Colette war so etwas wie die Mutter aller Concept Stores. Ein Laden wie ein Modemagazin. Das Sortiment als Ereignis. Destination für Luxus-Touristen. Schatztruhe für Trendsucher. Steigbügelhalter für neue Brands. Was dort ausgestellt wurde, war jedenfalls dran. So eine Position muss man sich als Einzelhändler erstmal erarbeiten. Und das geht wohl nur in einer Modemetropole wie Paris. Und an einem Standort wie der eleganten Rue Saint-Honoré, wo ein zeitgeistiges Format wie Colette sich von der arrivierten Nachbarschaft abheben und gleichzeitig von deren wohlbetuchter und fashionaffiner Frequenz profitieren konnte. Die Marken standen Schlange, und Colette konnte Eintrittspreise nehmen. Dass ich bei meinem letzten Besuch dort meinen geliebten Blackberry in der Auslage fand, hat mich in meiner Smartphone-Wahl bestätigt. Es hat Blackberry freilich nicht gerettet.
Gründerin Colette Roussaux, die das Geschäft mit ihrer Tochter Sarah Andelmann betrieben hatte, setzt sich zur Ruhe. Und ohne Colette sei Colette nicht Colette, so die offizielle Argumentation. Angeblich hat Saint Laurent als Nachmieter an der Rue Saint-Honoré angeklopft. Und womöglich vorher schon mit einem Bündel Geldscheinen gewunken. Wie Betreiberwechsel in so begehrten Lagen eben laufen. Ob Saint Laurent die 28 Millionen Euro, die Colette auf seinen knapp 700 m² und dem Webshop Zeitungsberichten zufolge erlöst haben soll, toppen wird? Zur Not finanziert sich die neue Filiale aus dem Werbebudget.
Vielleicht war Sarah Andelmann das permanente Kuratieren in einem immer schneller sich drehenden Trendbusiness einfach auch zu anstrengend geworden. In diesem Frühjahr hatte Colette angekündigt, das Obergeschoss zur Monolabel-Etage machen zu wollen. Höchstwahrscheinlich stand die Geschäftsaufgabe da schon fest. Im monatlichen Wechsel zeigten dort seither Brands wie Thom Browne, Chanel und Saint Laurent ihre Kollektionen. Das war eigentlich schon der Ausverkauf der originären Idee. Zuletzt sorgte die Kooperation mit H&M für Aufsehen; die Schweden werden ihre Studio-Linie ab dem 21. August zunächst exklusiv bei Colette anbieten.
Colette stand zweifellos Pate für etliche andere Stores, die munter Kategorien mischen und zu Bekleidung und Schuhen Kosmetik, Journale, Tonträger und vieles mehr anbieten. In Deutschland haben das Konzept mit am besten Apropos in Köln und Murkudis in Berlin adaptiert. Und wenn großflächige Bekleidungshäuser zunehmend Schuhe, Sonnenbrillen, Gastronomie und irgendwelche Tech-Gadgets anbieten, dann folgt das ebenfalls der Idee, seiner Zielgruppe mehr als nur Ärmelparaden und Pulloverstapel zu bieten, sondern Frequenzbringer und Profilgeber ins Sortimentskonzept zu integrieren. Für viele Kundinnen ist das attraktiv und inspirierend, nicht zuletzt sind auch viele Mode-Profis meist große Fans von solchen mit viel Liebe und einer Idee zusammengestellten Sortimenten.
Stirbt mit Colette nun auch die Concept Store-Idee? Kaum.
Im Gegenteil spricht die Marktentwicklung dafür, dass kundenzentrierte Sortimente den beschaffungsmarktorientierten Angeboten den Rang ablaufen werden. Gerade auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Online-Konkurrenz. Die Herausforderung ist es freilich, solche Konzepte wirtschaftlich zu betreiben. Denn ob sich der enorme Einsatz im Einkauf und die Komplexität in der Flächenbewirtschaftung rechnen, wird unter der schönen Oberfläche nur selten thematisiert. Es ist kein Zufall, dass wir bei Läden wie Merci oder Luisa via Roma meist über Solitäre reden, hinter denen Inhaber mit großer Expertise, persönlicher Leidenschaft und der Bereitschaft zur Selbstausbeutung stehen. Apropos: In München schließt übrigens auch Pool in der Maximilianstraße. Was im Unterschied zum Pariser Vorbild nur die Lokalzeitung interessiert hat.
Die teure Komplexität ist der Grund, weshalb die großen Filialsysteme meist die Finger von Concept Stores lassen. Ausnahme wie Urban Outfitters, Muji und &other Stories bestätigen die Regel. Mal sehen, inwieweit neue H&M‑Format Arket solche Ideen aufgreift.
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