Dass des Hippsters Clubausweis, der Vollbart, endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, zeigt der Ausgang des Eurovision Song Contest. Der Nachfolger von Udo Jürgens, der vor 50 Jahren als erster und letzter Österreicher den Wettbewerb für sich entschieden hatte, damals natürlich glattrasiert, beherrscht seitdem die Schlagzeilen. "Merci Cherie" war ein Ohrwurm, der diesjährige Sieger ist dagegen mehr ein Augwurm. Das hat nicht zuletzt dem Häkelbart-Sortiment auf Dawanda die verdiente Aufmerksamkeit verschafft. Der Bart zum Abendkleid war weniger Testosteron-Demonstration als Toleranz-Test. Diesen hat nicht nur Russland nicht bestanden. In Frankreich ("l'Autriche: dix points") empörte man sich zur selben Zeit über Jungs, die für einen Tag in Röcken zur Schule gekommen waren. Dabei tragen die meisten Mädels heute Hotpants im Unterricht.
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Die Branche ist ja mittlerweile daran gewöhnt, dass Mietverträge in Berlin stets unter Vorbehalt abgeschlossen werden müssen. Der neue Flughafen ist nicht nur ein Milliardengrab für den Steuerzahler, sondern auch eine kostspielige Angelegenheit für alle, die sich darauf eingestellt haben, dort Geschäfte zu machen. Zu einer ähnlichen Farce entwickelt sich die riesige "Mall of Berlin". Deren Eröffnung wurde diese Woche zum wiederholten Male verschoben. Wormland war auf Nummer Sicher gegangen und hat bereits vor fünf Wochen Eröffnung gefeiert. Schlauerweise fand die Party in der Torstraße statt und nicht in der neuen Filiale am Leipziger Platz.
Derweil muss die Mercedes Benz Fashion Week mal wieder ihr Zelt abbauen. Der Schauenzirkus zieht nach Wedding, bislang nicht als Hot Spot der Fashion-Szene bekannt. Der Senat zeigt mal wieder, was er von der "Modehauptstadt" hält. Wenigstens steht das Erika Heß-Eisstadion schon, eine Terminverschiebung ist daher unwahrscheinlich.
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Nike hat Zara als wertvollste Modemarke der Welt überholt. Das Ranking einer US-Agentur dürfte Zara-Gründer Amancio Ortega nur begrenzt interessieren. Er muss sich schließlich keine Gedanken darüber machen, wie er nächsten Monat seine Miete bezahlen soll. Die Welt brachte diese Woche ein interessantes Stück über das 10 Milliarden schwere Immobilienbusiness des reichsten Spaniers.
In Herzogenaurach wird man dagegen "Auch das noch" gedacht haben. Der große Rivale aus Beaverton zieht unbeirrt davon, was nicht nur mit dessen Stärke, sondern auch mit Adidas schwächelnder Kondition zusammenhängt. Daran dürften auch die Selfie-Schuhe mit aufgedruckten Füßen nichts ändern, die die PR-Abteilung diese Woche annonciert hat. Herbert Hainer musste in den vergangenen Woche soviel Kritisches über sich und seine Firma lesen, wie vermutlich in den 13 Jahren seiner bisherigen Vorstands-Ära nicht. Dass Greenpeace eine Gelegenheit wie die WM nutzen würde, um mit Gift-Meldungen in Fußball-Artikeln Schlagzeilen zu produzieren, war absehbar. Chemie in Kleidern, das ist ein alter Hut. Das Zeug wurde nicht extra für Brasilien beigemischt. Fieser schon der Beitrag in der Zeit, der Adidas-Gründer Dassler als dunklen Paten des Sports und seine Firma als Hort der Sportkorruption darstellt. Heute sagt man dazu Sponsoring. Letzte Woche versuchte Hainer seine Kritiker schließlich mit dem Hinweis zu beruhigen, dass er in den verbleibenden drei Jahren bis zum Auslaufen seines Vertrages sich alle Mühe geben werde, einen geeigneten Nachfolger zu finden.
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