
Dass der Bundeskanzler sich der "Probleme im Stadtbild" annehmen möchte, ist zu begrüßen. Aus Sicht des Einzelhandels sind diese Probleme: Der Leerstand in B- und zunehmend auch A‑Lagen. Verwahrloste Fußgängerzonen, weil den Kommunen das Geld für die Stadtreinigung fehlt. Das unkontrollierte Wuchern von Discountern, Dönerbuden und – in wohlhabenderen Stadtteilen – die Monokulturen von Beautysalons, Yoga- und Pilates-Studios.
All das ist dem Einkaufserlebnis nicht zuträglich. Die Politik ist dafür nicht allein verantwortlich. Aber die Regierung könnte mit geeigneten Maßnahmen dafür sorgen, dass es den Unternehmen besser geht, dass Geld da ankommt, wo es wirklich gebraucht wird, dass die Konsumstimmung steigt und dass die Potenziale besser genutzt werden, über die das Land verfügt. Dazu gehören auch viele derjenigen, die derzeit an Bushaltestellen und in Parks noch beschäftigungslos herumlungern.
+++++
Wenn die Stimmung der Konsumenten so schlecht ist, sollten dann nicht wenigstens die Frustkäufe zunehmen? Entweder ist die Stimmung noch nicht schlecht genug, oder die These von depressionsbedingten impulsiven Kaufentscheidungen ist einfach Quatsch.
Für Letzteres spricht eine Studie der University of Wisconsin-Madison, die die SZ diese Woche zitiert. Diese belegt, dass glückliche Menschen mehr Geld ausgeben. Es handele sich allerdings um eine Korrelation, nicht um eine Kausalität, schränkt der Autor der Studie ein. Aber positive Stimmung lindere womöglich die emotionalen Kosten, Geld aus der Hand zu geben.
Anders formuliert: Bei guter Laune sitzt das Geld lockerer. Gut, dass wir das jetzt wissenschaftlich bestätigt bekommen haben.
+++++
„Menschen ziehen sich in Zeiten vermeintlich nicht zu beherrschender Krisen mit Ohnmachtsgefühlen immer stärker ins Private zurück", so der zentrale Befund des neuen Buches von Stephan Grünewald. Die Menschen gestalten ihr Zuhause als sicheren Rückzugsort und fokussieren sich auf ihre Hobbys, sagt der Konsumpsychologe im Interview mit der Lebensmittel-Zeitung. Dazu passen dann auch die erwähnten Yoga- und Pilates-Studios.
Wie erklärt sich die Diskrepanz, dass trotz der allgemeinen Krisenstimmung viele Menschen sich privat zufrieden und optimistisch zeigen? „Die Maximierung der Zuversicht gelingt den Menschen durch die Minimierung ihres Gesichtskreises", sagt Grünewald.
Der Konsumforscher hat zugleich eine zuversichtliche Nachricht für den Einzelhandel: "Der Handel ist die letzte Bastion, die noch funktioniert. Er muss Begegnungsräume schaffen, in denen die Kunden Wertschätzung erfahren. Sie wollen spüren: Ich bin willkommen."