Kaufen wir ein Seil und erschießen uns. "Aus der Mode" titelte das Handelsblatt, und auch andere Zeitungen ließen sich über die Krise der deutschen Mittelständler aus. Pünktlich zur Orderrunde. Dabei wurden die unterschiedlichsten Nachrichten zu einer Untergangs-Melange verrührt: Die Refinanzierungsprobleme von Strenesse. Die Übernahme von Peine durch Chinesen. Die Pleite von Strauss Innovation. Die Investorensuche von Bree. Der Einstieg der Schweden und der Stellenabbau bei Globetrotter. Die Nöte von Karstadt. "In der Modebranche gibt es zu viele grauhaarige Männer", schlussfolgerte ein Unternehmensberater gegenüber dem Handelsblatt. Für diese – um im Bild zu bleiben – haarsträubende Analyse hat der Mann sicher lange studieren müssen.
Was ignoriert wird, sind die anderen Nachrichten. Allein gestern in den Medien: Takko eröffnet in den kommenden Monaten 60 Läden. Marc O'Polo expandiert international mit etlichen Geschäften. Hallhuber plant in diesem Jahr 20 neue Stores. Deichmann will 150 Läden in 2014 eröffnen. Michael Kohrs, Moncler, Hugo Boss, Inditex, H&M – die Global Player sind in Sieben-Meilen-Stiefeln unterwegs. Die deutsche Bekleidungsindustrie hat nach Verbandsangaben 2014 im Schnitt ein Umsatzplus von 2,4 Prozent geschafft. Wenn so Krise aussieht, dann darf sie noch ein wenig andauern.
Aber es soll nichts beschönigt werden. Unstrittig ist, dass wir im Einzelhandel einen gewaltigen Strukturwandel erleben. Die Ùberkapazitäten sind enorm, es gibt von allem zuviel: zuviel Ware, zu viel Fläche, zu viele Anbieter. Die internationalen Ketten, die eigenen Läden der Industrie und nicht zuletzt das Internet verschärfen den Wettbewerb. Das setzt den etablierten Unternehmen zu und trifft vor allem die schwachen. Nicht auszudenken, wenn auch noch das Konsumklima abkühlen würde. Dafür gibt es derzeit gottlob wenig Anzeichen.
Das Verbraucherverhalten ändert sich aber auch so. Die Verschiebung in Richtung Internet war zuletzt im Weihnachtsgeschäft offensichtlich: Der Handelsverband HDE meldet für den gesamten Einzelhandel einen Zuwachs von insgesamt 1,1 Prozent, während der Versandhandelsverband (bvh) sich über ein Riesen-Plus für den Distanzhandel von 24 Prozent freut. Amazon ist in Deutschland 2013 um 21 Prozent, Ebay um 15 Prozent gewachsen. Die Veränderung ist eklatant und nicht zuletzt an der rückläufigen Kundenfrequenz abzulesen: Mehr als jeder dritte Konsument (37,4%), meldete das Institut für Handelsforschung (IfH) kürzlich, hat die Zahl der City-Tripps zugunsten des Online-Shoppings verringert.
Über den langfristigen Marktanteil des Online Retailings und die Folgen für das stationäre Geschäft kann man da nur mutmaßen. Wie ich es in meiner 7‑teiligen Serie zum Thema "Online Handeln" ausführlich getan habe.
+++++
Wenn heute Abend die Olympioniken inklusive der thailändischen Slalom-Geigerin Vanessa Mae in Sotschi einmarschieren, gibt es aus modischer Sicht das eine oder andere Bemerkenswerte. Die Franzosen werden Lacoste tragen, die Deutschen wie immer Bogner. Mit den Schweden nimmt H&M einen neuen Anlauf auf die Sport-Bühne; die Olympiamannschaft auszustatten, ist ein cleverer Zug, der dem Modehändler Credibility bei Aktivsportlern verschaffen soll. Das Design ist schon mal gelungen. Intersport-Chef Jost fand für die sportlichen Ambitionen des Moderiesen unlängst denn auch ein niedliches Bild: "Das ist schon Ernst zu nehmen, weil jede Mücke sticht."
Und schließlich empfiehlt es sich, auf die Mannschaft von Tonga zu achten. Die besteht aus genau einem Athleten. Dem Rodler Fuahea Semi wurde von Willy Bogner ein Olympia-Dress auf den Leib geschneidert. Der 71jährige fungiert zudem als Team-Attaché für die Ein-Mann-Auswahl von der Südseeinsel. Ein anderer Sponsor war noch schneller und spendierte dem Rodler sogar eine neue Geburtsurkunde. Semi heißt seit Januar 2012 ganz offiziell: Bruno Banani.
+++++
Vorgestern hat Profashionals die 5000-Abonnenten-Schwelle überschritten. Ich freue mich sehr über das anhaltende Interesse an meinem Geschreibsel. Auf Anregungen und über Weiterempfehlungen sowieso.