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Die hausgemachte Luxuskrise

Wir erstarren in Ehrfurcht vor den Luxusbrands der Modebranche, stellt Jürgen Wolf fest. Aber auch diese Welt hat ihre Schattenseiten.
Juergen wolf me myself and i
Jür­gen Wolf

Das Glück eines Wirt­schafts­booms in Chi­na hob die Umsät­ze der Luxus­mar­ken wie die auf­kom­men­de Flut ein Boot. Das gilt nicht nur für die Fashion Brands, son­dern auch für ande­re Sek­to­ren wie etwa die Auto­mo­bil­bran­che. Ob Mer­ce­des, Fer­ra­ri, Lou­is Vuit­ton oder Guc­ci. Die Chi­ne­sen woll­ten am liebs­ten euro­päi­sche Mar­ken. Mil­lio­nen kamen auf ein­mal zu Geld, man­che zu sehr viel Geld. So ging es dort wie frü­her bei uns – die gol­de­nen Zäh­ne der Rap­per aus den 80ern signa­li­sier­ten: Ich bin aus der Bronx und jetzt habe ich es geschafft. Schaut her!

Der Ver­gleich ist nicht weit her­ge­holt. Auch eine Mar­ke wie Lou­is Vuit­ton ist letzt­end­lich zu einer Hip-Hop-Mar­ke ver­kom­men, nach­dem Vir­gil Abloh all sei­ne Insta­gram-Freun­de mit­brach­te. Und das waren vie­le. Die gan­ze Black Music-Abtei­lung war am Start. Fein gemacht. Die waren aber auch schnell wie­der weg. Ablohs Tod spielt hier sicher­lich eine Rol­le. Aber noch mehr die Ver­klei­dungs­sucht der In-Crowd, die sich immer wie­der neu insze­nie­ren muss.

Auch Guc­ci wur­de zu einer Kla­mauk-Ver­an­stal­tung. Ales­san­dro Miche­le hat­te die Umsät­ze um Mil­li­ar­den nach oben geschraubt. Wahr­schein­lich ging der Groß­teil in Märk­te, die extro­ver­tier­ter leben als wir im deutsch­spra­chi­gen Raum. Auf jeden Fall war der Look auf ein sehr jun­ges Publi­kum aus­ge­rich­tet, das sich mit dem radi­ka­len Auf­tritt viel­leicht gegen ihre Eltern­ge­nera­ti­on abhe­ben woll­te (klei­ner Scherz). Nun, ich gehö­re ja eher zu letz­te­ren und habe es mit Erstau­nen und Ver­wun­de­rung ver­folgt.

Selbst Dior hat die­sen Wett­streit mit­ge­macht und sich eben­falls mit Quatsch für Mil­len­ni­als ins Ren­nen gewor­fen. Man fragt sich, wie das pas­sie­ren konn­te. Der aktu­el­le Talahon-Look, bei dem die Fake Guc­ci Cap mit dem auf­fäl­li­gen All­over Logo-Design unbe­dingt dazu­ge­hö­ren muss, ist für die aktu­el­le Lage auch nicht gera­de dien­lich. Dar­an sieht man, dass eine Sache außer Kon­trol­le gera­ten kann, wenn man sich von sei­nem Mar­ken­kern zu weit ent­fernt.

Eine alte Weis­heit der ehren­wer­ten Mar­ken­tech­nik besagt, dass erkauf­te Umsät­ze schnell wie­der abschmel­zen, wenn der Wer­be­druck nach­lässt. Viel­leicht spürt dies Hugo Boss gera­de auch ein wenig. Der Akti­en­kurs ist jeden­falls nied­ri­ger als vor drei Jah­ren. Die Bör­sia­ner wer­den sich dabei etwas den­ken.

Der Ferrari ist nicht zu kopieren. Die Tasche schon.

Die gigan­ti­schen Umsatz­sprün­ge der letz­ten Jah­re kamen auch des­we­gen zustan­de, weil die Luxus­mar­ken ihre Pro­duk­te im Zeit­raf­fer­tem­po ver­teu­er­ten. Die Kun­den haben das lan­ge mit­ge­macht. Vor allem wird damit die wich­tigs­te Regel im Luxus-Markt ange­wen­det, die man nie aus den Augen ver­lie­ren darf: Ver­knap­pung bis der Arzt kommt. Wie heißt es bei Fer­ra­ri so tref­fend? Wir pro­du­zie­ren immer genau ein Auto weni­ger als es an Bedarf gibt.

Bei Fer­ra­ri ist das aber auch ein ande­res Uni­ver­sum. Hier wird ein Motor kon­stru­iert, der Ren­nen gewinnt. Ori­gi­nal­ton Enzo Fer­ra­ri: „Mein Kun­de zahlt für einen fili­gran kon­stru­ier­ten Zwölf­zy­lin­der-Motor. Den Rest gebe ich gra­tis dazu.“ Und genau hier liegt der gro­ße Unter­schied. Auf der einen Sei­te ein Fer­ra­ri Renn­wa­gen mit Sie­ger­qua­li­tä­ten. Auf der ande­ren Sei­te eine Lou­is Vuit­ton-Leder­ta­sche. Der Fer­ra­ri ist nicht zu kopie­ren. Die Tasche schon.

