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Urlaub von der Krise

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Jür­gen Mül­ler

In den Augen man­cher Puris­ten mag der Pit­ti Uomo nicht mehr sein, was er mal war. Aber das sind nur die, die schon damals glaub­ten, frü­her sei alles bes­ser gewe­sen. Aus­stel­ler­zahl und Fre­quenz, so war zu hören, sei­en noch nicht auf Vor-Coro­na-Niveau. Fürs gela­to arti­gi­ana­le im Padigli­o­ne Cen­tra­le muss­te man trotz­dem Schlan­ge ste­hen. Und um die Pit­ti Pea­cocks dräng­ten sich die Schau­lus­ti­gen wie eh und je.

Flo­renz zeig­te, wozu Mes­sen gut sind: Zur Infor­ma­ti­on über Trends und Neu­ig­kei­ten. Als schwung­vol­ler Start in eine nächs­te Order­run­de. Zum Net­wor­ken mit Gleich­ge­sinn­ten. Zur Ver­ge­wis­se­rung, dass es im Mode­busi­ness noch um etwas ande­res geht als um digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on oder ein­stür­zen­de Fabri­ken in Ban­gla­desch. Näm­lich um Zeit­geist, um Stil und Schön­heit. Und man­che sol­len auch noch Geld damit ver­die­nen wol­len.

Die Kri­se, ansons­ten in aller Mun­de, war für ein paar Tage nicht das gro­ße The­ma, und das nicht nur, weil man sich in Bel­la Ita­lia traf. Es ging um Hosen­wei­ten, um Leich­tig­keit in den Stof­fen und – so ganz lässt sich das zur­zeit halt doch nicht ver­mei­den – um die Prei­se.

Unter den Aus­stel­lern waren mit über 50 so vie­le deut­sche Mar­ken wie nie. Das ist durch­aus bemer­kens­wert. Die Ita­lie­ner mögen die deut­schen Han­dels­part­ner. Sie sehen die Beklei­dungs­in­dus­trie qua­li­ta­tiv aber nicht als eben­bür­tig an. So wie wohl die meis­ten ande­ren Pro­du­zen­ten, die ihren Fir­men­sitz nicht auf dem Stie­fel haben. Der modi­sche Chau­vi­nis­mus der Ita­lie­ner ist min­des­tens so aus­ge­prägt wie der kuli­na­ri­sche. Statt eines Mes­se­stands haben die Pit­ti-Macher vie­len deut­schen Mit­tel­ständ­lern frü­her allen­falls einen Platz auf der War­te­lis­te zuge­wie­sen. Dass man die­se strik­te door poli­cy nun auf­weicht, wird Grün­de haben, die wahr­schein­lich weni­ger kon­zep­tio­nel­ler als finan­zi­el­ler Natur sind.

Gescha­det hat das dem Auf­tritt der Mes­se nicht. Und den deut­schen Main­strea­mern schon gar nicht. Die dür­fen sich zwi­schen den gro­ßen Namen füh­len wie COS an der Via del­la Spa­da zwi­schen Guc­ci und Arma­ni. Dafür errei­chen sie in Flo­renz das inter­na­tio­na­le Publi­kum, das sich in Ber­lin nicht bli­cken lässt. Das hei­mi­sche Publi­kum bedient man aus den Show­rooms. Und die mit den gro­ßen Bud­gets leis­ten sich seit jeher den Flug über die Alpen.

Flo­renz öff­net sei­ne Arme in einem Moment, wo Ber­lin sei­ne neue Rol­le sucht. Für die Mens­wear ist klar, wo sie sein muss. In der DOB wün­schen sich vie­le die­se Klar­heit. Dass die Pit­ti-Macher die Aus­stel­ler auf­for­dern, auch ihr Womens­wear-Ange­bot – soweit vor­han­den – zu zei­gen, zielt auf grö­ße­re Flä­chen und ins­be­son­de­re auf zusätz­li­che Fre­quenz ab. Der Weg zu einer DOB-Ver­an­stal­tung mit ver­gleich­ba­rer Ange­bots­kom­pe­tenz wie Pit­ti Uomo ist aller­dings weit, und das nicht nur wegen der unter­schied­li­chen Kol­lek­ti­onska­len­der. Grö­ßer ist die Gefahr, das Pro­fil die­ser glo­ba­len Leit­mes­se zu ver­wäs­sern.

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Und sonst?

…durf­te auch Ber­lin sich die­se Woche als Mode­haupt­stadt füh­len. Wenigs­tens einen Abend lang. Antho­ny Vac­ca­rel­lo nutz­te die Neue Natio­nal­ga­le­rie als Kulis­se für sei­ne Saint Lau­rent-Show.

.…hat­te Wolf­gang Grupp sei­nen Lager­feld-Moment, wenn auch nur in klein. So wie sei­ner­zeit Karl mit H&M ging Tri­gema mit LFDY eine kon­trast­rei­che Paa­rung ein. War­um nur ist da bis­her kei­ner drauf gekom­men? Es hat für bei­de Sei­ten funk­tio­niert. Das Video von Lorenz Amends Besuch in Bur­la­din­gen ist sehens­wert.

…ist René Ben­ko in den Ver­kaufs­mo­dus gegan­gen. Die­se Woche ver­äu­ßer­te er die Kauf­hof-Immo­bi­lie am Alex­an­der­platz, die um ein Hoch­haus auf­ge­stockt wer­den soll. Ver­gan­ge­ne Woche mach­te er in Öster­reich Kas­se mit Kika/Leiner. Der Deal brach­te ihm laut Medi­en­be­rich­ten eine drei­stel­li­ge Mil­lio­nen­sum­me ein. Und lös­te ein Pro­blem, das Sig­nas Finan­zie­rung erheb­lich tan­giert hät­te. Fünf Tage spä­ter hat der Käu­fer jetzt näm­lich Kon­kurs für das ope­ra­ti­ve Han­dels­ge­schäft der Möbel­haus­ket­te ange­mel­det.

…strei­ken der­weil in Deutsch­land die Gale­ria-Mit­ar­bei­ter für die Durch­set­zung des Flä­chen­ta­rif­ver­trags. Aus­ge­rech­net bei Gale­ria. Kann es sein, dass Ver­di hier ein fal­sches Exem­pel sta­tu­iert?

…fei­ert Elle den Quiet Luxu­ry-Trend und emp­fiehlt dazu eine weis­se Lei­nen­blu­se von: H&M.