Wenn sich die kreative Klasse trifft, erwartet man dieser Tage geradezu politische Statements. Das war bei den Golden Globes so, wo die laut Trump „überbewertete“ Meryl Streep kräftig gegen den US-Präsidenten ausgeteilt hat, und das wird wohl auch am Sonntag so sein, wenn in L.A. die Oscars verliehen werden. Auch von den internationalen Designerschauen gehen nicht nur modische, sondern explizit politische Signale aus. Kaum eine Show, die ohne Botschaft auskommt, gedruckt auf T‑Shirts oder Accessoires: „I am an Immigrant“, „No ban, no wall“, „Revolution has no borders“, „We are all humans“, „Make America New York“ und so weiter. Moderedakteure und Einkäufer waren am New Yorker Catwalk mehr mit Lesen beschäftigt als mit den vorbeiziehenden Kleidern. Raf Simons machte es bei seiner Calvin Klein-Premiere subtiler und ließ „This is not America“ von David Bowie auflegen.
Aber auch abseits des Laufstegs geht eine Welle von liberalen Bekenntnissen durchs Modevolk. In Berlin zeigten TalbotRunhof schon vor fünf Wochen „Not my president“- und „She won more votes“-Shirts. Ein tolles Statement ist der neue Claim, den Jeff Bezos seiner Washington Post verpasst hat: „Democracy dies in Darkness“. Der Titel von Diesels knalliger neuer Werbekampagne ist #makelovenotwalls. Und BoF-Gründer Imran Amed forderte die Branche auf, ein weißes Protest-Bandana zu tragen, was denn auch prompt ein paar Models in New York getan haben.
So viel Politik war nie, und sei es auch nur in Form von Trittbrettfahrerei wie bei Wolfgang Joop in Mailand. „Die aktuellen Ereignisse verändern uns alle. Es ist an der Zeit, erwachsen zu werden“, erzählte er der dpa. „Schließlich sollen japanische Kirschblütendrucke symbolisieren, dass die Gesellschaft erwachen soll“, schreibt die Agentur weiter. „Verfremdete Camouflage-Muster, Hoodies und die bei vielen Models vermummten Gesichter rufen dazu auf, für die Freiheit und den Liberalismus zu kämpfen.“ Hä? Seltsame Blütenträume eines Designers… oder eines Autors, der den Künstler nicht verstanden hat.
„Modeleute machen Mode, sie sind keine Politiker“, postulierte Karl Lagerfeld dagegen in üblicher provokanter Klarheit. Donald Trump sei ein demokratisch gewählter Präsident, „also müssen die Leute mit ihm leben.“ Melania sei eine sehr nette Frau und ziemlich gutaussehend. „Toller Körper, oder? Und diese Ivanka ist ziemlich süß, oder?“
Hinter den Protestaktionen der Kreativen steckt einerseits anhaltende Fassungslosigkeit über den Ausgang der Wahlen bzw. den durch Trump vorangetriebenen reaktionären Backlash sowie echte Angst um die liberalen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte – Freiheit, Toleranz, Vielfalt. Andererseits macht sich so ein plakativ zur Schau gestelltes soziales Engagement ganz gut bei der Zielgruppe und bringt viele Clicks auf Instagram. Last but not least drohen dem Modebusiness handfeste wirtschaftliche Nachteile durch Trumps America First-Politik. Diese Branche ist wie kaum eine andere global vernetzt und auf den freien Verkehr von Produkten und Talenten angewiesen. Insbesondere das Luxus-Geschäft lebt von Touristen und leidet unter Unsicherheit.
Dass die Mode selbst nur in freien Gesellschaften gedeiht, hat Alfons Kaiser (FAZ) mal sehr schön auf den Punkt gebracht: „Mode ist ein Ausdruck von Freiheit. Modische Vielfalt heißt für mich, dass eine Gesellschaft in ihrem Inneren frei ist. Unfrei heißt, dass es Uniformen gibt. Mode ist ein Gradmesser für Freiheit einer Gesellschaft.“