Auch ohne Friedensnobelpreis für Greta Thunberg ist ihr Thema auf der globalen Agenda. Gerade im schnelllebigen Modebusiness mögen es manche noch für eine vorübergehende Erscheinung halten, aber Nachhaltigkeit ist ebenso wenig ein Trend wie das Internet: Beides geht nicht mehr weg, selbst wenn die Klimakrise demnächst von anderen Problemen wieder aus den Nachrichten verdrängt werden sollte. Die Unternehmen tun daher gut daran, sich damit zu beschäftigen, und wer nicht auf einem anderen Planeten lebt, der tut das auch.
Ob das aus moralischer Überzeugung oder aus kommerziellen Motiven geschieht, ist letztlich zweitrangig. Entscheidend ist, was sich ändert. Zwar nervt die Ökoheuchelei derer, die ohne Rücksicht auf ökologische und soziale Kollateralschäden Milliardenunternehmen aufgebaut haben und nun plötzlich ihr grünes Gewissen entdecken. Andererseits ist es legitim, dass Unternehmen Profilierungschancen offensiv nutzen, statt Sustainability nur als Teil von Risikomanagement zu betrachten. Was es aus Sicht gerade börsennotierter Player letztlich ist. Sie sind gut beraten, kein Greenwashing zu betreiben, denn das geht irgendwann nach hinten los.
Das grüne Gerede kann zugleich nicht über das grundlegende Dilemma hinwegtäuschen, in dem diese Branche – vielleicht mehr noch als andere Wirtschaftsbereiche – steckt: Mode und Nachhaltigkeit schließen sich hochgradig aus. Und damit ist nicht die Produktion, der Transport und die Nutzung von Bekleidung gemeint. Der damit verbundene Resourcenverbrauch ist zu einem gewissen Grad unvermeidlich. Ohne Kleidung geht es eben nicht, und selbst Greta Thunberg wird ihre Funktionsjacke beim Segeltörn über den Atlantik zu schätzen gewusst haben.
Die Forderung nach Nachhaltigkeit trifft die Mode vielmehr in ihrem Kern und Wesen: Die Zeitgeist-induzierte Veränderung von Stil und Geschmack, die zu einer gefühlten Alterung von Produkten und dem Drang, sich etwas Neues zu kaufen führt, ist in vieler Augen die Ursache für eine unnötige Resourcenverschwendung. Dummerweise ist dies das Schwungrad, das das Modebusiness in Gang hält. Und das mit immer schnelleren Umdrehungen immer mehr Leuten gegeben hat, wonach sie verlangen: faster fashion, mit den bekannten, kritikwürdigen Begleiterscheinungen.
Dass sich manche dagegen wenden, ist zunächst mal nachvollziehbar. Wenn es nur darum ginge, es im Winter warm zu haben, würde der Inhalt der meisten Kleiderschränke bis zum Lebensende reichen. Auch braucht rational betrachtet niemand 700 Euro-Triple S‑Sneaker von Balenciaga, diese SUVs unter den Schuhen, die noch nicht einmal zum Joggen, sondern vor allem zum Angeben taugen. Die Luxusindustrie hat, sofern sie von Statuskonsum und nicht von der höheren Qualität und Langlebigkeit ihrer Produkte lebt, mit Sustainability ebenso wenig zu tun wie die Fast Fashion-Marken, die mit ihrer Wegwerfmode die Ausstattungsbedürfnisse der weniger Begüterten befriedigen. Da kann Kering-Chef Pinault so viele Bäume pflanzen, wie er will. Die Extinction Rebellion hat sich neulich nicht ohne Grund die London Fashion Week als Anlass für ihre Proteste ausgesucht. Beim „funeral march for fashion“ blockierten schwarzgekleidete XR-Aktivisten den Trafalgar Square mit einem riesigen Sarg. Bei Victoria Beckham hielten die Klima-Rebellen Schilder mit “Fashion = Ecocide“ in die Kameras.
Die Generation Greta rebelliert gegen den Konsum-Lifestyle der Eltern. Das betrifft auch die Einstellung zu Mode. Wir werden sehen, wie breit die Bewegung wirklich wird, und wie nachhaltig diese Antihaltung ist. Wenn es um Ernährung (Avocados aus Mexiko!) oder Mobilität (der Flug zum Partywochenende nach Barcelona!) geht, ist es bei den allermeisten mit Konsequenz bekanntlich auch nicht allzu weit her. Trotzdem wird die Bewegung dafür sorgen, dass mit Modekonsum ein latent schlechtes Gewissen einher geht. Die Aufgabe der Modeunternehmen ist von daher, glaubwürdig sicherzustellen, dass dieses schlechte Gewissen unbegründet ist.
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