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Wo trifft sich die Branche von morgen?

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Jür­gen Mül­ler

An die­sem Diens­tag hat die Pre­mi­um Group Details zur anste­hen­den Juli-Ver­an­stal­tung bekannt­ge­ge­ben: Lau­ter, pro­vo­kan­ter und gleich­zei­tig per­sön­li­cher sowie effi­zi­en­ter sol­len die Ber­li­ner Mes­sen wer­den, heißt es.

Die Pre­mi­um habe ihr Brand Port­fo­lio neu defi­niert und pro­gres­siv kura­tiert mit Ber­li­ner Mar­ken wie Nao­mi Tara­zi, Hele­na Stöl­ting und Prinz Ber­lin, ita­lie­ni­schen Designs von Filip­po De Lau­ren­ti­is, Shaft Jeans, Peu­terey oder Flo­or, inter­na­tio­na­len Brands wie Silk Laun­dry, Ruby Yaya und Crush sowie vie­len wei­te­ren viel­ver­spre­chen­den Love Brands. Die Seek set­ze neben Heri­ta­ge, Y2K und Modern Sports­wear einen wei­te­ren Fokus auf Out­door. Im Con­scious Club ver­sam­meln sich nach­hal­ti­ge Anbie­ter wie z.B. Veja, Dawn Den­im, Sand­q­vist, Kings of Indi­go, Jan’n’June, Lani­us und Merz b. Schwa­nen. Der Fashion Coun­cil Ger­ma­ny kura­tiert einen Show­room mit mehr als 20 Mode­mar­ken aus der Ukrai­ne. In der Beau­ty Lounge und unter “Ber­lin Scents” gibt es auch Nischen-Anbie­ter aus dem Kos­me­tik-Bereich zu sehen.

Unter dem Mot­to “Plat­te raves The Ground” wer­de es eine Com­mu­ni­ty Lounge geben, die sich auf Live Con­tent Crea­ti­on, Gen Z und Fashion Expe­ri­en­ces kon­zen­triert. Die Nachhaltigkeitsexpert*innen von stu­dio MM04 orga­ni­sie­ren ein 202030 Pop-Up-Pro­gramm mit dem Fokus auf Den­im. Dazu wer­de es einen Com­mu­ni­ty-Kurs zur EU-Stra­te­gie für nach­hal­ti­ge Tex­ti­li­en und Ein­hal­tung der Green Claims geben. Das Tech-For­mat Yoo­na­ver­se prä­sen­tie­re vir­tu­ell und vor Ort die rele­van­tes­ten Impul­se für Pro­fi­ta­bi­li­tät und Sus­tainable Growth durch digi­ta­len Fort­schritt. Im Fokus stün­den u.a. neue Mög­lich­kei­ten durch gene­ra­ti­ve AI, Web 3 Com­mu­ni­ties, Vir­tu­al Try-Ons, Machi­ne Lear­ning und NFTs. In wei­te­ren Prä­sen­ta­tio­nen gehe es um The­men wie gen­der­less fashion, Diver­si­ty, Sus­taina­bi­li­ty, Social Media, Modern Lea­der­ship und Cul­tu­re Manage­ment.

Die Sta­ti­on Ber­lin soll für zwei Tage zum Ort für Net­wor­king und Con­tent-Ver­mitt­lung wer­den. Ziel sei es, „Unter­neh­men und for­ward-thin­king Pro­fes­sio­nals mit neu­en Impul­sen, Trends und Mög­lich­kei­ten aufs nächs­te Level zu brin­gen“, heißt es in der Pres­se­mit­tei­lung. „Dafür brin­gen die Veranstalter*innen der Pre­mi­um Group die rich­ti­gen Leu­te zusam­men, um gemein­sam die Bran­che von mor­gen zu gestal­ten.“

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An die­sem Diens­tag traf sich in Ulm die Bran­che von heu­te. Und der Unter­schied zu Ber­lin lag nicht nur im Wor­ding.

Weit über 1000 Fach­händ­ler und 150 Aus­stel­ler kamen zum Fashion-Fes­ti­val der Ver­bund­grup­pe Unitex in die Ulmer Mes­se­hal­len. Es gab Vor­trä­ge und eine Podi­ums­dis­kus­si­on mit den CEOs von Tom Tail­or, Bet­ty Bar­clay und Ger­ry Weber. Dazu Semi­na­re zu The­men wie Waren­prä­sen­ta­ti­on, Mar­ken­in­sze­nie­rung, Whats­App-Mar­ke­ting, Waren­wirt­schaft, RFID und Betriebs­ver­gleich. An den bei­den Aben­den Dance-Acts und Live-Kon­zer­te mit Leo­ny und Anna Grey sowie Nico San­tos. Nicht zu ver­ges­sen die After Show-Par­ty mit Dja­ne 2Elements. Und dann natür­lich das Droh­nen-Spek­ta­kel, bei dem ein Unitex-Schrift­zug am Him­mel über Ulm auf­leuch­te­te. Last but not least gab es durch­gän­gig Essen und Trin­ken, alles gra­tis.

Das Gan­ze pas­sier­te im Gewand einer Mes­se. Um Ware ging es frei­lich über­haupt nicht. Es ist ja auch kei­ne Order­zeit.

Unitex und Katag füllen eine Leerstelle, die die Messeveranstalter lassen. Sie kennen ihre Zielgruppe sehr genau. Und die betreibt ihr Business größtenteils außerhalb der Metropolen und nicht im Metaverse.

