirsch­kuh. Das heißt, die Kin­der gehö­ren zur Mut­ter."

Wer den kom­plet­ten Grupp mit einer Werk­schau sei­ner Manage­ment- und Lebens-Weis­hei­ten sehen möch­te, soll­te sich den Vor­trag vom Loft Film Day auf You­Tube anschau­en, wo der Tri­gema-Inha­ber noch lau­ter als sonst vom Leder zieht: „Die Kauf­haus­kö­ni­ge, die Ver­sand­haus­kö­ni­ge – die­se Arsch­lö­cher haben alle plei­te gemacht.“

Wenn sich der 81jährige wie geplant Ende des Jah­res zurück­zieht, wird er noch mehr Zeit für sol­che Auf­trit­te haben.