Es sind dramatische Nachrichten, die dieser Tage zu lesen sind. Allen voran von Gerry Weber und Esprit. Die Ratinger können gar nicht so schnell Kosten abbauen, wie die Umsätze fallen. Rund 200 Millionen hat Esprit im ersten Halbjahr (31.12.) verbrannt. CEO Anders Kristiansen stimmt die Anleger auf eine brutale Sanierung ein. Bis zu 40% der Stellen werden abgebaut. Im laufenden Geschäftsjahr werden gut 140 Stores dichtgemacht. Schwarze Zahlen seien erst in zwei bis drei Jahren wieder in Sicht.
Noch dramatischer scheint die Lage bei Gerry Weber, das sich unter den Schutzschild des Insolvenzverfahrens begeben hat. Die Westfalen verzichten gar auf Bilanzvorlage und Hauptversammlung – ein ungewöhnlicher Schritt, der nicht eben vertrauensbildend wirkt. Dass Ralf Weber sich von seinen nahezu wertlosen Aktien trennt, ist zusätzlich alarmierend. Für Schlagzeilen sorgen außerdem die Warenhäuser, wo sich Verdi gegen den angekündigten Abbau von 2600 Vollzeitstellen stemmt. Ahlers musste gestern rote Zahlen verkünden. Unbefriedigende Geschäftsergebnisse melden dieser Tage zudem Adler (3,6% Umsatzminus in 2018) und – wer hätte das gedacht – Primark. Der Discounter wächst nur noch über Expansion und schrumpft auf vergleichbarer Fläche. Insbesondere der deutsche Markt bereitet den Iren Kopfzerbrechen, weswegen man nun aus Kostengründen Filialen verkleinern will.
Es ist für alle Betroffenen ein schwacher Trost, aber in Deutschland scheinen die Geschäfte besonders schwierig und der Wettbewerb härter zu sein als anderswo. Darauf verweist auch die jüngste Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zur Preisentwicklung. Demnach sind die Preise für Bekleidung und Schuhe im Januar weitaus stärker gefallen als die Preise generell. Auch wenn die Kassenlage im Handel seit einigen Wochen gar nicht so schlecht ist, ist die Stimmung mies. Das hat das Ifo-Institut in seinem Geschäftsklima-Index der Branche gerade wieder attestiert. Es hat sich offensichtlich aber immer noch nicht überall herumgesprochen. Sonst würden expansionshungrige Anbieter wie American Eagle oder Ted Baker einen Bogen um Deutschland machen und nicht, wie gerade geschehen, Expansionspläne verkünden.
Den Kontrast bilden die aktuellen Gewinner-Zahlen aus dem Online-Handel. Otto.de hat im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr 8% beim Umsatz draufgelegt, Zalando ist gar um 20% gewachsen. Die Scharte des defizitären dritten Quartals konnten die Berliner im Jahresendspurt auswetzen. Nicht zuletzt gelang es, 1,3 Millionen Neukunden zu gewinnen. Jetzt wissen die Stationären, wo die Leute im Weihnachtsgeschäft geblieben sind. Der Gewinn von 51 Millionen ist bei einem 5,4 Milliarden-Unternehmen natürlich ein Witz. Dass Zalando überhaupt einen Überschuss ausweist, dient wahrscheinlich der Anlegerbesänftigung (was gestern mit einem sensationellen Kursplus von 24% hervorragend aufgegangen ist). Faktisch investiert der Onliner nach wie vor in Verdrängung.
Beide – Otto und Zalando – setzen außerdem massiv auf das risikolosere Marktplatzgeschäft. Zalando hat aktuell 250 Partner angebunden, Otto 400. Zalando nennt in seinem Geschäftsbericht auch eine Zielgröße: Bis in fünf Jahren will man 20 Milliarden Euro über die Plattform umsetzen, derzeit sind es 6,6 Milliarden. 40% sollen dann von Partnern kommen. Das Amazon-Modell lässt grüßen. Wahrscheinlich setzen dort externe Händler – freilich über alle Branchen hinweg – allein in Deutschland heute schon so viel um, wie Zalando in fünf Jahren haben will. Zu den Schattenseiten des Plattformgeschäfts gab es diese Woche übrigens einen lesenswerten Beitrag auf Etailment.
Irgendwie auf den Online-Zug aufzuspringen, scheint angesichts des wachsenden Online-Konsums aber wohl für jeden im Markt unausweichlich, der langfristig nicht in einer Nische landen will. Alternativen zum eigenen Webshop können für kleinere Anbieter auch Plattformen wie Farfetch, Kooperationen wie Schuhe.de oder Initiativen wie Modehaus.de sein.
Bei allem Krisengerede gibt es zugleich immer noch Anbieter, die ihr Geld überwiegend stationär verdienen und trotzdem ordentliche Wachstumsraten verzeichnen. Die TW berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe über Tam Fashion, das zalandoeske Wachstumsraten von 39% und 49% für 2016 und 2017 verkündet. Auch ein Opus dürfte nach wie vor zulegen. Oder ein Filialist wie Fussl aus Österreich, der munter in Bayern expandiert und hier wie in seinem Heimatmarkt Österreich den Nerv der Kundin trifft.
Und sonst?
…hat Lagerfeld alles geplant, wie die "Bunte" schreibt. Selbst seinen Todestag. Das Sterbedatum 19.02.2019 mute mit seiner Zahlen-Ästhetik wie aus dem Zeichenblock des Designers an.
******
Wenn Sie keine Profashionals-Beiträge verpassen wollen, empfehle ich Ihnen, ein Update einzurichten. Einfach rechts oben E‑Mail-Adresse eingeben, „Jetzt abonnieren“ anklicken und kurz bestätigen. Auch freue ich mich über eine Weiterempfehlung an Kollegen und Freunde.
Profashionals ist auch in Instagram. Jetzt folgen: profashionals_live