Passiert large

„Looking for the god damned Schmand“

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Jürgen Müller

profashionals‘ Ferienende: Wer hat im August für Schlagzeilen gesorgt?

Daniel Grieder. Der neue CEO wartete nicht die üblichen 100 Tage ab, sondern verkündete seine Strategie für Hugo Boss vorzeitig. Der 59jährige hat die einjährige Wartefrist nach seinem Ausscheiden bei Tommy Hilfiger schließlich nicht im Abklingbecken verbracht. “Unsere Vision ist es, die weltweit führende technologiegesteuerte Modeplattform zu werden”, verkündete er jetzt. Das Buzzword Bingo wird den Handelspartnern egal sein, wo sie jetzt endlich wieder Black, Orange und Green verkaufen können und mit Camel sogar noch was Feines für die Exquisitabteilung dazu bekommen. Grieder will den Hugo Boss-Umsatz bis 2025 auf 4 Milliarden verdoppeln. Er greift dazu in den Handwerkskasten des modernen Fashion-CEOs: Mehr Marketing machen, bessere Produkte entwickeln, die Digitalisierung in allen Bereichen voranbringen, D2C und insbesondere Online ausbauen, die Organisation auf Wachstum ausrichten, Nachhaltigkeit pushen. Die Logos hat Grieder gleich mal ändern lassen: HUGO und BOSS sind jetzt so bold wie sein Anspruch.

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Claus Dietrich Lahrs und Bernd Freier. Spiegel-Autor Alexander Kühn hat in seinem S.Oliver-Artikel zahlreiche der Anekdoten zusammengetragen, die man sich in der Branche so erzählt. Von Freiers Management by Zeitungsausriss bis zu Lahrs‘ zwei Gesichtern, dem charmanten Claus und dem kalten Dietrich. Hängen blieb Freiers laut angestellte, womöglich unbedachte Überlegung, ob er seinen Kindern ein Unternehmen oder nicht besser doch bloß ein Vermögen hinterlassen sollte. Die Andeutung eines möglichen Verkaufs oder eines Börsengangs wurde in Frankfurter und Münchner Investorenkreisen aufmerksam registriert. Schon der Einstieg des in dieser Szene gut vernetzten Lahrs in Rottendorf wurde seinerzeit als ein Schritt in diese Richtung interpretiert.

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Friedrich Wilhelm Göbel. Dem Sinn-Macher wurde von seiner Ex-Frau, die offenbar die Firmenanteile hält, gekündigt. Mit Göbel gingen weitereTop-Manager. Es sieht so aus, als sei das Unternehmen mit seinen 33 Filialen zur Verhandlungsmasse in einem Rosenkrieg geworden. Aber vielleicht gibt es auch ganz andere Hintergründe, man weiß es nicht. Die Industrie fürchtet jedenfalls um einen wichtigen Kunden. Einige Lieferanten nutzen die Gelegenheit, sich der ungeliebten Depotverträge zu entledigen. Die Lieferantenkredite gehören indes zum Fundament, auf dem das finanzschwache Unternehmen baut. Alle Beteiligten sollten von daher großes Interesse daran haben, dass man in Hagen schnell für Klarheit sorgt.

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Amazon. Der Online-Gigant meldete ein schwächeres Wachstum und korrigierte die Prognose fürs dritte Quartal nach unten. Die Aktie verlor, und mit Amazon rutschten auch die anderen Online-Werte zeitweise ab. Auch Zalando. Dass der Online-Boom nach Ende des Lockdowns abebben würde, war absehbar. Die Reaktion der Börse spiegelt zugleich nicht die dramatische Marktverschiebung ab, die sich nach der Krise vielleicht langsamer, aber nachhaltig fortsetzen wird. Aber auch kurzfristig gibt es für die Konkurrenz keinen Grund zur Entwarnung: Zalando rechnet für dieses Jahr mit einem Umsatzwachstum zwischen 26 und 31 Prozent, Amazon fürs laufende Quartal mit einem Plus von 10 bis 16 Prozent. Irgendjemandem müssen die Onliner diese Volumina ja abnehmen.

Problematischer als das verlangsamte Wachstum sind für Amazon womöglich die kolportierten Probleme in der Logistik. Anders als der Rest der Industrie hat das Unternehmen offenbar weniger mit Nachschubproblemen als mit übervollen Lägern zu kämpfen. Experten führen das auf Dispositionsfehler nach dem untypischen Corona-Jahr zurück. Vereinfacht gesagt ist in den DCs zu wenig Platz für Schnelldreher, weil der Logarithmus zuviel Klopapier geordert hat.

