Passiert large

Marke macht‘s

Img
Jür­gen Mül­ler

Deich­mann sichert sich die Mar­ken­rech­te für Esprit-Schu­he und boo­tet damit CBR-Mut­ter Alte­ri aus. Da haben auch wir uns zu früh gefreut. Die Mode-Mar­ken­rech­te über­nimmt Theia, ein Unter­neh­men, über das selbst unter Zuhil­fe­nah­me künst­li­cher Intel­li­genz kaum mehr her­aus­zu­fin­den ist, als dass es eben die Mar­ken­rech­te an Esprit über­nom­men hat. Und dafür haben wir ChatGPT und Per­ple­xi­ty instal­liert?

About You ver­ein­bart eine Part­ner­schaft mit Net­flix; unter „Net­flix Coll­ec­tion“ sol­len dem­nächst Cap­su­les zu Seri­en-Hits des Strea­ming­ser­vices ange­bo­ten wer­den. Kön­nen wir bei About You dem­nächst womög­lich Peaky Blin­ders-Schie­ber­müt­zen, grü­ne Squid Game-Trai­nings­an­zü­ge und rote Haus des Gel­des-Over­alls kau­fen? Gibt es alles schon bei Temu.

Snipes launcht Zəяo si:x nœf: – eine neue Mar­ke in Koope­ra­ti­on mit Haft­be­fehl. „Ein State­ment für und von der Stra­ße“, so der Deutschrap-Star, der mal eben das „die“ weg­ge­las­sen hat, wahr­schein­lich wegen des Flows.

Spott bei­sei­te. Die­se drei Nach­rich­ten aus den letz­ten Tagen zei­gen: Es sind span­nen­de Zei­ten fürs Mode­mar­ke­ting. Kon­sum­kri­se und Kos­ten­druck schmä­lern die Bud­gets. Gleich­zei­tig zwingt dies die Unter­neh­men zu Krea­ti­vi­tät. Die Col­lab-Idee, die von gelang­weil­ten Bran­chen­be­ob­ach­tern ger­ne tot­ge­schrie­ben wird, erfreut sich dabei auch in die­sem Herbst bes­ter Gesund­heit.

Da lässt sich der Cash­me­re-Spe­zia­list FTC mit Star­koch Tim Raue ein. Breu­nin­ger prä­sen­tiert in Mün­chen eine FC-Bay­ern-Den­im­kol­lek­ti­on mit Replay. Cro ver­schafft dem Ham­bur­ger 3D-Schuh-Anbie­ter Zel­ler­feld mit sei­nen Mars Mel­low-Snea­k­ern Auf­merk­sam­keit. Pra­da stat­tet die Mond­mis­si­on der NASA mit Raum­an­zü­gen aus. H&M macht's aktu­ell mit Char­li XCX. Zudem ver­knüp­fen die Schwe­den das Jubi­lä­um ihrer Desi­gner­ko­ope­ra­tio­nen mit dem Resa­le-Trend und ver­kau­fen in sie­ben ihrer Stores aus­ge­wähl­te Second Hand-Stü­cke aus den Collabs der ver­gan­ge­nen 20 Jah­re. Selbst das noto­risch wer­be­abs­ti­nen­te Zara setzt neu­er­dings auf die Zusam­men­ar­beit mit inter­es­san­ten Namen: in die­sem Herbst sind das Ste­fa­no Pila­ti, Nanush­ka und Kate Moss.

Die Kostensteigerungen in der Beschaffung zwingen zu höheren Preisen, die rückläufigen Frequenzen erfordern höhere Bons. Diese sind nur drin, wenn man Mehrwert bietet.

Die Kol­la­bo­ra­tio­nen sind ein pro­ba­tes Mit­tel, um in der Auf­merk­sam­keits­öko­no­mie zu punk­ten, selbst wenn der Ori­gi­na­li­täts­zwang gele­gent­lich Blü­ten treibt. Eine zün­den­de Paa­rung lie­fert einen unbe­zahl­ba­ren Media­wert, die Aktio­nen brin­gen Fre­quenz bzw. Traf­fic. Bes­ten­falls refi­nan­ziert sich das unmit­tel­bar durch Mehr­ge­schäft.

