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Melania, Demna und die Wiesn

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Jür­gen Mül­ler

Mode­kri­tik ist hier ja eher nicht so The­ma. Und so wol­len wir uns auch heu­te weni­ger mit der Ästhe­tik als mit der Ange­mes­sen­heit von Auf­trit­ten aus­ein­an­der­set­zen, die in den ver­gan­ge­nen Tagen zu beob­ach­ten waren.

Da war zum einen Mela­nia Trump. Die First Lady bestä­tig­te beim Staats­be­such in Groß­bri­tan­ni­en die Vor­ur­tei­le vie­ler Eng­län­der gegen­über den stil­lo­sen Ame­ri­ka­nern. Allen vor­an mit dem unpas­send gel­ben Kleid zum fei­er­li­chen Staats­ban­kett. Die schöns­te Head­line lie­fer­te mal wie­der Alfons Kai­ser in der FAZ: "Für kein Gelb der Welt".

Dabei konn­te Mela­nia bei der Lan­dung in Stan­sted mit ihrem Bur­ber­ry-Trench durch­aus punk­ten. Doch schon bei dem Lam­pen­schirm-Hut zum Dior-Out­fit frag­te man sich, ob sie sich damit ledig­lich ihren Gat­ten vom Hals hal­ten oder gleich die gesam­te Öffent­lich­keit aus­schlie­ßen will. Mög­li­cher­wei­se bei­des. Man muss davon aus­ge­hen, dass Mela­nia Trump als ehe­ma­li­ges Model mit der Wir­kung von Beklei­dung ver­traut ist und dazu pro­fes­sio­nell bera­ten wird. Wenn man es gut mit ihr mein­te, könn­te man spe­ku­lie­ren, dass sie im Zusam­men­spiel mit der in Blau geklei­de­ten Camil­la Soli­da­ri­tät mit der Ukrai­ne zei­gen woll­te.

Mög­li­cher­wei­se ist ihr das gan­ze Poli­tik­thea­ter aber auch ein­fach wurscht, und sie folgt nur ihrem eige­nen Geschmack. Was ja fast schon wie­der ein femi­nis­ti­sches State­ment wäre. Sie wäre damit die kon­ge­nia­le Ergän­zung eines Man­nes, der Kon­ven­tio­nen eben­falls nach gus­to igno­riert. Jeden­falls kann an der Sei­te von Donald Trump nie­mand eine Jacky Ken­ne­dy oder Michel­le Oba­ma wer­den.

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Stoff zum Läs­tern lie­fert wie jedes Jahr auch das Okto­ber­fest. In Mün­chen bele­gen die Trach­ten­an­bie­ter gefühlt jedes Jahr frü­her die Lit­faß­säu­len. Spä­tes­tens mit dem O'zapft is wird das Stadt­bild von Leder­ho­sen und Dirndl geprägt. Anders als man außer­halb von Bay­ern glaubt, hat das Dirndl mit Trach­ten nur am Ran­de zu tun. Die­se tra­di­tio­nel­len Klei­der signa­li­sie­ren Zuge­hö­rig­keit und Sta­tus (so wie die Uni­for­men des Mili­tärs) und sind von daher das Gegen­teil von Mode, die sich mit dem Zeit­geist wan­delt und damit ein Motor unse­res Wirt­schafts­zweigs ist. Ech­te Trach­ten sind dage­gen ein schlech­tes Geschäft, zumal die hoch­wer­ti­gen und häu­fig hand­ge­mach­ten Tei­le nicht sel­ten wei­ter­ver­erbt wer­den.

Beim Dirndl ist das anders, da gibt es natür­lich sai­so­na­le Trends. Und gott­sei­dank gibt es Pro­fis wie Loden­frey-Trach­ten­che­fin Gabrie­le Ham­mer­schick (ein Ham­mer-Name für eine Mode­ein­käu­fe­rin!), die von Vogue, Elle und SZ befragt wer­den kann, was man die­ses Jahr zu tra­gen hat. Für das Münch­ner Unter­neh­men ist die Fünf­te Jah­res­zeit High Sea­son. Wenn Loden­frey-Chef Mar­kus Höhn einen Orden zu ver­ge­ben hät­te, dann gin­ge der womög­lich an Regi­ne Sixt, die wie jedes Jahr die Münch­ner High Socie­ty bei ihrer Damen­wiesn ver­sam­melt. Nicht weni­ge der 1400 Frau­en im Schüt­zen­zelt wer­den ihr Dirndl in der Maff­ei­stra­ße kau­fen, den das vom letz­ten Jahr geht natür­lich gar nicht mehr. Die Dead­stock-Dirndl aus Loden­freys High­sno­bie­ty-Col­lab dürf­ten indes eher was für die Töch­ter sein. Übri­gens eine tol­le Kam­pa­gne, die Loden­frey hilft, auch für die nächs­te Gene­ra­ti­on attrak­tiv zu blei­ben.

