Das Glück eines Wirtschaftsbooms in China hob die Umsätze der Luxusmarken wie die aufkommende Flut ein Boot. Das gilt nicht nur für die Fashion Brands, sondern auch für andere Sektoren wie etwa die Automobilbranche. Ob Mercedes, Ferrari, Louis Vuitton oder Gucci. Die Chinesen wollten am liebsten europäische Marken. Millionen kamen auf einmal zu Geld, manche zu sehr viel Geld. So ging es dort wie früher bei uns – die goldenen Zähne der Rapper aus den 80ern signalisierten: Ich bin aus der Bronx und jetzt habe ich es geschafft. Schaut her!
Der Vergleich ist nicht weit hergeholt. Auch eine Marke wie Louis Vuitton ist letztendlich zu einer Hip-Hop-Marke verkommen, nachdem Virgil Abloh all seine Instagram-Freunde mitbrachte. Und das waren viele. Die ganze Black Music-Abteilung war am Start. Fein gemacht. Die waren aber auch schnell wieder weg. Ablohs Tod spielt hier sicherlich eine Rolle. Aber noch mehr die Verkleidungssucht der In-Crowd, die sich immer wieder neu inszenieren muss.
Auch Gucci wurde zu einer Klamauk-Veranstaltung. Alessandro Michele hatte die Umsätze um Milliarden nach oben geschraubt. Wahrscheinlich ging der Großteil in Märkte, die extrovertierter leben als wir im deutschsprachigen Raum. Auf jeden Fall war der Look auf ein sehr junges Publikum ausgerichtet, das sich mit dem radikalen Auftritt vielleicht gegen ihre Elterngeneration abheben wollte (kleiner Scherz). Nun, ich gehöre ja eher zu letzteren und habe es mit Erstaunen und Verwunderung verfolgt.
Selbst Dior hat diesen Wettstreit mitgemacht und sich ebenfalls mit Quatsch für Millennials ins Rennen geworfen. Man fragt sich, wie das passieren konnte. Der aktuelle Talahon-Look, bei dem die Fake Gucci Cap mit dem auffälligen Allover Logo-Design unbedingt dazugehören muss, ist für die aktuelle Lage auch nicht gerade dienlich. Daran sieht man, dass eine Sache außer Kontrolle geraten kann, wenn man sich von seinem Markenkern zu weit entfernt.
Eine alte Weisheit der ehrenwerten Markentechnik besagt, dass erkaufte Umsätze schnell wieder abschmelzen, wenn der Werbedruck nachlässt. Vielleicht spürt dies Hugo Boss gerade auch ein wenig. Der Aktienkurs ist jedenfalls niedriger als vor drei Jahren. Die Börsianer werden sich dabei etwas denken.
Der Ferrari ist nicht zu kopieren. Die Tasche schon.
Die gigantischen Umsatzsprünge der letzten Jahre kamen auch deswegen zustande, weil die Luxusmarken ihre Produkte im Zeitraffertempo verteuerten. Die Kunden haben das lange mitgemacht. Vor allem wird damit die wichtigste Regel im Luxus-Markt angewendet, die man nie aus den Augen verlieren darf: Verknappung bis der Arzt kommt. Wie heißt es bei Ferrari so treffend? Wir produzieren immer genau ein Auto weniger als es an Bedarf gibt.
Bei Ferrari ist das aber auch ein anderes Universum. Hier wird ein Motor konstruiert, der Rennen gewinnt. Originalton Enzo Ferrari: „Mein Kunde zahlt für einen filigran konstruierten Zwölfzylinder-Motor. Den Rest gebe ich gratis dazu.“ Und genau hier liegt der große Unterschied. Auf der einen Seite ein Ferrari Rennwagen mit Siegerqualitäten. Auf der anderen Seite eine Louis Vuitton-Ledertasche. Der Ferrari ist nicht zu kopieren. Die Tasche schon.
