Brüssel genehmigt den Einstieg von Farfetch bei Yoox Net a Porter (YNAP). Die Frage ist nur: Wird es dazu kommen? Bzw. unter welchen Bedingungen wird es dazu kommen?
Der Richemont-Konzern, der das defizitäre YNAP unbedingt loswerden möchte, hatte vor gut einem Jahr im Hinblick auf den Verkauf u.a. eine 11 Prozent-Beteiligung an Farfetch ausgehandelt. Diese ist aufgrund des dramatischen Kurseinbruchs der Farfetch-Aktie heute nur noch 90 statt 440 Millionen Dollar wert. Zugleich scheint Farfetch aufgrund der hohen Verschuldung und eines erneut hoch dreistelligen Millionenverlusts finanziell kaum in der Lage, die Übernahme zu stemmen. Tja.
Es ist ein Desaster, das irgendwann kommen musste. Farfetch hat seit der Gründung vor 15 Jahren niemals Geld verdient und Milliarden Kapital verbrannt. Das Geld war da, und es war billig. Mit immer wieder neuen Deals verstand es Gründer Jose Neves, die Anlegerfantasien aufrecht zu erhalten. Selbst die erratische New Guards-Übernahme nahm man ihm ab. Dabei zielte diese vor allem darauf, am Hype um Offwhite & Co zu partizipieren. Das Blendwerk ist verblasst, die Farfetch-Story auserzählt. So geht es zurzeit auch anderen Börsen-Soufflés, zum Bespiel Signa Sports United. Seit der Zinswende am Kapitalmarkt ist Profitabilität gefragt, und so groß können die Synergien zwischen Farfetch und YNAP gar nicht sein, dass Minus plus Minus am Ende Plus ergibt.
Möglicherweise ist damit sogar die Marktplatz-Idee an sich ein wenig diskreditiert. Das Plattform-Business hat aufgrund der geringeren Kapitalbindung großen Charme für Finanzer, für echte Händler ist das aber doch eher ein Konzept für Medienmanager. Am Ende gilt womöglich auch für Warengeschäfte im Internet: No risk, no fun, und ein Mytheresa ist mit seinem professionell kuratierten Angebot aus Anlegersicht das nachhaltigere Konzept. Jedenfalls solange die Luxury Brands ihr Online Business noch nicht komplett selbst abwickeln. Stationär setzen sie ja auch größtenteils auf D2C.
Man wird sehen, wie es mit Farfetch und YNAP weitergeht. Der Deal betrifft nicht nur die Aktionäre der beteiligten Unternehmen, sondern auch Mitarbeitende und Geschäftspartner – Lieferanten, Marktplatz-Partner und Technologie-User – die das Ökosystem des Digitalkonzerns bilden. Schon wird spekuliert, ob sich nicht ein anderer Übernehmer für YNAP findet. Aber die üblichen Hasardeure sind zurzeit halt leider selbst knapp bei Kasse.
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Und sonst?
…ist mit Peter Hahn nach Tristyle-Schwester Madeleine und Klingel der nächste Versender insolvent. Bösmeinende könnten denken, die Best Ager-Spezialisten stürben schneller als ihre Zielgruppe. Das wäre natürlich zynisch. Es geht Eigentümer Equistone, wie die TW schreibt, offenbar auch darum, das Unternehmen verkaufsfertig zu machen. Und ein Witt beweist, dass man auch mit der „Silver Society“ Business machen kann: Die Otto-Tochter konnte im ersten Halbjahr (31.8.) um 9 Prozent wachsen und hat dabei sogar die junge Konzernschwester About You (plus 1,3 Prozent) outperformt.
…gibt es Paarungen, auf die man selbst nicht gekommen wäre. „Mango designed by Boglioli“ zum Beispiel. Es ist nicht nur fraglich, ob Mango-Kunden die italienische Edelmarke kennen, sondern auch, ob Boglioli-Fans nun in einem Store der spanischen Fast Fashion Brand wollen. Aber vielleicht wollten ja auch nur die Mango-Designer mal mit ordentlichen Stoffen arbeiten.
…fragt man sich zudem, ob Highsnobiety sich vor der Übernahme durch Zalando auf eine Roadshow mit Esprit eingelassen hätte. Bei den Events sollen „kreative Gemeinschaften und eingefleischte Fans ihre Obsessionen durch die Linse der kühnen, lustigen Sprache von Esprit ausdrücken“, zitiert Fashion United die Esprit-Pressemeldung. Diese Zusammenarbeit kostet die Coolness-Instanz Highsnobiety womöglich mehr Credibility als Esprit Euros.
…bewirbt Aldi Nord auf Instagram seine neue Modekollektion: „Ab jetzt trägst du ALDI ganz ohne Tüte.“ Die „Original Art Edition“ wurde von zehn jungen Künstlern gestaltet. Man bekommt die Sachen allerdings nur im Rahmen eines Gewinnspiels. Dazu muss man einen Kassenbon einscannen, als Beleg, dass man z.B. eine „River-Cola“, „Nusskati“-Creme oder Konfitüre von „Sweet Valley“ gekauft hat. Ein Lebensmittelhändler wirbt mit Mode für Marmelade, während die Bekleidungshändler mit Rabatten für Mode werben. Verrückte Zeiten…