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Notizen zum Konsum

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Jür­gen Mül­ler

Dass der Bun­des­kanz­ler sich der "Pro­ble­me im Stadt­bild" anneh­men möch­te, ist zu begrü­ßen. Aus Sicht des Ein­zel­han­dels sind die­se Pro­ble­me: Der Leer­stand in B- und zuneh­mend auch A‑Lagen. Ver­wahr­los­te Fuß­gän­ger­zo­nen, weil den Kom­mu­nen das Geld für die Stadt­rei­ni­gung fehlt. Das unkon­trol­lier­te Wuchern von Dis­coun­tern, Döner­bu­den und – in wohl­ha­ben­de­ren Stadt­tei­len – die Mono­kul­tu­ren von Beau­ty­sa­lons, Yoga- und Pila­tes-Stu­di­os.

All das ist dem Ein­kaufs­er­leb­nis nicht zuträg­lich. Die Poli­tik ist dafür nicht allein ver­ant­wort­lich. Aber die Regie­rung könn­te mit geeig­ne­ten Maß­nah­men dafür sor­gen, dass es den Unter­neh­men bes­ser geht, dass Geld da ankommt, wo es wirk­lich gebraucht wird, dass die Kon­sum­stim­mung steigt und dass die Poten­zia­le bes­ser genutzt wer­den, über die das Land ver­fügt. Dazu gehö­ren auch vie­le der­je­ni­gen, die der­zeit an Bus­hal­te­stel­len und in Parks noch beschäf­ti­gungs­los her­um­lun­gern.

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Wenn die Stim­mung der Kon­su­men­ten so schlecht ist, soll­ten dann nicht wenigs­tens die Frust­käu­fe zuneh­men? Ent­we­der ist die Stim­mung noch nicht schlecht genug, oder die The­se von depres­si­ons­be­ding­ten impul­si­ven Kauf­ent­schei­dun­gen ist ein­fach Quatsch.

Für Letz­te­res spricht eine Stu­die der Uni­ver­si­ty of Wis­con­sin-Madi­son, die die SZ die­se Woche zitiert. Die­se belegt, dass glück­li­che Men­schen mehr Geld aus­ge­ben. Es han­de­le sich aller­dings um eine Kor­re­la­ti­on, nicht um eine Kau­sa­li­tät, schränkt der Autor der Stu­die ein. Aber posi­ti­ve Stim­mung lin­de­re womög­lich die emo­tio­na­len Kos­ten, Geld aus der Hand zu geben.

Anders for­mu­liert: Bei guter Lau­ne sitzt das Geld locke­rer. Gut, dass wir das jetzt wis­sen­schaft­lich bestä­tigt bekom­men haben.

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„Men­schen zie­hen sich in Zei­ten ver­meint­lich nicht zu beherr­schen­der Kri­sen mit Ohn­machts­ge­füh­len immer stär­ker ins Pri­va­te zurück", so der zen­tra­le Befund des neu­en Buches von Ste­phan Grü­ne­wald. Die Men­schen gestal­ten ihr Zuhau­se als siche­ren Rück­zugs­ort und fokus­sie­ren sich auf ihre Hob­bys, sagt der Kon­sum­psy­cho­lo­ge im Inter­view mit der Lebens­mit­tel-Zei­tung. Dazu pas­sen dann auch die erwähn­ten Yoga- und Pila­tes-Stu­di­os.

Wie erklärt sich die Dis­kre­panz, dass trotz der all­ge­mei­nen Kri­sen­stim­mung vie­le Men­schen sich pri­vat zufrie­den und opti­mis­tisch zei­gen? „Die Maxi­mie­rung der Zuver­sicht gelingt den Men­schen durch die Mini­mie­rung ihres Gesichts­krei­ses", sagt Grü­ne­wald.

Der Kon­sum­for­scher hat zugleich eine zuver­sicht­li­che Nach­richt für den Ein­zel­han­del: "Der Han­del ist die letz­te Bas­ti­on, die noch funk­tio­niert. Er muss Begeg­nungs­räu­me schaf­fen, in denen die Kun­den Wert­schät­zung erfah­ren. Sie wol­len spü­ren: Ich bin will­kom­men."