Nicht nur die Krawalle werden nicht übertragen, auch sonst registrieren die UEFA-Kameras nicht alles Wesentliche, was im Stadion so geschieht. Zum Beispiel wie Jogi Löw sich beim Ukraine-Spiel in den Schritt gegriffen oder – wie ein Scherzkeks twitterte – „sein Mittelfeld neu geordnet“ hat. Ob das passiert ist, nachdem unser neuer Lieblings-Nachbar Boateng gegen sich selbst gerettet hat? Schließlich kam es vor seinem spektakulären Fallvorzieher zum Ballkontakt unterhalb der Gürtellinie, wie Boateng gestern im SZ-Interview enthüllte. „Es ist passiert, natürlich tut es mir leid, man ist voller Adrenalin“, versuchte sich der Bundestrainer derweil aus der Affäre zu ziehen. „Das kann man irgendwie gar nicht bewußt wahrnehmen. Ich versuche, mich anders zu verhalten.“ Vielleicht sollte er dann auch das Nägel- und Kaugummi-Kauen lassen. Gegen Polen ging es denn auch deutlich gesitteter zu. Und langweiliger.
Löws Fauxpas wurde den deutschen Zuschauern vorenthalten, unübersehbar waren dagegen die neuen Outfits des deutschen Trainergespanns. Das sah sich nach dem Ukraine-Spiel ungewohnter Kritik ausgesetzt. „Im Schlafanzug durch die Coachingzone“, monierten etwa die Stil-Richter von Focus Online. Statt gewohnt körperbetontem Schnitt ein graues Shirt mit Kartoffelsack-Passform aus Sofakissen-Stoff – dieses Stilexperiment könne Löw den Nimbus des Style-Influencers kosten. Dass sich dann überdies mächtige Schweissflecken unter Löws Achseln abzeichneten, macht den Style-GAU komplett. Anders als bei Pep Guardiolas Jubelfaserriss im Spiel Bayern gegen Porto ist Löws Ausstatter bekannt: Hugo Boss muss das Testimonial-Eigentor verkraften. Dabei war vermutlich Nivea die Marke, die versagt hat.
Was gibt es bei der EM sonst aus modischer Sicht anzumerken? Die Uniformität der Trikots zwingt zu maximaler Individualität bei den Frisuren. Am buntesten treiben es in dieser Hinsicht die Belgier. Das Frisuren-Powerplay sieht nicht immer vorteilhaft aus. Für die Kamera-Totale kommt es halt auf plakative Wirkung an. In der Zeitlupe kommen dann aber auch die Tattoos sehr schön zur Geltung. Die hat inzwischen jeder, ebenso wie Gesichtsbehaarung. Die Bart-Dichte auf dem Rasen ist annähernd so hoch wie in den Hippster-Bars von Berlin-Mitte. Und die Spielerfrauen? „Wo waren eigentlich unsere Spielerfrauen?“ monierte Gala in seiner EM-Nachberichterstattung. Die machen sich wahrscheinlich schon fürs Finale die Nägel schön.
Apropos Eitelkeit: Nach dem gefühlten Sieg Islands über Portugal (1:1) und der beleidigten Reaktion von Superstar Cristiano Ronaldo hat die norwegische Handelskette Europris dessen CR7-Unterhosenline zur Strafe zum halben Preis verramscht. "Ich glaube trotzdem nicht, dass irgendjemand sie gekauft hat", kommentierte Europris-Manager Pål Wibe die Preisaktion kichernd. Es gibt in diesen Tagen halt Wichtigeres als das Geschäft.
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