Das Manager-Magazin hatte das Gerücht schon vor Monaten aufgebracht, es war als unwahrscheinlich gewertet worden, doch jetzt scheint es zur Gewissheit zu werden: Claus-Dietrich Lahrs soll neuer Chef bei S.Oliver werden. Das berichtet die TW zwar noch im zarten Konjunktiv, aber man darf davon ausgehen, dass die Meldung durch entsprechende Quellen abgesichert ist. Den Anstoß zur Publikation wird Lahrs Abschied von Bottega Veneta gegeben haben, den der Kering-Konzern diese Woche verkündet hat.
Dass der seit Monaten nach einem neuen CEO fahndende Bernd Freier sich um Claus-Dietrich Lahrs bemüht hat, kann man gerne glauben. Schließlich handelt es sich bei dem ehemaligen Hugo Boss-CEO um einen der wenigen deutschen Modemanager von wirklich internationalem Format – aus Sicht des S.Oliver-Inhabers die größtmögliche Trophäe für seine auch so schon respektable CEO-Sammlung.
Die eigentliche Überraschung ist, dass Lahrs sich offenbar für S.Oliver entschieden hat. Das Schicksal seiner Vorgänger wird ihm nicht verborgen geblieben sein. Ausschlaggebend dürften nicht nur Freiers Charme oder das kolportierte Millionengehalt oder die nervige Pendelei von seinem schwäbischen Wohnort nach Italien gewesen sein, sondern insbesondere der Reiz der großen Aufgabe: die Erfolgsgeschichte von S.Oliver weiterzuschreiben und das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Die strategischen Baustellen heißen Branding, Vertikalisierung, Internationalisierung und Digitalisierung. Der Handlungsdruck in dem rapide sich verändernden Konsum- und Wettbewerbs-Umfeld ist enorm, die Erfolgsaussichten sind bei dem solide aufgestellten Konzern zugleich besser als anderswo.
Nun hat Lahrs seine Karriere nicht in dem Markt verbracht, in dem S.Oliver sein Geld verdient. Die Distanz zwischen Rottendorf und Mailand oder Paris ist in jeder Hinsicht gewaltig. Darin liegt ein Risiko, es kann aber auch ein Vorteil sein. Lahrs wird anders auf dieses Unternehmen blicken als seine Vorgänger. Er wird womöglich andere Fragen stellen. Und er wird anders agieren. Dass das in Rottendorf manchen nervös macht, ist nachvollziehbar.
Bei Hugo Boss hat Claus-Dietrich Lahrs sich als erfolgreicher Exekutor einer konsequenten Wachstumsstrategie bewiesen. Dort hatte er es mit nüchtern kalkulierenden Finanzinvestoren zu tun und entsprechende Freiräume. In Rottendorf trifft er auf einen emotional agierenden Gründer, der gerne mal im Tagesgeschäft mitmischt. Ob Lahrs Erfolg hat, wird nicht nur davon abhängen, wie der 72jährige Hauptgesellschafter und sein neuer Geschäftsführer ihr Binnenverhältnis geregelt haben. Sondern vor allem wie dieses Binnenverhältnis gelebt wird.
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