
Modekritik ist hier ja eher nicht so Thema. Und so wollen wir uns auch heute weniger mit der Ästhetik als mit der Angemessenheit von Auftritten auseinandersetzen, die in den vergangenen Tagen zu beobachten waren.
Da war zum einen Melania Trump. Die First Lady bestätigte beim Staatsbesuch in Großbritannien die Vorurteile vieler Engländer gegenüber den stillosen Amerikanern. Allen voran mit dem unpassend gelben Kleid zum feierlichen Staatsbankett. Die schönste Headline lieferte mal wieder Alfons Kaiser in der FAZ: "Für kein Gelb der Welt".
Dabei konnte Melania bei der Landung in Stansted mit ihrem Burberry-Trench durchaus punkten. Doch schon bei dem Lampenschirm-Hut zum Dior-Outfit fragte man sich, ob sie sich damit lediglich ihren Gatten vom Hals halten oder gleich die gesamte Öffentlichkeit ausschließen will. Möglicherweise beides. Man muss davon ausgehen, dass Melania Trump als ehemaliges Model mit der Wirkung von Bekleidung vertraut ist und dazu professionell beraten wird. Wenn man es gut mit ihr meinte, könnte man spekulieren, dass sie im Zusammenspiel mit der in Blau gekleideten Camilla Solidarität mit der Ukraine zeigen wollte.
Möglicherweise ist ihr das ganze Politiktheater aber auch einfach wurscht, und sie folgt nur ihrem eigenen Geschmack. Was ja fast schon wieder ein feministisches Statement wäre. Sie wäre damit die kongeniale Ergänzung eines Mannes, der Konventionen ebenfalls nach gusto ignoriert. Jedenfalls kann an der Seite von Donald Trump niemand eine Jacky Kennedy oder Michelle Obama werden.
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Stoff zum Lästern liefert wie jedes Jahr auch das Oktoberfest. In München belegen die Trachtenanbieter gefühlt jedes Jahr früher die Litfaßsäulen. Spätestens mit dem O'zapft is wird das Stadtbild von Lederhosen und Dirndl geprägt. Anders als man außerhalb von Bayern glaubt, hat das Dirndl mit Trachten nur am Rande zu tun. Diese traditionellen Kleider signalisieren Zugehörigkeit und Status (so wie die Uniformen des Militärs) und sind von daher das Gegenteil von Mode, die sich mit dem Zeitgeist wandelt und damit ein Motor unseres Wirtschaftszweigs ist. Echte Trachten sind dagegen ein schlechtes Geschäft, zumal die hochwertigen und häufig handgemachten Teile nicht selten weitervererbt werden.
Beim Dirndl ist das anders, da gibt es natürlich saisonale Trends. Und gottseidank gibt es Profis wie Lodenfrey-Trachtenchefin Gabriele Hammerschick (ein Hammer-Name für eine Modeeinkäuferin!), die von Vogue, Elle und SZ befragt werden kann, was man dieses Jahr zu tragen hat. Für das Münchner Unternehmen ist die Fünfte Jahreszeit High Season. Wenn Lodenfrey-Chef Markus Höhn einen Orden zu vergeben hätte, dann ginge der womöglich an Regine Sixt, die wie jedes Jahr die Münchner High Society bei ihrer Damenwiesn versammelt. Nicht wenige der 1400 Frauen im Schützenzelt werden ihr Dirndl in der Maffeistraße kaufen, den das vom letzten Jahr geht natürlich gar nicht mehr. Die Deadstock-Dirndl aus Lodenfreys Highsnobiety-Collab dürften indes eher was für die Töchter sein. Übrigens eine tolle Kampagne, die Lodenfrey hilft, auch für die nächste Generation attraktiv zu bleiben.
Ansonsten gab es auf der Wiesn die üblichen Ausrutscher. Zum Beispiel der Chanel-Vintage-Jeans-Overall, den Rapper Drake im Schützenzelt trug und der ihm Vergleiche mit Chucky der Mörderpuppe einbrachte. Oder das hässliche Adidas-Dirndl, natürlich mit drei Streifen, das vermutlich häufiger in den Medien als auf der Theresienwiese zu sehen war.
Aufsehen erregte das schwarze Dirndl von Leni Klum, das – von Wednesday Addams inspiriert – bestimmt kein zufälliger Kontrast zum weißen Dirndl ihrer Mutter war. Heidi Klum hatte am Donnerstag zum Vorglühen ins Hofbräuhaus eingeladen. Das "Heidifest" war eine ziemlich peinliche Veranstaltung mit Auftritten von Has beens wie Jürgen Drews, Michael Holm, Peter Krauss und Thomas Anders (natürlich ohne Dieter Bohlen) und – als Höhepunkt – einem Schuhplattler-Tanz zu "It's raining men" von den Weather Girls.
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Last but not least hat diese Woche auch Demna eine Reihe von neuen Gucci-Outfits gezeigt. Pünktlich zu den Mailänder Schauen ließ er das Lookbook seiner eilig zusammengeschusterten Kollektion verschicken und Spike Jonze einen 30minütigen, starbesetzten Kurzfilm produzieren. Dieser dürfte eher keine Chance auf einen Oscar haben, da die Jury nach fünf Minuten eingeschlafen sein wird.
Der massive Aufschlag ist vor dem Hintergrund des Gucci-Absturzes zu sehen, der dem Kering-Konzern schwer zu schaffen macht. Immerhin gelingt es Demna damit, der Konkurrenz ein wenig die Schau zu stehlen. In Mailand gibt es Designerdebuts bei Jil Sander, Versace und Bottega Veneta zu sehen, in Paris folgen dann Balenciaga, Mugler, Carven, Diesel und Chanel. Das immer schneller sich drehende Designerkarussell ist ein Symptom für die Nervosität in den Chefetagen der Luxusindustrie.
Die erste Gucci-Live-Show zeigt Demna dann übrigens im Februar. Das Lookbook ist schon mal vielversprechend. Nach der dezenten Linie von Sabato de Sarno und dem eklektischen Budenzauber von Alessandro Michele nimmt der Neue deutliche Anleihen beim glamourösen Erbe Guccis und bei Tom Ford, der die Marke in den 90ern mit sexy Styles aus dem Dornröschenschlaf geweckt hatte.
Das ist clever und erfolgversprechender als der apokalyptische Style, den Demna bei Balenciaga etabliert hatte. Diese Marke war seinerzeit ein weithin unbeschriebenes Blatt, das mit neuen Inhalten gefüllt werden konnte. Mit Gucci verbindet man dagegen bereits Bilder, die Demna weiterzeichnen und ergänzen muss. Das macht es nicht leichter.