Es wirkt wie Hollywoods höhnischer Kommentar zum Karneval. Heute startet "50 Shades of Grey" in den Kinos. Ausgerechnet! An Weiberfastnacht, dem Tag, an dem scherenbewaffnete Rheinländerinnen die Männer symbolisch ihrer Männlichkeit berauben, zeigt ein Prachtbursche seiner devoten Gespielin, wo der Hammer hängt. Sie ist bekanntlich nicht die Einzige, die das reizvoll findet. 100 Millionen Mal haben sich die Bücher von E.L. James verkauft.
Christian Grey führt seine Krawatte dabei einer naheliegenden Nutzung zu. Der Protagonist der Mommy Porn-Verfilmung rückt damit ein Kleidungsstück ins Rampenlicht, das in den letzten Jahren zunehmend ins Abseits geraten ist. Das macht ihn zu einem heißen Kandidaten für den "Krawattenmann des Jahres". Der Mainstream fühlt sich mit offenem Hemdkragen up to date, da mögen die Modeleute noch so sehr das Comeback des Binders propagieren. Wenn die Söhne heute gelegentlich aus modischen Erwägungen Schlips tragen, dann handelt es sich um eine ziemlich kümmerliche Absetzbewegung von den Vätern, die oben ohne kultiviert haben. Eine der letzten Schlips-Bastionen wird gerade von den Griechen geschleift – Tsipras und Varoufakis setzen sich nicht nur über europäische Verträge, sondern auch über die diplomatische Kleiderordnung hinweg. Die Krawatte fristet zunehmend ein Nischendasein als Berufsbekleidung für Banker und Anwälte. Spätestens seit der Finanzkrise taugt sie nicht einmal mehr als Seriositätsausweis. In der New Economy zählen andere Codes. Im Silicon Valley kommt man eher an Venture Capital, wenn man Adiletten trägt.
In einer Outdoor-Jacke hätte Christian Grey allerdings wohl kaum eine solche Faszination auf Anastasia Steele ausgeübt. Er braucht die Krawatte wie auch andere klassische Insignien der Männlichkeit. Wo das Informelle dominiert, hat das Strenge erst recht seinen Reiz.
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