
„Giorgio Armani ist tot“, meldete die TW am Donnerstag vor einer Woche, ausnahmsweise mal als Erste unter den Breaking News-Verbreitern. Es dauerte nicht lange, bis sich die Social Media-Feeds mit Kondolenz-Posts füllten. Fast so wie vor sechs Jahren bei Karl Lagerfeld, der vorgestern übrigens 92 geworden wäre.
„Elegant in alle Ewigkeit“ überschrieb die SZ ihre 'Seite 3'. Dort finden Themen aus der Modewelt sonst eher selten Platz. Autorin Silke Wichert hob noch einmal die Pionierleistungen Amanis hervor: Er war der Erste, der Celebrity-Dressing machte, und Armani die erste Luxusmarke, die mit Emporio eine Zweitlinie auf den Markt brachte. 1981 war das.
Philipp Löwe beschrieb im Spiegel, wie Armani eine Lifestyle-Welt mit Kosmetik, Uhren, Brillen, Möbeln, Blumenarrangements, Süßwaren, mit Restaurants, Clubs und Hotels baute.
Jennifer Wiebking interviewte für die FAZ den Hamburger Herrenausstatter Lars Braun, der Armani bescheinigte, er habe die Farbe Blau erst salonfähig gemacht.
„Ich habe die Frauen stärker und die Männer weicher gemacht“, beschrieb Armani sein Vermächtnis selbst einmal.
Tausende nahmen am Wochenende in Mailand Abschied von dem Verstorbenen, bevor er am Montag im engsten Kreis beigesetzt wurde. Der „Fürst der Mode“ sorgte posthum sogar für einen kleinen politischen Skandal. Italiens Premierministerin Giorgia Meloni zog einen New York-Trip mit ihrer Tochter dem Kondolenzbesuch in Mailand vor. Ob sie wenigstens bei Armani an der Madison Avenue vorbeigeschaut hat?
Modedesigner sind für Marken wie Gucci oder Valentino heute so austauschbar wie Fußballtrainer für Real Madrid oder Manchester City
Der 91jährige war einer der Letzten seiner Art: Der Designer als kreativer Unternehmer, der den Zeitgeist mit seinen Entwürfen trifft und daraus ein Milliardengeschäft macht, das er zeitlebens bis in alle Details selbst steuert und kontrolliert. Es gibt heute nur noch wenige Designer von Weltruhm, die in dieser Weise über ihre eigene Marke gebieten. Dolce & Gabbana, Prada, Ralph Lauren, Brunello Cucinelli und ja: Philipp Plein fallen einem da noch ein. Wobei Lauren und Plein noch nicht mal Designer sind.
Aber Armani war ja auch kein ausgebildeter Couturier, sondern hat seine Karriere wie Ralph Lauren im Warenhaus gestartet. Was kein Zufall ist. Anders als die maßschneidernden Modeschöpfer der Vorkriegszeit sind die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts groß gewordenen Modemacher Kreative, die die Bedürfnisse einer breiten Kundschaft im industriellen Maßstab bedienten. Die Erfahrungen aus dem Einzelhandel – der direkte Kundenkontakt, das Business-Know-how, das Netzwerk – waren dabei natürlich hilfreich.
Solche Unternehmer-Designer sind heute absolute Ausnahmen. Jil Sander, Tom Ford, Stella McCartney, Isabel Marant – sie alle haben ihre Firmen längst verkauft. Es überwiegen die Design-Söldner, die im Auftrag großer Konzerne arbeiten. Nur diese kapitalstarken Luxuskonglomerate sind heute noch in der Lage, Marken von Weltruhm aufzubauen und zu führen. Die kreative Leistung von den Zeitgeist prägenden Leuten wie Demna oder Alessandro Michele ist unbestritten. Aber letztlich sind diese Namen für Marken wie Gucci oder Valentino austauschbar wie die der Fußballtrainer von Real Madrid oder Manchester City. Etwas anderes würde das Risikomanagement börsennotierter Unternehmen wie LVMH, Kering oder Richemont auch gar nicht zulassen.
Statt ihre Investments launischen Charakteren zu überlassen, wie es nicht wenige Kreative nun mal sind, polieren die Luxuskonzerne lieber altbekannte Heritage Brands, deren Image sich kontrollieren lässt. Nicht selten sind die Designer lediglich Mittel zum Zweck, wenn es darum geht, eine eingeschlafene Marke durch eine medienwirksame Paarung wieder aufzuwecken. Mit welchen Kollektionsinhalten sie dies tun, ist aus Sicht des Topmanagements eher zweitrangig.
Modemarken, hinter denen ein Mann oder eine Frau vom Fach steht, haben sicherlich einen Glaubwürdigkeitsvorsprung. Aber eine notwendige Voraussetzung ist das heute nicht mehr.
Am Ende geht es um Branding. Modemarken, hinter denen ein Mann oder eine Frau vom Fach steht, haben sicherlich einen Glaubwürdigkeitsvorsprung. Aber eine notwendige Voraussetzung ist das in der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie nicht mehr. Entscheidend ist, wie bekannt und wie beliebt ein Name bei einer Zielgruppe ist und inwieweit diese Persönlichkeit als Stilvorbild taugt. Darauf bauen Celebrity Brands wie Rihannas Fenty oder Kim Kardashians Skims auf. Erst kürzlich hat Hailey Bieber ihre Kosmetikmarke Rhode für eine Milliarde Dollar verkauft. Die war gerade mal drei Jahre am Markt! Deutsche Influencer-Marken wie Caro Daur oder LeGer by Lena Gerke backen da noch etwas kleinere Brötchen.
Die qualitative Verflachung, die wir in der Mode erleben, leistet dieser Entwicklung Vorschub. Wenn schon High Fashion-Marken wie Balenciaga Sweatshirts und Turnschuhe verkaufen, warum sollten nicht auch irgendwelche Deutschrapper oder Fußballer ihre Fanbase mit ebenso coolen Pieces beglücken können? Nebenbei bemerkt ist diese sog. ‚Demokratisierung der Mode‘ auch ein Grund, weshalb Bekleidung zunehmend ihre Distinktionsfunktion verloren hat. Und damit ihre Begehrlichkeit. Gerade die stilbildenden Luxus-Konsumenten drücken Zugehörigkeit und Abgrenzung immer weniger über ihre Outfits aus, sondern über den exklusiven Urlaubsort, die „richtige“ Ernährung oder die elitäre Ausbildung der Kinder.
Zu den prominenten Trauernden nach Armanis Tod gehörten die 76jährige Miuccia Prada, die 70jährige Donatella Versace und der 93jährige Valentino Garavani – Kreative, die die Modeszene in den vergangenen 50 Jahren mitgeprägt haben. Der Tod ihres langjährigen Wegbegleiters signalisiert eben auch: Die Zeit der großen, unabhängigen Modedesigner ist vorbei.
Die Marke Armani wird indes weiterleben. Jedenfalls solange die Erben umsichtig handeln. Es gibt Vorbilder: Chanel geht es auch ein halbes Jahrhundert nach dem Tod der Gründerin blendend.