Echt jetzt, Erbsengrün? Jetzt hat die Spieler endgültig einen an der Erbse, mag sich der ein oder andere denken. Tatsächlich galt dieser Grünton bislang als nicht vermittelbar. Er schaffte es noch nicht einmal von den Trendforen der Stoffmessen in die Designateliers der Industrie, Geschweige denn in die Showrooms oder – noch weiter hergeholt – in die Geschäfte. Man kann es nicht anders sagen: Der gelbstichige Ton, der eher an den von Erbsen aus der Dose als aus der Tiefkühltruhe erinnert, war bis dato in den Sortimenten ein Loser. Weil er jeder deutschen Frau das letzte Quentchen Farbe aus dem Gesicht zieht, sie fahl und krank aussehen lässt, nicht schöner macht, so die geläufigen Argumente.
Und jetzt? Hört man auf einmal Stimmen aus dem Einzelhandel, dass neben Bordeaux auch Erbse erstaunlich gut läuft. Und das keineswegs nur in progressiven oder vertikalen Sortimenten, sondern sogar in der Strick-Stammabteilung, wo Erbsengrün dem „Normalo“-Pullover offensichtlich einen Hauch von frischem Anstrich verleiht. Und der Kundin das Gefühl gibt, etwas zu kaufen, was sie noch nicht in dutzendfacher Ausführung im Kleiderschrank hat.
Damit sind wir wieder an dem Punkt, dass die Kundinnen derzeit offensichtlich Lust an erkennbar Neuem haben, auf etwas, was es bislang noch nicht in der Form gegeben hat. Als Gucci-Chefdesigner Sabato de Sarno im März in Mailand Oxblood als neue Trendfarbe für die Modenschau in Mailand präsentiert hat, hat er sich vermutlich mehr erhofft als nur bloßer Ideengeber für die Modewelt zu sein. Wirtschaftlich hat er den Niedergang von Gucci bislang nicht aufhalten können. Doch der Markt ist ihm zu tiefem Dank verpflichtet: Vor allem für Strick, Leder und Accessoires ist der tiefdunkle Rotton häufig schon vergriffen. Nahezu jedes kirschrote Taschenmodell des Aufsteiger-Labels Polène ist ausverkauft. Dunkelrote Nägel sind in jedem Manikür-Studio auf Platz eins.
Was hat Dunkelrot bitte mit Erbsengrün zu tun, mögen sich jetzt manche fragen. Die Antwort ist simpel: Beides waren bis dato Außenseiter, hatten den Ruf, schwierige Farben zu sein. Die Frauen scheint das nicht zu kümmern. Sie haben Lust darauf. Geht nicht gibt’s nicht. Das spricht für ein neues Selbstbewusstsein und das Bedürfnis, sich entsprechend anders auszudrücken.
Für die nächste Saison wird die Herausforderung für die Kreativen sein, den richtigen Erbsenton zu finden – und ihn auf den für ihn passenden Materialien und Texturen umzusetzen. Farbe und Stofflichkeit lassen sich nicht mehr voneinander trennen. Erbsengrün von den Moodboards runterzuwerfen, wäre jedenfalls die schlechteste Idee – und Beweis, dass man immer noch zu sehr in seinem „Erfahrungsgefängnis“ feststeckt.
Sabine Spieler beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit Mode, Trends und Sortimenten aus der Sicht aller, die Mode nicht nur als Entertainment, sondern in erster Linie als Business sehen. Dass Trends nur dann eine Chance haben, wenn sie kommerziell funktionieren, hat sie als langjährige Redakteurin der TextilWirtschaft gelernt. Heute arbeitet sie als Mode Consultant für Unternehmen und ist freie Autorin u.a. für die FAZ. www.sabine-spieler.com