Früher fuhr man nach Düsseldorf wegen der Mode. Heute wegen der Marge. Man spricht über Konditionen, kaum mehr über Kollektionen. Modenschauen gibt es schon lange nicht mehr. Die Events zu den Fashion Days richten Berater wie Bold & Expert und IT-Anbieter wie Chainbalance und Fashioncloud aus. Die Verleihung des Modebusiness Awards wird von Dr. Wieselhuber & Partner gesponsert, einer Restrukturierungsberatung. Auch das ist irgendwie symptomatisch.
Früher suchte der Handel auf Messen neue Chancen. Heute geht es in Düsseldorf darum, wer das Risiko übernimmt. Gut besprochen wird, wer sich auf Flächenbewirtschaftung und In-Season-Management versteht: in der DOB sind das Anbieter wie Opus, Monari, Olsen, auch Rich & Royal, Marc O'Polo und Zero, in der HAKA Chasin und PME Legend. Kein Wunder, dass diese Anbieter ihren Wettbewerbsvorteil offensiv ausspielen wollen und ihre Handelspartner drängen, Sortimentshoheit abzugeben.
Die Lieferanten der Marktmitte haben das Systemgeschäft dabei meist nicht freiwillig implementiert, sondern auf Druck von Großkunden, die Liquidität schonen und Kapitalbindung minimieren wollen. Und natürlich, weil sie teuer erfahren mussten, dass es im eigenen Retail nicht ausreicht, seinen Namen über den Ladeneingang zu schrauben. Mit der wachsenden Bedeutung des Onlinekanals kommen noch einmal ganz andere Anforderungen in Sachen Merchandise Management auf die Marken zu.
Die Partnerschaft wird zur Schicksalsgemeinschaft
Die sog. vertikalen Partnerschaften waren mal eine Vorwärtsstrategie. Es ging darum, die Vollvertikalen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. 'Zusammen Zara' war für Protagonisten wie Esprit seinerzeit indes vor allem ein cleverer Verkaufsslogan, um mehr Flächen und Marktanteile zu bekommen. LUGs und Flächenproduktivitäten haben sich im Multilabelhandel insgesamt jedenfalls nicht wie erhofft entwickelt. Die KPIs der Vollvertikalen – New Yorker, H&M, die Inditex-Gruppe – sind in den meisten Fällen unerreicht.
Inzwischen sind wir systemisch und technologisch weiter (auch wenn "KI" schneller hingeschrieben als implementiert ist). Jetzt, wo der Einzelhandel wegen der Konsumkrise und steigenden Kosten unter Druck ist wie nie, wächst die Notwendigkeit, effizienter zusammenzuarbeiten. Die Partnerschaft wird zur Schicksalsgemeinschaft.
Dass es mit Merchandise Management allein nicht getan ist, zeigt zugleich eine Insolvenz wie Sinn, der seine 40 Filialen im großen Stil von den Lieferanten bewirtschaften lässt (dass Sinn wie gemeldet von P&C übernommen werden wird, galt in Düsseldorf als ausgemacht).
Bei aller notwendigen Beschäftigung mit sich selbst dürfen Handel und Industrie das Verkaufen nicht vergessen. Entscheidend ist am POS, um eine alte Fußballerweisheit abzuwandeln. Und da haben lokal verwurzelte Inhaberbetriebe grundsätzlich erstmal Platzvorteile. Es geht um Kundennähe. Und dazu gehört bedeutend mehr als – um die alte Nagold-Plattitüde zu bemühen – die richtige Ware zur richtigen Zeit am richtigen Platz.