Passiert large

„Better before bigger“

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Jür­gen Mül­ler

Herr­je: Hugo Boss plant für 2026 ein Minus bei Umsatz und Ertrag. Die Nach­richt hat Stirn­run­zeln aus­ge­löst. Bei den Anle­gern, die den Kurs am Mitt­woch zwei­stel­lig abstür­zen lie­ßen. Die Aktie liegt jetzt mit 34 Euro mei­len­weit unter dem Höchst­stand von 74 Euro. Und auch in der Bran­che wer­den Fra­ge­zei­chen auf­ge­taucht sein. Han­dels­part­ner und Mit­be­wer­ber sind ohne­hin von der Poly­kri­se ver­un­si­chert; jetzt, wo schon die­ses Vor­zei­ge­un­ter­neh­men offen­bar strau­chelt, wird man­cher den Gür­tel für 2026 womög­lich noch ein wenig enger schnal­len.

Die Nach­richt illus­triert die schwie­ri­ge Geschäfts­ent­wick­lung. Der HDE hat­te die Erwar­tun­gen fürs Weih­nachts­ge­schäft bereits nied­rig gehängt. Der Novem­ber war dann eine ein­zi­ge Ent­täu­schung, die TW mel­det minus 7 für den sta­tio­nä­ren Mode­han­del. Selbst die Black Week blieb 1 Pro­zent unter Vor­jahr. Ob die Ver­brau­cher ein­fach erschöpft sind von der seit Wochen andau­ern­den Schnäpp­chen­jagd? Womög­lich trau­en vie­le Leu­te den ver­meint­li­chen Güns­tig-Ange­bo­ten des Ein­zel­han­dels aber auch nicht mehr über den Weg.

Immer­hin scheint online mehr gegan­gen zu sein. Otto mel­det ein 2,5 Pro­zent-Plus für die zwei­te Novem­ber­hälf­te. Und DHL einen Aus­lie­fe­rungs­re­kord: Mit 12,4 Mil­lio­nen wur­den dort am Black Week-Diens­tag dop­pelt so vie­le Pake­te zuge­stellt wie an einem durch­schnitt­li­chen Tag. Aber wer weiß schon, ob die Ver­sen­de­rei am Ende wirk­lich zu Umsatz führt. Oder bloß zu Retou­ren.

Und wenn ein Indi­tex in die­ser Woche wie­der ein­mal zwei­stel­li­ges Wachs­tum mel­det und man liest, dass ein Zalan­do und ein Ama­zon inzwi­schen Mil­lio­nen und Mil­li­ar­den allein mit Retail Media erlö­sen, dann ver­stärkt dies nur die Frus­tra­ti­on, die man als Otto-Nor­mal-Markt­teil­neh­mer emp­fin­den muss, der nicht über die Mög­lich­kei­ten die­ser Kon­zer­ne ver­fügt.

Anleger wollen Wachstumsstories hören und sind nicht an Baustellenberichten interessiert.

Umso mehr wirkt die Hugo Boss-Nach­richt nach, die für ein bör­sen­no­tier­tes Unter­neh­men ja eher unge­wöhn­lich ist. Anle­ger wol­len Wachs­tumssto­ries hören und sind nicht an Bau­stel­len­be­rich­ten inter­es­siert.

Ande­rer­seits sind die Spe­ku­la­tio­nen, dass ein nied­ri­ge­rer Kurs dem Groß­ak­tio­när Fraser Group kurz­fris­tig in die Kar­ten spielt, nicht unplau­si­bel. Jeden­falls sofern Mike Ash­ley an einer Über­nah­me wei­te­rer Antei­le inter­es­siert ist. Die Bri­ten drän­gen Medi­en­be­rich­ten zufol­ge im Auf­sichts­rat auf eine restrik­ti­ve­re Divi­den­den­po­li­tik. Im ver­gan­ge­nen Jahr wur­den immer­hin 97 Mil­lio­nen Euro aus­ge­schüt­tet, das ent­spricht 45 Pro­zent des zure­chen­ba­ren Kon­zern­ge­winns. Beim Stra­te­gie-Update am Mitt­woch gab man nun eine Beru­hi­gungs­pil­le an Fami­lie Marz­ot­to aus, die mit ihrem 15 Pro­zent-Anteil bis­lang mit einer ordent­li­chen Apa­na­ge rech­nen durf­te: Man beken­ne sich klar zu fort­ge­setz­ten Akti­en­ren­di­ten mit­tels Divi­den­den und/oder Akti­en­rück­käu­fen. Aber ob es erneut 45 Pro­zent wer­den?

Das Top-Manage­ment wird in ers­ter Linie dar­an inter­es­siert sein, das vie­le Geld im Unter­neh­men selbst zu inves­tie­ren. 2026 geht es für Hugo Boss um Kon­so­li­die­rung und Refo­kus­sie­rung. “Bet­ter befo­re big­ger“, zitiert die TW Dani­el Grie­der. Dazu gehö­ren eine Neu­aus­rich­tung der Linie Hugo, eine orga­ni­sa­to­ri­sche Tren­nung von Mens­wear und Womens­wear, Sor­ti­ments­be­rei­ni­gun­gen und Preis­er­hö­hun­gen bei Hugo Boss und Anpas­sun­gen im Ver­trieb: eine Opti­mie­rung des Store-Port­fo­li­os (über­setzt: auch Laden­schlie­ßun­gen), eine Stär­kung von stra­te­gi­schen Part­ner­schaf­ten (heißt: Aus­lis­tung von unpas­sen­den Part­nern), die Aus­wei­tung von Fran­chi­sing (ande­re sol­len zah­len). Und natür­lich strebt man ope­ra­ti­ve Exzel­lenz in Beschaf­fung und Sup­p­ly Chain an, ein no-brai­ner.

Über­nah­me­plä­ne waren beim Stra­te­gie-Update am Mitt­woch kein The­ma. Das Mana­ger-Maga­zin schrieb neu­lich von Vic­to­ria Beck­ham und PVH als mög­li­chen Tar­gets. Aber über sowas redet man ja auch nicht vor­her, son­dern man macht es – um danach umso voll­mun­di­ger Wachs­tums­fan­ta­sien wecken zu kön­nen.

Erwar­tungs­ma­nage­ment wird bei der Minus-Pro­gno­se natür­lich auch eine Rol­le gespielt haben. Wenn es halb so schlimm kommt, umso bes­ser. Dani­el Grie­ders Ver­trag läuft Ende 2028 aus. Bis dahin soll Hugo Boss auf den Wachs­tums­pfad zurück­ge­kehrt sein. Und der dann 67jährige unter dem Bei­fall der Bör­se abtre­ten kön­nen.

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