Bei LVMH fielen im vergangenen Jahr 15,2 Milliarden Euro Gewinn an. Davon sollten sie allerdings mal einen ordentlichen Batzen in den Kampf gegen die Markenpiraterie investieren. In Antalya, um mal einen beliebigen Ort zu nehmen, gehen an jeder Ecke Bags von Vuitton, Gucci, Dior und Co. für ganz kleines Geld über die Ladentheke. Genauso wie vor der Kathedrale in Palma de Mallorca oder noch besser, auf der anderen Straßenseite des LV Stores in Palma. Dort liegen die Taschen ganz uncharmant auf den Gehwegplatten. Wer die kauft, ist jetzt mal egal. Alle Touristen halt. Oft sind diese Kopien ja auch noch täuschend echt gemacht. Spätestens jetzt muss doch aber auch die Rich Bitch schnallen, die sich das Original leisten kann, dass man sich damit sehr leicht zum Deppen machen kann.
Wundert sich Arnault nicht auch über die ganzen Kopien? Also, wenn ich er wäre, ich würde einen Tobsuchtsanfall nach dem Nächsten bekommen.
Das Manager-Magazin schrieb unlängst, dass die Reichen und vor allem die Neureichen jetzt alle nach Mallorca ziehen. Erfolgreiche Business-Leute, die viel Kohle machen oder gerade ihre Firma für 100 Millionen Euro verkauft haben. Wie zu lesen war, lassen die sich angeblich 34.000 Euro schwere Must Have-Esstische per Helikopter ins Haus fliegen. Die Häuser, die man dort kauft oder sich baut, sehen ansonsten alle gleich aus. Die Mode bringt es mit sich. Bodentief verglast, weiß, aus Beton und außen mit Naturstein im mallorquinischen Trockenmauer-Look beklebt.
Zu den Insignien der erfolgreichen Business-Familie gehören logischerweise auch angesagte Marken. Dass man in diesen Kreisen Louis Vuitton oder Gucci trägt, ist klar. Das kauft man auch gerne im Hafen Porto Portals oder eben direkt in Palma. Gleich am Ausgang der Tiefgarage an der Kathedrale hocken da schon die ersten Händler mit ihren Fakes. Womöglich macht vielleicht auch Bernard Arnault, der Besitzer von LVMH, mal einen Abstecher nach Mallorca. Seine Yacht wurde jedenfalls im Hafen schon gesichtet. Wundert der sich nicht auch über die ganzen Kopien? Also, wenn ich er wäre, ich würde einen Tobsuchtsanfall nach dem Nächsten bekommen.
Wenn das erste Gebot des Luxusmarktes die Verknappung ist, dann muss die Flut der Billig-Kopien eine Marke atomisieren. Vielleicht passiert das gerade. Vielleicht sind die Chinesen gar nicht der ausschlaggebende Moment für die Schwäche der Luxusmarken oder der Krieg in der Ukraine. Vielleicht will die reiche Dame, die schon immer ein Faible für teure Taschen hatte, keine Tasche mehr ausführen, wenn gedacht werden könnte, es handele sich um ein Plagiat.
Wenn die Dame aus einem goldenen Rolls Royce aussteigt, dürfte sie über alle Zweifel erhaben sein. Beim Lamborghini, den man ja auch nicht hinterhergeworfen bekommt, sieht die Sachlage leider schon anders aus. Das wiederum hieße aber, dass bei „Lambo“ in all den Jahren irgendetwas falsch gelaufen ist und sie irgendwo gelandet sind, wo sie gar nicht hin wollten. Aber das ist schon wieder ein ganz anderes Thema. Wenn auch ein interessantes.
Jürgen Wolf ist Gründer und Mastermind von Homeboy. Er hob das Skatewear-Label 1988 aus der Taufe und gehörte damit zu den Streetwear-Pionieren in Deutschland. In den 90er Jahren erlebte Homeboy einen rasanten Aufstieg, in den vergangenenen Jahren war es faktisch vom Markt verschwunden. 2015 hat Wolf die Marke wiederbelebt. Und startet mit seinem Sohn Julian damit durch.