
Herrje: Hugo Boss plant für 2026 ein Minus bei Umsatz und Ertrag. Die Nachricht hat Stirnrunzeln ausgelöst. Bei den Anlegern, die den Kurs am Mittwoch zweistellig abstürzen ließen. Die Aktie liegt jetzt mit 34 Euro meilenweit unter dem Höchststand von 74 Euro. Und auch in der Branche werden Fragezeichen aufgetaucht sein. Handelspartner und Mitbewerber sind ohnehin von der Polykrise verunsichert; jetzt, wo schon dieses Vorzeigeunternehmen offenbar strauchelt, wird mancher den Gürtel für 2026 womöglich noch ein wenig enger schnallen.
Die Nachricht illustriert die schwierige Geschäftsentwicklung. Der HDE hatte die Erwartungen fürs Weihnachtsgeschäft bereits niedrig gehängt. Der November war dann eine einzige Enttäuschung, die TW meldet minus 7 für den stationären Modehandel. Selbst die Black Week blieb 1 Prozent unter Vorjahr. Ob die Verbraucher einfach erschöpft sind von der seit Wochen andauernden Schnäppchenjagd? Womöglich trauen viele Leute den vermeintlichen Günstig-Angeboten des Einzelhandels aber auch nicht mehr über den Weg.
Immerhin scheint online mehr gegangen zu sein. Otto meldet ein 2,5 Prozent-Plus für die zweite Novemberhälfte. Und DHL einen Auslieferungsrekord: Mit 12,4 Millionen wurden dort am Black Week-Dienstag doppelt so viele Pakete zugestellt wie an einem durchschnittlichen Tag. Aber wer weiß schon, ob die Versenderei am Ende wirklich zu Umsatz führt. Oder bloß zu Retouren.
Und wenn ein Inditex in dieser Woche wieder einmal zweistelliges Wachstum meldet und man liest, dass ein Zalando und ein Amazon inzwischen Millionen und Milliarden allein mit Retail Media erlösen, dann verstärkt dies nur die Frustration, die man als Otto-Normal-Marktteilnehmer empfinden muss, der nicht über die Möglichkeiten dieser Konzerne verfügt.
Anleger wollen Wachstumsstories hören und sind nicht an Baustellenberichten interessiert.
Umso mehr wirkt die Hugo Boss-Nachricht nach, die für ein börsennotiertes Unternehmen ja eher ungewöhnlich ist. Anleger wollen Wachstumsstories hören und sind nicht an Baustellenberichten interessiert.
Andererseits sind die Spekulationen, dass ein niedrigerer Kurs dem Großaktionär Fraser Group kurzfristig in die Karten spielt, nicht unplausibel. Jedenfalls sofern Mike Ashley an einer Übernahme weiterer Anteile interessiert ist. Die Briten drängen Medienberichten zufolge im Aufsichtsrat auf eine restriktivere Dividendenpolitik. Im vergangenen Jahr wurden immerhin 97 Millionen Euro ausgeschüttet, das entspricht 45 Prozent des zurechenbaren Konzerngewinns. Beim Strategie-Update am Mittwoch gab man nun eine Beruhigungspille an Familie Marzotto aus, die mit ihrem 15 Prozent-Anteil bislang mit einer ordentlichen Apanage rechnen durfte: Man bekenne sich klar zu fortgesetzten Aktienrenditen mittels Dividenden und/oder Aktienrückkäufen. Aber ob es erneut 45 Prozent werden?
Das Top-Management wird in erster Linie daran interessiert sein, das viele Geld im Unternehmen selbst zu investieren. 2026 geht es für Hugo Boss um Konsolidierung und Refokussierung. “Better before bigger“, zitiert die TW Daniel Grieder. Dazu gehören eine Neuausrichtung der Linie Hugo, eine organisatorische Trennung von Menswear und Womenswear, Sortimentsbereinigungen und Preiserhöhungen bei Hugo Boss und Anpassungen im Vertrieb: eine Optimierung des Store-Portfolios (übersetzt: auch Ladenschließungen), eine Stärkung von strategischen Partnerschaften (heißt: Auslistung von unpassenden Partnern), die Ausweitung von Franchising (andere sollen zahlen). Und natürlich strebt man operative Exzellenz in Beschaffung und Supply Chain an, ein no-brainer.
Übernahmepläne waren beim Strategie-Update am Mittwoch kein Thema. Das Manager-Magazin schrieb neulich von Victoria Beckham und PVH als möglichen Targets. Aber über sowas redet man ja auch nicht vorher, sondern man macht es – um danach umso vollmundiger Wachstumsfantasien wecken zu können.
Erwartungsmanagement wird bei der Minus-Prognose natürlich auch eine Rolle gespielt haben. Wenn es halb so schlimm kommt, umso besser. Daniel Grieders Vertrag läuft Ende 2028 aus. Bis dahin soll Hugo Boss auf den Wachstumspfad zurückgekehrt sein. Und der dann 67jährige unter dem Beifall der Börse abtreten können.