Es ging in Ulm aus­schließ­lich um Meet and Greet. Und es hat funk­tio­niert! Gegen­über 2022 ver­zeich­ne­te die Unitex stark gestie­ge­ne Aus­stel­ler- und Teil­neh­mer­zah­len. In schwie­ri­gen Zei­ten wie die­sen ist das Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­dürf­nis auf allen Sei­ten beson­ders hoch. So wie der Kos­ten­druck. Und da hat die Unitex (wie kürz­lich auch die Katag mit ihrem Mar­ken­tag) ein markt­ge­rech­tes Ange­bot geschaf­fen.

Die Aus­stel­ler – dar­un­ter etli­che markt­star­ke Anbie­ter der soge­nann­ten Mit­te – begrüss­ten ihre Kun­den im Stan­dard-Mes­se­bau, deko­riert mit ein paar Klei­der­stan­gen und Pos­tern. Nicht gera­de Wow!, aber alles erfüll­te sei­nen Zweck. Die Norm­stän­de gab es in drei Vari­an­ten, jeweils für eine mehr oder weni­ger hohe vier­stel­li­ge Sum­me, wie zu hören war. „Dage­gen kos­tet mich der Kaf­fee in Ber­lin pro Kun­de 500 Euro“, läs­ter­te ein Aus­stel­ler. Und wäh­rend man sich dort mit einem pushy Sales Team aus­ein­an­der­set­zen müs­se, wer­de man in Ulm von den Unitex-Inha­bern Ger­hard und Xaver Albrecht mit einem Fer­re­ro Küss­chen emp­fan­gen.

Die Ein­kaufs­ver­bän­de Unitex und Katag fül­len mit sol­chen Ver­an­stal­tun­gen offen­sicht­lich eine Leer­stel­le, die die Mes­se­ver­an­stal­ter las­sen. Für sie geht es nicht in ers­ter Linie um die Ver­mark­tung von Flä­chen, son­dern um Kun­den­bin­dung und – um auch mal ein Buz­zword zu ver­wen­den – Com­mu­ni­ty Buil­ding. Sie ken­nen ihre Ziel­grup­pe auf Han­dels- wie Indus­trie­sei­te sehr genau. Und die betreibt ihr Busi­ness größ­ten­teils außer­halb der Metro­po­len und nicht im Meta­ver­se.

Bemer­kens­wert ist außer­dem, dass die Indus­trie offen­sicht­lich den klei­nen und mit­tel­stän­di­schen Fach­han­del ein Stück weit wie­der­ent­deckt, auch nach­dem Groß­kun­den wie P&C sich aktu­ell nicht als die ver­läss­li­chen Part­ner erwei­sen, die sie mal waren. Nach dem Mot­to: Klein­vieh macht auch Mist. Den Fach­händ­lern gehe es im Moment bes­ser, mein­te ein Aus­stel­ler. Die Geschäf­te sei­en ver­gleichs­wei­se sta­bil, ein­zig die anste­hen­den Coro­na­hil­fe-Rück­zah­lun­gen hän­gen wie ein Damo­kles­schwert über vie­len Fami­li­en­be­trie­ben.

Wie es aus­sieht, wird übri­gens kaum einer der Aus­stel­ler von Ulm in Ber­lin sein. Die Mit­te sei dort nicht erwünscht, mein­te einer. Und auch kaum einer der Händ­ler, mit denen ich gespro­chen habe, will die Rei­se in die Haupt­stadt antre­ten.

Der immer wie­der­keh­ren­de und auf dem Unitex- Podi­um erneut geäu­ßer­te Ruf nach der einen, gro­ßen Mes­se, die alle zusam­men­bringt, mag aus Effi­zi­enz­grün­den wün­schens­wert sein. Es ist, wie es aus­sieht, aller­dings illu­so­risch. Das wur­de mehr­fach ver­sucht und ist jedes Mal geschei­tert. Im Gegen­teil bekom­men wir zuneh­mend eine inter­na­tio­na­le Zer­split­te­rung der Mes­se­sze­ne nach Gen­res und Cate­go­ries, was für breit auf­ge­stell­te Gene­ra­lis­ten in Han­del und Indus­trie zu einer orga­ni­sa­to­ri­schen Her­aus­for­de­rung wird.

Im Juli kommt es wohl so, dass die Pro­gres­si­ven nach Ber­lin fah­ren und die ande­ren zum Arbei­ten zuhau­se blei­ben. Des­we­gen ist der Ansatz der Pre­mi­um Group trotz­dem nicht falsch. Nach der irr­lich­tern­den Früh­jahrs­ver­an­stal­tung kann nur eine Schär­fung des Pro­fils der Mes­se die Zukunft sichern. Auf die Gefahr hin, dass man damit über vie­le Köp­fe hin­weg schießt. Ande­rer­seits kann man sich natür­lich fra­gen, ob eine Art wie­der­be­leb­tes CPD-For­mat den künf­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen im Mul­ti­la­bel-Busi­ness gerecht wird. Die Pres­se­tex­ter der Pre­mi­um haben schon recht: „Fort­schritt bedeu­tet, die Din­ge ein­fach mal anders zu machen.“ Das wird man in Ulm und Bie­le­feld genau­so sehen. Nur wahr­schein­lich anders inter­pre­tie­ren.

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