Aufhorchen ließen schließlich Meldungen aus den USA, wonach Amazon dort mit Kaufhäusern expandieren möchte. Genaues weiß man nicht. Aber wenn jetzt sogar der Online-Gigant auf Omnichannel setzt, dann muss an dem Konzept doch was dran sein. Und Flächen wären auch in Deutschland mehr als genug zu haben.

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Adidas. Die Herzogenauracher stießen Reebok ab. Kasper Rorsted hatte dem US-Baby von Herbert Hainer zunächst eine Schonfrist eingeräumt. Wenn dem Adidas-CEO nicht so ein kühles Image anhaftete, hätte man darin fast so etwas wie Rücksichtnahme auf das Erbe seines höchst erfolgreichen Vorgängers vermuten können. Vielleicht wollte er auch einfach eine Karte in der Hand behalten, die sich zum passenden Zeitpunkt ausspielen ließe. Dass nun die AGB Group den Zuschlag erhielt, war durchaus überraschend. Das aufs Lizenzbusiness ausgerichtete Markenkonglomerat hat in den vergangenen Jahren Namen wie Brooks Brothers, Barneys, Eddie Bauer, Herve Leger und Nine West zusammengekauft und soll demnächst an die Börse streben. Da wird eine weltbekannte Marke wie Reebok für entsprechende Wachstumsfantasien sorgen.

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Philipp Plein. Der King of Bling akzeptiert neuerdings Krypto-Währungen in seinen Shops. Natürlich nicht ohne das groß auf Instagram herauszuposaunen. “We are making history.” Pleins Margen scheinen groß genug, um die Risiken von Kursschwankungen und die Transaktionsgebühren in Kauf zu nehmen. Und die Umweltbelastungen durchs Kryptogeld-Schürfen sind der Zielgruppe vermutlich egal. Weil Bitcoin & Co eher Geldanlage als Zahlungsmittel sind, dürften sich die Zahlungsflüsse ohnehin in Grenzen halten. Dafür wird der Ruch des Spekulativen und Spektakulären, der die Kryptowährungen nach wie vor umweht, auf das irgendwie halbseidene Image der Marke einzahlen.

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Greta Thunberg. Die Klimaaktivistin auf dem Titel der Vogue Scandinavia. Dass die 18jährige ein Pferd streichelt, hat die SZ zu der schönen Headline “Pferderwärmung” inspiriert. Aber was hat Greta sich nur dabei gedacht? Wenn sie die mediale Bühne genutzt hätte, um auf ein neues Problem aufmerksam zu machen hätte man das ja verstanden. Aber dass die Modeindustrie in Sachen Klimaschutz ein Teil des Problems ist und weniger die Lösung, dürfte sich auch bei den Vogue-Leserinnen herumgesprochen haben. Ebenso dass Greenwashing dieser Branche nicht fremd ist. So wirkt Thunbergs Auftritt fast ein wenig eitel, was ihre Glaubwürdigkeit gefährdet. Letztlich hilft sie dem Hochglanzmagazin, sich das grüne Mäntelchen umzuhängen. Und das ist genau das, was sie im Interview am Modebusiness kritisiert.

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Und sonst?

…berichtete die SZ vom „Tod in der Tonne“. Offenbar häufen sich die Unfälle bei den Altkleidercontainern, wo wühlende Kunden sich in der Klappe verfangen und ersticken. Ein weiterer Grund, eher auf Resale als auf Entsorgung zu setzen.

…engagieren sich große Handelsunternehmen mit dem HDE für eine Ausweitung der Impfkampagne. Ein wichtige Initiative, die konstruktiver ist als der ewige Ruf nach Staatshilfe. An der Impfquote der Bevölkerung hängt letztlich auch die Gesundheit der Unternehmen.

…gibt es in Corona-Zeiten nicht nur vulnerable Bevölkerungsgruppen, sondern auch vulnerable Lieferketten. Ein Corona-Fall hat genügt, dass die Chinesen den wichtigen Hafen von Ningbo dichtmachten. Die durch Preissteigerungen bei Materialien und in der Logistik ohnehin angespannten Lieferketten drohen zu zerreissen. Es wird passieren, was Peter Schöffel schon vor Monaten im Gespräch mit profashionals prophezeite: “Es wird nach Corona um Pricing-Power gehen. Wer nicht in der Lage ist, Preise zu erhöhen, wird kein Geld mehr verdienen.”

…kann nicht wahr sein, was ausgerechnet Stilgott Giorgio Armani im Zeitmagazin über den modischen Auftritt der Bundeskanzlerin sagte: “Ich fand ihren Stil immer interessant.”

…lieferte Edeka definitiv den diesjährigen Sommerhit. Marc Rebillets Suche nach dem „god damned Schmand“ ging viral: