In den Augen mancher Puristen mag der Pitti Uomo nicht mehr sein, was er mal war. Aber das sind nur die, die schon damals glaubten, früher sei alles besser gewesen. Ausstellerzahl und Frequenz, so war zu hören, seien noch nicht auf Vor-Corona-Niveau. Fürs gelato artigianale im Padiglione Centrale musste man trotzdem Schlange stehen. Und um die Pitti Peacocks drängten sich die Schaulustigen wie eh und je.
Florenz zeigte, wozu Messen gut sind: Zur Information über Trends und Neuigkeiten. Als schwungvoller Start in eine nächste Orderrunde. Zum Networken mit Gleichgesinnten. Zur Vergewisserung, dass es im Modebusiness noch um etwas anderes geht als um digitale Transformation oder einstürzende Fabriken in Bangladesch. Nämlich um Zeitgeist, um Stil und Schönheit. Und manche sollen auch noch Geld damit verdienen wollen.
Die Krise, ansonsten in aller Munde, war für ein paar Tage nicht das große Thema, und das nicht nur, weil man sich in Bella Italia traf. Es ging um Hosenweiten, um Leichtigkeit in den Stoffen und – so ganz lässt sich das zurzeit halt doch nicht vermeiden – um die Preise.
Unter den Ausstellern waren mit über 50 so viele deutsche Marken wie nie. Das ist durchaus bemerkenswert. Die Italiener mögen die deutschen Handelspartner. Sie sehen die Bekleidungsindustrie qualitativ aber nicht als ebenbürtig an. So wie wohl die meisten anderen Produzenten, die ihren Firmensitz nicht auf dem Stiefel haben. Der modische Chauvinismus der Italiener ist mindestens so ausgeprägt wie der kulinarische. Statt eines Messestands haben die Pitti-Macher vielen deutschen Mittelständlern früher allenfalls einen Platz auf der Warteliste zugewiesen. Dass man diese strikte door policy nun aufweicht, wird Gründe haben, die wahrscheinlich weniger konzeptioneller als finanzieller Natur sind.
Geschadet hat das dem Auftritt der Messe nicht. Und den deutschen Mainstreamern schon gar nicht. Die dürfen sich zwischen den großen Namen fühlen wie COS an der Via della Spada zwischen Gucci und Armani. Dafür erreichen sie in Florenz das internationale Publikum, das sich in Berlin nicht blicken lässt. Das heimische Publikum bedient man aus den Showrooms. Und die mit den großen Budgets leisten sich seit jeher den Flug über die Alpen.
Florenz öffnet seine Arme in einem Moment, wo Berlin seine neue Rolle sucht. Für die Menswear ist klar, wo sie sein muss. In der DOB wünschen sich viele diese Klarheit. Dass die Pitti-Macher die Aussteller auffordern, auch ihr Womenswear-Angebot – soweit vorhanden – zu zeigen, zielt auf größere Flächen und insbesondere auf zusätzliche Frequenz ab. Der Weg zu einer DOB-Veranstaltung mit vergleichbarer Angebotskompetenz wie Pitti Uomo ist allerdings weit, und das nicht nur wegen der unterschiedlichen Kollektionskalender. Größer ist die Gefahr, das Profil dieser globalen Leitmesse zu verwässern.
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Und sonst?
…durfte auch Berlin sich diese Woche als Modehauptstadt fühlen. Wenigstens einen Abend lang. Anthony Vaccarello nutzte die Neue Nationalgalerie als Kulisse für seine Saint Laurent-Show.
.…hatte Wolfgang Grupp seinen Lagerfeld-Moment, wenn auch nur in klein. So wie seinerzeit Karl mit H&M ging Trigema mit LFDY eine kontrastreiche Paarung ein. Warum nur ist da bisher keiner drauf gekommen? Es hat für beide Seiten funktioniert. Das Video von Lorenz Amends Besuch in Burladingen ist sehenswert.
…ist René Benko in den Verkaufsmodus gegangen. Diese Woche veräußerte er die Kaufhof-Immobilie am Alexanderplatz, die um ein Hochhaus aufgestockt werden soll. Vergangene Woche machte er in Österreich Kasse mit Kika/Leiner. Der Deal brachte ihm laut Medienberichten eine dreistellige Millionensumme ein. Und löste ein Problem, das Signas Finanzierung erheblich tangiert hätte. Fünf Tage später hat der Käufer jetzt nämlich Konkurs für das operative Handelsgeschäft der Möbelhauskette angemeldet.
…streiken derweil in Deutschland die Galeria-Mitarbeiter für die Durchsetzung des Flächentarifvertrags. Ausgerechnet bei Galeria. Kann es sein, dass Verdi hier ein falsches Exempel statuiert?
…feiert Elle den Quiet Luxury-Trend und empfiehlt dazu eine weisse Leinenbluse von: H&M.