Aktu­ell gewinnt ein wei­te­rer Aspekt an Bedeu­tung: Die Kos­ten­stei­ge­run­gen in der Beschaf­fung zwin­gen zu höhe­ren Prei­sen, die rück­läu­fi­gen Fre­quen­zen erfor­dern höhe­re Bons. Die­se sind nur drin, wenn man Mehr­wert bie­tet. Zara ist da ein schö­nes Bei­spiel: Män­tel für 229 Euro, Leder­ja­cken für 359 Euro und T‑Shirts für 39,95 Euro wie bei Ste­fa­no Pila­ti sind mit dem Stan­dard­sor­ti­ment der Spa­ni­er kaum zu erzie­len.

Inter­es­sant an den ein­gangs erwähn­ten Bei­spie­len ist, dass es sich nicht um sai­so­na­le Aktio­nen han­delt, son­dern um eine län­ger­fris­tig ange­leg­te Zusam­men­ar­beit. Das scheint im Trend zu lie­gen, wie Hugo Boss und David Beck­ham, H&M und Heron Pres­ton sowie Uni­q­lo und Cla­re Waight Kel­ler bele­gen.

In einem zunehmend digitalen und vertikalen Markt kommt der Marke eine wichtige Orientierungsfunktion, wenn nicht die Schlüsselfunktion zu

Ganz grund­sätz­lich wird der Stel­len­wert von Mar­ken im Mode­busi­ness künf­tig noch sehr viel höher sein als heu­te. Das Inter­net sorgt für ein maxi­ma­les Ange­bot, für Hyper-Wett­be­werb und abso­lu­te Preis­trans­pa­renz. Da Beklei­dung für vie­le Men­schen ein Com­mo­di­ty Pro­duct ist, ent­schei­den sie sich am Ende für den güns­tigs­ten Preis. Carl Til­les­sen hat das neu­lich hier detail­liert aus­ge­führt.

Die Digi­ta­li­sie­rung för­dert zudem die Ver­ti­ka­li­sie­rung. Der Wett­be­werb, der sich in der Ver­gan­gen­heit auf den jewei­li­gen Wert­schöp­fungs­stu­fen abge­spielt hat, wird suk­zes­si­ve durch eine Kon­kur­renz der Wert­schöp­fungs­ket­ten abge­löst. Aus Grün­den der höhe­ren Effi­zi­enz und Schnel­lig­keit, aber auch wegen der not­wen­di­gen Dif­fe­ren­zie­rung und als Weg aus der Preis­ver­gleich­bar­keit. Der Mar­ke kommt dabei eine wich­ti­ge Ori­en­tie­rungs­funk­ti­on, wenn nicht die Schlüs­sel­funk­ti­on zu: Sie gibt die­sen ver­ti­ka­len Sys­te­men Gesicht und Inhalt.

Wer sein Geschäft auf frem­den Who­le­sa­le-Mar­ken auf­baut, kommt in die­sem Sze­na­rio in die Bre­douil­le. Mul­ti­la­bel-For­ma­te wer­den sich schwe­rer damit tun, ange­sichts der Ver­gleich­bar­keit ihrer Sor­ti­men­te ihren USP klar­zu­ma­chen. Sie müs­sen an ihrem eige­nen Mar­ken­pro­fil arbei­ten, das sich nicht nur über das Sor­ti­ment defi­nie­ren darf.

Abs­trakt gespro­chen heißt Mar­ke sein ja letzt­lich, das Zutrau­en sei­ner Ziel­grup­pe zu haben, eine bestimm­te Leis­tung bes­ser als ande­re erbrin­gen zu kön­nen. Die­se Leis­tung kann auch ein her­aus­ra­gen­der Ser­vice sein, Unter­hal­tung, Sta­tus oder der Zugang zu einer Com­mu­ni­ty. Die Kon­su­men­ten sind da übri­gens längst wei­ter als die Bran­che: Sie unter­schei­den nicht zwi­schen Indus­trie und Han­del.