Wie haben Sie bei Hugo Boss die Corona-Krise erlebt?
Januar und Februar waren sehr erfolgreiche Monate. Und dann änderte sich alles sehr schnell. Am 23. Februar war die Schau im Mailand. Danach mussten plötzlich alle, die in Mailand waren, in Quarantäne. Wir hatten auf einen Schlag so viele Baustellen – vom Inventory über Kurzarbeit und Homeoffice bis hin zu geplanten Marketingkampagnen. Kurzum: Alles was man machen konnte, wurde bei Hugo Boss gemacht. Und ich muss sagen, dass unsere Kollegen das alle ganz toll gemeistert haben.
Wenn die Läden jetzt wieder öffnen, heißt das aber noch lange nicht, dass die Kunden wieder kaufen. Mit der Schutzmaske am Umkleidespiegel – das macht wenig Lust auf Mode, oder?
Die Leute sind vor allem nicht gewohnt, vor einem Modeladen anzustehen. Im Internet kannst Du halt alles sofort kaufen, ohne Wartezeit.
Auf welches Szenario stellt sich Hugo Boss mittelfristig ein?
Das Online Business hat während des Shutdowns einen gewaltigen Push bekommen. E‑Commerce wird künftig noch wichtiger. Wir vernachlässigen sicher nicht das stationäre Geschäft und den europäischen Markt, aber wir schauen schon stark nach Asien. Das ist für uns immer noch der stärkste Wachstumsmarkt.
Und Deutschland? Da gab es für Hugo Boss vor Corona ja schon einiges aufzuholen. Haben die 399 Euro-Anzüge den erhofften Effekt gebracht?
Es hat funktioniert. Wir brauchten für die Kunden in der Stammabteilung einfach dieses Angebot. Das ist aber auch ein sehr deutsches Thema. In allen anderen Ländern gibt es das Phänomen der Stammabteilungen nicht.
Wer trägt künftig überhaupt noch Anzüge? Im Homeoffice braucht man die ja eher nicht.
Es werden künftig andere Anzüge sein. Lässiger, casualiger, andere Stoffe, mehr Mix & Match und Hybrids aus Sportswear und Formalwear. Ich selbst war ja auch zwei Wochen in Quarantäne. Wenn Du da nur Jogginghosen anhast, dann freust Du Dich definitiv, mal wieder was Schickes anzuziehen. So wie Homeoffice am Anfang was Tolles war und sich viele Kollegen mittlerweile danach sehnen, wieder ins Büro zu kommen. Ich glaube, wenn alles wieder normal läuft, werden die Leute auch Wert auf ihre Outfits legen.
Die „Hybrids“, von denen Sie sprechen, setzen aber schon auch ein gewisses modisches Verständnis voraus. Das Geschäft macht Hugo Boss aber vor allem mit Otto Normalverbraucher, der sucht Anzüge als Arbeitsbekleidung.
Natürlich wird Sportswear perspektivisch wichtiger. Produktentwicklung wird insgesamt anders werden. Und das hat nicht nur mit Corona zu tun. Es wird Basics geben, die das ganze Jahr durch laufen, und wir werden monatliche Drops haben. Diese Abstimmung ist nicht trivial. Das Timing wird sich ändern. Aktuell haben wir das Problem, dass die ganzen Webereien zu sind und die Stoffe, die wir vor Monaten ausgesucht haben, nicht produziert werden.
"Wir werden merken, dass wir diese ganze Reiserei nicht mehr so brauchen"
Durch die Corona-Krise kommt der Branchenkalender ohnehin gewaltig durcheinander. Messen und Fashion Weeks werden verschoben oder finden teilweise gar nicht statt. Digitale Tools ersetzen physische Kontakte. Manche sprechen schon von einem neuen Modesystem.
Ich denke, das wird sich alles wieder einspielen, nur anders. Wir werden merken, dass wir diese ganze Reiserei nach Mailand oder New York nicht mehr so brauchen. Statt der großen Fashion Weeks wird die Industrie vermutlich auf kleinere, individuellere und dezentrale Veranstaltungen setzen. Die physischen Events und die digitale Kommunikation werden verschmelzen.
Ist dies das Ende der Fashion Weeks in Mailand oder Paris?
Das kann man heute noch nicht sagen. Dass die Brands demnächst wieder Journalisten nach Kuba oder Shanghai fliegen, um ihnen in 20 Minuten ihre Cruise Collection zu präsentieren, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Ich glaube auch nicht, dass die Amerikaner im September nach Mailand kommen, zumal das ja eines der Epizentren der Corona-Pandemie war.
Sind digitale Messen und Online-Orderplattformen eine Option?
Das kann ich nicht sagen, weil wir ohnehin nicht so häufig auf Messen gehen. Wenn Sie mich aber fragen, wie schnell wir digitale Tools im Business nutzen werden, dann kann ich nur sagen: rasend schnell. So sind wir mit BOSS und HUGO beispielsweise bereits in der konkreten Umsetzung, was den digitalen Showroom angeht.
Wer wird der neue Boss von Boss?
Gute Frage. Die entscheidet der Aufsichtsrat.