Bei LVMH fie­len im ver­gan­ge­nen Jahr 15,2 Mil­li­ar­den Euro Gewinn an. Davon soll­ten sie aller­dings mal einen ordent­li­chen Bat­zen in den Kampf gegen die Mar­ken­pi­ra­te­rie inves­tie­ren. In Anta­lya, um mal einen belie­bi­gen Ort zu neh­men, gehen an jeder Ecke Bags von Vuit­ton, Guc­ci, Dior und Co. für ganz klei­nes Geld über die Laden­the­ke. Genau­so wie vor der Kathe­dra­le in Pal­ma de Mal­lor­ca oder noch bes­ser, auf der ande­ren Stra­ßen­sei­te des LV Stores in Pal­ma. Dort lie­gen die Taschen ganz unchar­mant auf den Geh­weg­plat­ten. Wer die kauft, ist jetzt mal egal. Alle Tou­ris­ten halt. Oft sind die­se Kopien ja auch noch täu­schend echt gemacht. Spä­tes­tens jetzt muss doch aber auch die Rich Bitch schnal­len, die sich das Ori­gi­nal leis­ten kann, dass man sich damit sehr leicht zum Dep­pen machen kann.

Wundert sich Arnault nicht auch über die ganzen Kopien? Also, wenn ich er wäre, ich würde einen Tobsuchtsanfall nach dem Nächsten bekommen.

Das Mana­ger-Maga­zin schrieb unlängst, dass die Rei­chen und vor allem die Neu­rei­chen jetzt alle nach Mal­lor­ca zie­hen. Erfolg­rei­che Busi­ness-Leu­te, die viel Koh­le machen oder gera­de ihre Fir­ma für 100 Mil­lio­nen Euro ver­kauft haben. Wie zu lesen war, las­sen die sich angeb­lich 34.000 Euro schwe­re Must Have-Ess­ti­sche per Heli­ko­pter ins Haus flie­gen. Die Häu­ser, die man dort kauft oder sich baut, sehen ansons­ten alle gleich aus. Die Mode bringt es mit sich. Boden­tief ver­glast, weiß, aus Beton und außen mit Natur­stein im mal­lor­qui­ni­schen Tro­cken­mau­er-Look beklebt.

Zu den Insi­gni­en der erfolg­rei­chen Busi­ness-Fami­lie gehö­ren logi­scher­wei­se auch ange­sag­te Mar­ken. Dass man in die­sen Krei­sen Lou­is Vuit­ton oder Guc­ci trägt, ist klar. Das kauft man auch ger­ne im Hafen Por­to Por­tals oder eben direkt in Pal­ma. Gleich am Aus­gang der Tief­ga­ra­ge an der Kathe­dra­le hocken da schon die ers­ten Händ­ler mit ihren Fakes. Womög­lich macht viel­leicht auch Ber­nard Arnault, der Besit­zer von LVMH, mal einen Abste­cher nach Mal­lor­ca. Sei­ne Yacht wur­de jeden­falls im Hafen schon gesich­tet. Wun­dert der sich nicht auch über die gan­zen Kopien? Also, wenn ich er wäre, ich wür­de einen Tob­suchts­an­fall nach dem Nächs­ten bekom­men.

Wenn das ers­te Gebot des Luxus­mark­tes die Ver­knap­pung ist, dann muss die Flut der Bil­lig-Kopien eine Mar­ke ato­mi­sie­ren. Viel­leicht pas­siert das gera­de. Viel­leicht sind die Chi­ne­sen gar nicht der aus­schlag­ge­ben­de Moment für die Schwä­che der Luxus­mar­ken oder der Krieg in der Ukrai­ne. Viel­leicht will die rei­che Dame, die schon immer ein Fai­ble für teu­re Taschen hat­te, kei­ne Tasche mehr aus­füh­ren, wenn gedacht wer­den könn­te, es han­de­le sich um ein Pla­gi­at.

Wenn die Dame aus einem gol­de­nen Rolls Roy­ce aus­steigt, dürf­te sie über alle Zwei­fel erha­ben sein. Beim Lam­bor­ghi­ni, den man ja auch nicht hin­ter­her­ge­wor­fen bekommt, sieht die Sach­la­ge lei­der schon anders aus. Das wie­der­um hie­ße aber, dass bei „Lam­bo“ in all den Jah­ren irgend­et­was falsch gelau­fen ist und sie irgend­wo gelan­det sind, wo sie gar nicht hin woll­ten. Aber das ist schon wie­der ein ganz ande­res The­ma. Wenn auch ein inter­es­san­tes.

Jür­gen Wolf ist Grün­der und Mas­ter­mind von Home­boy. Er hob das Ska­­­te­­­wear-Label 1988 aus der Tau­fe und gehör­te damit zu den Stree­­t­­­wear-Pio­­­nie­­­ren in Deutsch­land. In den 90er Jah­ren erleb­te Home­boy einen rasan­ten Auf­stieg, in den ver­gan­ge­ne­nen Jah­ren war es fak­tisch vom Markt ver­schwun­den. 2015 hat Wolf die Mar­ke wie­der­be­lebt. Und star­tet mit sei­nem Sohn Juli­an damit durch.

Bei­trä­ge von Jür­gen Wolf