Erbse

Grüne Welle

Nachdem Bordeaux die Farbe der Saison ist, macht sich jetzt Erbsengrün auf den Weg. Der ungewöhnliche Grünton könnte die nächste Erfolgsstory für Herbst 2025 werden.
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Sabi­ne Spie­ler

Echt jetzt, Erb­sen­grün? Jetzt hat die Spie­ler end­gül­tig einen an der Erb­se, mag sich der ein oder ande­re den­ken. Tat­säch­lich galt die­ser Grün­ton bis­lang als nicht ver­mit­tel­bar. Er schaff­te es noch nicht ein­mal von den Trend­fo­ren der Stoff­mes­sen in die Desi­gn­ate­liers der Indus­trie, Geschwei­ge denn in die Show­rooms oder – noch wei­ter her­ge­holt – in die Geschäf­te. Man kann es nicht anders sagen: Der gelb­sti­chi­ge Ton, der eher an den von Erb­sen aus der Dose als aus der Tief­kühl­tru­he erin­nert, war bis dato in den Sor­ti­men­ten ein Loser. Weil er jeder deut­schen Frau das letz­te Quent­chen Far­be aus dem Gesicht zieht, sie fahl und krank aus­se­hen lässt, nicht schö­ner macht, so die geläu­fi­gen Argu­men­te.

Und jetzt? Hört man auf ein­mal Stim­men aus dem Ein­zel­han­del, dass neben Bor­deaux auch Erb­se erstaun­lich gut läuft. Und das kei­nes­wegs nur in pro­gres­si­ven oder ver­ti­ka­len Sor­ti­men­ten, son­dern sogar in der Strick-Stamm­ab­tei­lung, wo Erb­sen­grün dem „Normalo“-Pullover offen­sicht­lich einen Hauch von fri­schem Anstrich ver­leiht. Und der Kun­din das Gefühl gibt, etwas zu kau­fen, was sie noch nicht in dut­zend­fa­cher Aus­füh­rung im Klei­der­schrank hat.

Damit sind wir wie­der an dem Punkt, dass die Kun­din­nen der­zeit offen­sicht­lich Lust an erkenn­bar Neu­em haben, auf etwas, was es bis­lang noch nicht in der Form gege­ben hat. Als Guc­ci-Chef­de­si­gner Saba­to de Sar­no im März in Mai­land Oxblood als neue Trend­far­be für die Moden­schau in Mai­land prä­sen­tiert hat, hat er sich ver­mut­lich mehr erhofft als nur blo­ßer Ideen­ge­ber für die Mode­welt zu sein. Wirt­schaft­lich hat er den Nie­der­gang von Guc­ci bis­lang nicht auf­hal­ten kön­nen. Doch der Markt ist ihm zu tie­fem Dank ver­pflich­tet: Vor allem für Strick, Leder und Acces­soires ist der tief­dunk­le Rot­ton häu­fig schon ver­grif­fen. Nahe­zu jedes kirsch­ro­te Taschen­mo­dell des Auf­stei­ger-Labels Polè­ne ist aus­ver­kauft. Dun­kel­ro­te Nägel sind in jedem Mani­kür-Stu­dio auf Platz eins.

Was hat Dun­kel­rot bit­te mit Erb­sen­grün zu tun, mögen sich jetzt man­che fra­gen. Die Ant­wort ist sim­pel: Bei­des waren bis dato Außen­sei­ter, hat­ten den Ruf, schwie­ri­ge Far­ben zu sein. Die Frau­en scheint das nicht zu küm­mern. Sie haben Lust dar­auf. Geht nicht gibt’s nicht. Das spricht für ein neu­es Selbst­be­wusst­sein und das Bedürf­nis, sich ent­spre­chend anders aus­zu­drü­cken.

Für die nächs­te Sai­son wird die Her­aus­for­de­rung für die Krea­ti­ven sein, den rich­ti­gen Erb­sen­ton zu fin­den – und ihn auf den für ihn pas­sen­den Mate­ria­li­en und Tex­tu­ren umzu­set­zen. Far­be und Stoff­lich­keit las­sen sich nicht mehr von­ein­an­der tren­nen. Erb­sen­grün von den Mood­boards run­ter­zu­wer­fen, wäre jeden­falls die schlech­tes­te Idee – und Beweis, dass man immer noch zu sehr in sei­nem „Erfah­rungs­ge­fäng­nis“ fest­steckt.

Sabi­ne Spie­ler beschäf­tigt sich seit mehr als 20 Jah­ren mit Mode, Trends und Sor­ti­men­ten aus der Sicht aller, die Mode nicht nur als Enter­tain­ment, son­dern in ers­ter Linie als Busi­ness sehen. Dass Trends nur dann eine Chan­ce haben, wenn sie kom­mer­zi­ell funk­tio­nie­ren, hat sie als lang­jäh­ri­ge Redak­teu­rin der Tex­til­Wirt­schaft gelernt. Heu­te arbei­tet sie als Mode Con­sul­tant für Unter­neh­men und ist freie Autorin u.a. für die FAZ. www.sabine-spieler.com

Bei­trä­ge von Sabi­ne Spie­ler