Sonntag, 14. Februar. „Wie kann die Branche nur dauernd davon sprechen, dass sie mit verderblicher Ware handelt“, regt sich eine Freundin auf. Lust auf Mode mache man den Leuten damit nicht.
Das stimmt, und das Bild ist tatsächlich schräg. Denn anders als bei Obst und Gemüse verfallen bei Bekleidung ja nicht die Produkte, sondern nur die Preise. Was heißt "nur"? Aus Sicht des in seiner Existenz bedrohten Handels ist dies das Entscheidende. Deswegen ist das Bild durchaus geeignet, Politikern und Öffentlichkeit die besondere Problematik der Modebranche klarzumachen. Die geht in einem nie dagewesenen Ausmaß auf die Barrikaden. Was den Ernst der Lage und den Grad der Verzweiflung anzeigt. Der alte Spruch vom Einzelhändler, der einzeln handelt, gilt zurzeit nicht. Gut so. Der Druck muss hoch gehalten werden, damit Berlin zuhört. Entscheidend ist zugleich, dass Hilfen nicht nur angekündigt werden, sondern, dass sie auch ankommen.
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Montag, 15. Februar. Zalando greift nach Flaconi, meldet das Manager-Magazin. Bestätigen wollte das offiziell niemand. Aber dass ProSiebenSAT1/Nucom sich aus strategischen Gründen von dem Beauty-Portal trennen könnte, steht seit einiger Zeit im Raum. Zalando, dessen Beauty-Ambitionen größer sind als der bisherige Erfolg auf diesem vor drei Jahren eröffneten Feld, würde die Übernahme des 300 Millionen Euro Umsatz-Unternehmens auf einen Schlag zum relevanten Kosmetik-Anbieter machen. Was insbesondere die Verhandlungsposition gegenüber den selektiven Marken stärken würde, die dem Newcomer bislang vielfach noch die kalte Schulter gezeigt haben. Deswegen ist es nicht unplausibel, dass auch Marktführer Douglas Interesse an Flaconi haben soll. Mit einer Übernahme könnten sich die Düsseldorfer einen aufstrebenden Mitbewerber einverleiben und die eigenen, großen Online-Ambitionen entscheidend stärken. Hinter Douglas steht mit CVC ein potenter Finanzinvestor, in dessen strategischem Interesse ein starker neuer Mitbewerber wie Zalando nicht sein wird.
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Dienstag, 16. Februar. C&A macht beim Connected Retail-Programm mit, zunächst mit ausgewählten Filialen. Ob die Kunden C&A‑Ware auf Zalando suchen werden? Für Zalando ist es auf jeden Fall ein PR-Erfolg. Die anderen Vertikalen, obwohl teilweise mit Ware auf Zalando vertreten, halten sich bei Connected Retail noch zurück. Aber das Programm kommt auch so schon flott voran. Insgesamt 500 neue Stores haben die Berliner nach eigenen Angaben allein in diesem Jahr angedockt, rund 3000 stationäre Stores verkaufen inzwischen über die Plattform.
Aus Zalando-Sicht ergibt die Integration der stationären Konkurrenz allen Sinn, erhöht das doch Warenverfügbarkeit und Attraktivität der Plattform und minimiert Kapitalbindung und Lieferzeiten. Extrem clever war der Schachzug, während Corona auf Provisionen zu verzichten. Zalando kann es sich leisten, denn das eigene Online-Geschäft brummt, und der Imagegewinn überwiegt die vorübergehende Erlösminderung. Langfristig wird es sich in jedem Fall lohnen, wenn möglichst viele Stores angedockt sind und mit dem Plattform-Umsatz rechnen müssen. 6000 POS sollen es bereits Ende dieses Jahres sein. Je nach Sichtweise ist Zalando damit Nothelfer des Einzelhandels oder Nutznießer von dessen Krise. In jedem Fall hilft Zalando die Notlage der Stationären, insbesondere wenn diese es versäumt haben, ein eigenes Online Business aufzubauen. Dass C&A dies trotz eines vergleichsweise frühen Internet-Starts offenbar nicht in ausreichendem Maße gelungen ist, könnte auch mit der Attraktivität der Marke zusammenhängen. Wenn das so wäre, dann würde eine Präsenz auf Zalando auch nicht viel bringen.
Es ist eine strategische Grundsatzfrage für alle Anbieter, inwieweit man sich auf die Marktplatzangebote der Online-Plattformen einlässt. Diese Präsenz wird oft mit den Concession-Flächen in Department Stores verglichen. Die Zusammenarbeit mit den gigantischen Online-Oligopolisten birgt freilich sehr viel größere Abhängigkeiten, als wenn man ein paar Shops auf eigene Rechnung bei Karstadt oder Breuninger unterhält. Die Gefahr für Ladenbetreiber, als Delivery Hero für Zalando zu enden, ist von daher nicht von der Hand zu weisen.
Wenn nun Kering Online-Partner wie Net-a-porter, Mytheresa oder Matchesfashion zu E‑Concessions für Gucci, Saint Laurent und Bottega Veneta drängt, ist das nur die andere Seite derselben Medaille. Hier geht es um die Kontrolle der eigenen Marke – der Auswahl und der Preise. Dem stand der Wholesale im Prinzip schon immer im Weg, und deswegen haben viele Brands sich stationär längst vom Einzelhandel abgekoppelt. Wer in München Gucci kaufen möchte, kann das im Store an der Maximilianstraße oder im eigenen Shop bei Oberpollinger tun. Über kurz oder lang werden die wirklich großen Marken das Geschäft auch im Internet selbst machen wollen.