Den Blitzeinschlag, der das Bread & Butter Opening sprengte, mochten manche als Menetekel sehen. Hat die Messe ihren Zenit überschritten? Zürnt jetzt sogar Petrus mit all den abgewiesenen Brands und den 500 Euro-Besuchern? Ist die Berliner Party vorbei?
Tatsächlich war die Frequenz in Tempelhof gefühlt schwächer. Zumindest am Dienstag. Bis Donnerstag soll es nicht besser geworden sein. Ob das nun eine Folge von Karl-Heinz Müllers neuer entry policy war oder nicht – sagt es wirklich so viel über die Qualität dieser Veranstaltung aus, ob dort 10.000 Menschen mehr oder weniger rumlaufen? Dass erneut Aussteller wegblieben, dürfte mit Kosten/Nutzen-Abwägungen vor dem Hintergrund international rückläufiger Geschäfte zu tun haben. Was der Bread & Butter und auch den anderen Berliner Veranstaltungen wirklich gefährlich werden kann, ist das zwanghafte Bedürfnis der Branche nach permanenter Aufregung und Abwechslung.
Die hervorragend gemachte Bestseller-Halle war übrigens ein Gewinn für Tempelhof. Und natürlich auch für den dänischen Vertikalen, der von Frequenz und Markenumfeld profitierte. Bestseller zeigte die Trends für Auslieferung Herbst, die die anderen Anbieter erst zum Frühjahr an den POS bringen werden. Damit verdient der Handel Geld. Die Frequenz links außen war denn auch zeitweise höher als in der viel gelobten Authentizitäts-Ausstellung auf der rechten Seite des Flughafens.
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Nicht auf der Panorama gewesen zu sein, war wohl ein Fehler. Die Messe am anderen Berliner Flughafen erhielt allenthalben gute Kritiken. Auch wenn die Anreise nach Brandenburg unwesentlich kürzer ausfällt als der Flug von Tegel nach Düsseldorf, scheint das Konzept angenommen zu werden.
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Auf der Premium war am Dienstag gut zu tun. Die Zwangsführung à la Ikea nervt ein wenig, aber so verpasst man immerhin kein Angebot. Negativ aufgestoßen ist vielen Besuchern, dass etliche Aussteller am Donnerstag bereits früh ihre Zelte abbrachen. Andererseits weiß man so aber auch, wo es lief und wo nicht.
Einen ordentlichen Medienrummel verursachte Superstar Pharell Williams mit seinem Parley-Engagement. Alle Mitwirkenden versicherten sich gegenseitig, dass sie die Weltmeere vor noch mehr Plastikmüll bewahren wollen. Gegen so eine Initiative kann ja nun wirklich keiner sein, auch wenn ein Auftritt auf der Düsseldorfer Interpack mehr Sinn ergeben hätte. Holzen wir also noch ein paar Wälder mehr für Papiertüten ab. Und machen Hosen aus zerquetschten PET-Gebinden und Williams damit noch reicher. Denn der hat sein ersungenes Geld in eine Recycling-Firma investiert.
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Berlin ist nur vordergründig eine Bühne für die Mode. Vor allem ist die Stadt eine modische Kulisse für Inszenierung und Positionierung aller möglichen Unternehmen. Das fängt bei der Samsung Designer Soirée an und hört bei der Mercedes Benz Fashion Week auf. P&C und Hess Natur feierten sich als die Nachwuchsförderer, die sie ja auch sind. Und natürlich war das gigantische Medien-Event Berlin voller Events von Medien: Interview, Grazia, Zeit, Vogue, GQ, Bild, Gala, Brand Media mit Madame & Co – sie alle luden zu Parties und Empfängen, Burda verkündete den Launch von Harper's Bazaar. Am Ende macht all das zusammen aber auch den Reiz der Fashion Week aus.
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Und die Schauen? Werden von den Einkaufs-Profis immer noch nicht ernst genommen. Und das ist auch gar nicht schlimm. Die Mercedes Benz Fashion Week ist ein Showcase für Marken, Medien und Endverbraucher, ein B2C-Spektakel, das dem Marketing und nicht dem Einkauf dient.
Die Einkäufer kommen wegen der Messen nach Berlin. Ein paar wurden aber auch am Brandenburger Tor gesehen, insbesondere am Donnerstag. Denn da zeigten etablierte Größen wie Schumacher, Laurèl und Marc Cain. Um deren Kollektionen zu sichten, braucht es keinen Catwalk. Aber schön war's trotzdem.
Die beste Show der Woche soll dagegen Achtland gewesen sein. Zumindest erzählen das alle, die am Dienstag dabei gewesen sind. Bis das Label seinen Weg in die Sortimente findet, wird es aber trotzdem dauern. Dass die Profis die Berliner Newcomer weitgehend ignorieren, ist ein viel beklagter, aber nachzuvollziehender Umstand. Schuld daran ist nicht etwa der Handel, sondern das sind letztlich die Kunden. Wer viel Geld für Mode ausgibt, sucht in aller Regel große, internationale Namen oder wenigstens herausragende Qualität. Mit ersterem können die Berliner Labels nicht, mit zweiterem vielfach nur eingeschränkt dienen. Ganz abgesehen davon arbeiten sie stilistisch oft am Markt vorbei. Die Zurückhaltung der Einkäufer ist also nachvollziehbar. Der Markt verzeiht kaum Fehler, und das Risiko, mit einer Order in Berlin daneben zu liegen, ist weitaus größer als die Chance, mal einen Treffer zu landen. Also guckt man gar nicht erst hin. Oder fährt gleich nach Paris oder Mailand.
Den Designern kann man nur raten, dranzubleiben, jedes Mal ein bisschen besser zu werden, auf kommerzielle Verständlichkeit zu achten und Geduld und Kraft mitzubringen. Die Szene wird sich noch sortieren. Aber Berlin und seine Protagonisten werden eines Tages einen festen Platz in der Modewelt einnehmen.
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