Deichmann sichert sich die Markenrechte für Esprit-Schuhe und bootet damit CBR-Mutter Alteri aus. Da haben auch wir uns zu früh gefreut. Die Mode-Markenrechte übernimmt Theia, ein Unternehmen, über das selbst unter Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz kaum mehr herauszufinden ist, als dass es eben die Markenrechte an Esprit übernommen hat. Und dafür haben wir ChatGPT und Perplexity installiert?
About You vereinbart eine Partnerschaft mit Netflix; unter „Netflix Collection“ sollen demnächst Capsules zu Serien-Hits des Streamingservices angeboten werden. Können wir bei About You demnächst womöglich Peaky Blinders-Schiebermützen, grüne Squid Game-Trainingsanzüge und rote Haus des Geldes-Overalls kaufen? Gibt es alles schon bei Temu.
Snipes launcht Zəяo si:x nœf: – eine neue Marke in Kooperation mit Haftbefehl. „Ein Statement für und von der Straße“, so der Deutschrap-Star, der mal eben das „die“ weggelassen hat, wahrscheinlich wegen des Flows.
Spott beiseite. Diese drei Nachrichten aus den letzten Tagen zeigen: Es sind spannende Zeiten fürs Modemarketing. Konsumkrise und Kostendruck schmälern die Budgets. Gleichzeitig zwingt dies die Unternehmen zu Kreativität. Die Collab-Idee, die von gelangweilten Branchenbeobachtern gerne totgeschrieben wird, erfreut sich dabei auch in diesem Herbst bester Gesundheit.
Da lässt sich der Cashmere-Spezialist FTC mit Starkoch Tim Raue ein. Breuninger präsentiert in München eine FC-Bayern-Denimkollektion mit Replay. Cro verschafft dem Hamburger 3D-Schuh-Anbieter Zellerfeld mit seinen Mars Mellow-Sneakern Aufmerksamkeit. Prada stattet die Mondmission der NASA mit Raumanzügen aus. H&M macht's aktuell mit Charli XCX. Zudem verknüpfen die Schweden das Jubiläum ihrer Designerkooperationen mit dem Resale-Trend und verkaufen in sieben ihrer Stores ausgewählte Second Hand-Stücke aus den Collabs der vergangenen 20 Jahre. Selbst das notorisch werbeabstinente Zara setzt neuerdings auf die Zusammenarbeit mit interessanten Namen: in diesem Herbst sind das Stefano Pilati, Nanushka und Kate Moss.
Die Kostensteigerungen in der Beschaffung zwingen zu höheren Preisen, die rückläufigen Frequenzen erfordern höhere Bons. Diese sind nur drin, wenn man Mehrwert bietet.
Die Kollaborationen sind ein probates Mittel, um in der Aufmerksamkeitsökonomie zu punkten, selbst wenn der Originalitätszwang gelegentlich Blüten treibt. Eine zündende Paarung liefert einen unbezahlbaren Mediawert, die Aktionen bringen Frequenz bzw. Traffic. Bestenfalls refinanziert sich das unmittelbar durch Mehrgeschäft.
Aktuell gewinnt ein weiterer Aspekt an Bedeutung: Die Kostensteigerungen in der Beschaffung zwingen zu höheren Preisen, die rückläufigen Frequenzen erfordern höhere Bons. Diese sind nur drin, wenn man Mehrwert bietet. Zara ist da ein schönes Beispiel: Mäntel für 229 Euro, Lederjacken für 359 Euro und T‑Shirts für 39,95 Euro wie bei Stefano Pilati sind mit dem Standardsortiment der Spanier kaum zu erzielen.
Interessant an den eingangs erwähnten Beispielen ist, dass es sich nicht um saisonale Aktionen handelt, sondern um eine längerfristig angelegte Zusammenarbeit. Das scheint im Trend zu liegen, wie Hugo Boss und David Beckham, H&M und Heron Preston sowie Uniqlo und Clare Waight Keller belegen.
In einem zunehmend digitalen und vertikalen Markt kommt der Marke eine wichtige Orientierungsfunktion, wenn nicht die Schlüsselfunktion zu
Ganz grundsätzlich wird der Stellenwert von Marken im Modebusiness künftig noch sehr viel höher sein als heute. Das Internet sorgt für ein maximales Angebot, für Hyper-Wettbewerb und absolute Preistransparenz. Da Bekleidung für viele Menschen ein Commodity Product ist, entscheiden sie sich am Ende für den günstigsten Preis. Carl Tillessen hat das neulich hier detailliert ausgeführt.
Die Digitalisierung fördert zudem die Vertikalisierung. Der Wettbewerb, der sich in der Vergangenheit auf den jeweiligen Wertschöpfungsstufen abgespielt hat, wird sukzessive durch eine Konkurrenz der Wertschöpfungsketten abgelöst. Aus Gründen der höheren Effizienz und Schnelligkeit, aber auch wegen der notwendigen Differenzierung und als Weg aus der Preisvergleichbarkeit. Der Marke kommt dabei eine wichtige Orientierungsfunktion, wenn nicht die Schlüsselfunktion zu: Sie gibt diesen vertikalen Systemen Gesicht und Inhalt.
Wer sein Geschäft auf fremden Wholesale-Marken aufbaut, kommt in diesem Szenario in die Bredouille. Multilabel-Formate werden sich schwerer damit tun, angesichts der Vergleichbarkeit ihrer Sortimente ihren USP klarzumachen. Sie müssen an ihrem eigenen Markenprofil arbeiten, das sich nicht nur über das Sortiment definieren darf.
Abstrakt gesprochen heißt Marke sein ja letztlich, das Zutrauen seiner Zielgruppe zu haben, eine bestimmte Leistung besser als andere erbringen zu können. Diese Leistung kann auch ein herausragender Service sein, Unterhaltung, Status oder der Zugang zu einer Community. Die Konsumenten sind da übrigens längst weiter als die Branche: Sie unterscheiden nicht zwischen Industrie und Handel.