Ansons­ten gab es auf der Wiesn die übli­chen Aus­rut­scher. Zum Bei­spiel der Cha­nel-Vin­ta­ge-Jeans-Over­all, den Rap­per Dra­ke im Schüt­zen­zelt trug und der ihm Ver­glei­che mit Chu­cky der Mör­der­pup­pe ein­brach­te. Oder das häss­li­che Adi­das-Dirndl, natür­lich mit drei Strei­fen, das ver­mut­lich häu­fi­ger in den Medi­en als auf der The­re­si­en­wie­se zu sehen war.

Auf­se­hen erreg­te das schwar­ze Dirndl von Leni Klum, das – von Wed­nes­day Addams inspi­riert – bestimmt kein zufäl­li­ger Kon­trast zum wei­ßen Dirndl ihrer Mut­ter war. Hei­di Klum hat­te am Don­ners­tag zum Vor­glü­hen ins Hof­bräu­haus ein­ge­la­den. Das "Hei­di­fest" war eine ziem­lich pein­li­che Ver­an­stal­tung mit Auf­trit­ten von Has beens wie Jür­gen Drews, Micha­el Holm, Peter Krauss und Tho­mas Anders (natür­lich ohne Die­ter Boh­len) und – als Höhe­punkt – einem Schuh­platt­ler-Tanz zu "It's rai­ning men" von den Wea­ther Girls.

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Last but not least hat die­se Woche auch Dem­na eine Rei­he von neu­en Guc­ci-Out­fits gezeigt. Pünkt­lich zu den Mai­län­der Schau­en ließ er das Look­book sei­ner eilig zusam­men­ge­schus­ter­ten Kol­lek­ti­on ver­schi­cken und Spike Jon­ze einen 30minütigen, star­be­setz­ten Kurz­film pro­du­zie­ren. Die­ser dürf­te eher kei­ne Chan­ce auf einen Oscar haben, da die Jury nach fünf Minu­ten ein­ge­schla­fen sein wird.

Der mas­si­ve Auf­schlag ist vor dem Hin­ter­grund des Guc­ci-Abstur­zes zu sehen, der dem Kering-Kon­zern schwer zu schaf­fen macht. Immer­hin gelingt es Dem­na damit, der Kon­kur­renz ein wenig die Schau zu steh­len. In Mai­land gibt es Desi­gner­de­buts bei Jil San­der, Ver­sace und Bot­te­ga Vene­ta zu sehen, in Paris fol­gen dann Balen­cia­ga, Mug­ler, Car­ven, Die­sel und Cha­nel. Das immer schnel­ler sich dre­hen­de Desi­gner­ka­rus­sell ist ein Sym­ptom für die Ner­vo­si­tät in den Chef­eta­gen der Luxus­in­dus­trie.

Die ers­te Guc­ci-Live-Show zeigt Dem­na dann übri­gens im Febru­ar. Das Look­book ist schon mal viel­ver­spre­chend. Nach der dezen­ten Linie von Saba­to de Sar­no und dem eklek­ti­schen Buden­zau­ber von Ales­san­dro Miche­le nimmt der Neue deut­li­che Anlei­hen beim gla­mou­rö­sen Erbe Guc­cis und bei Tom Ford, der die Mar­ke in den 90ern mit sexy Styl­es aus dem Dorn­rös­chen­schlaf geweckt hat­te.

Das ist cle­ver und erfolg­ver­spre­chen­der als der apo­ka­lyp­ti­sche Style, den Dem­na bei Balen­cia­ga eta­bliert hat­te. Die­se Mar­ke war sei­ner­zeit ein weit­hin unbe­schrie­be­nes Blatt, das mit neu­en Inhal­ten gefüllt wer­den konn­te. Mit Guc­ci ver­bin­det man dage­gen bereits Bil­der, die Dem­na wei­ter­zeich­nen und ergän­zen muss. Das macht es nicht leich­ter.

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