…ist herbei geredet. Jedenfalls weitgehend. Schon eher hat sich auf dem Berliner Rummelplatz ein gewisser Gewöhnungseffekt breitgemacht. Wenn überhaupt, dann ist das ein Luxusproblem. Business-as-usual ist immer noch Business. Seien wir froh, dass wir mit der Bread & Butter, der Premium und all den anderen Berliner Veranstaltungen den weltweit größten Mode-Messeplatz in Deutschland haben. Denn davon profitiert letztlich die gesamte hiesige Modebranche.
Natürlich blieben das unbefriedigende Frühjahrsgeschäft in Deutschland und die Turbulenzen in vielen EU-Märkten nicht ohne Wirkung auf Besucher-Frequenz und Stimmung in Berlin. Fakt ist auch, dass eine ganze Reihe von Ausstellern diesmal nicht auf der Bread & Butter waren. Allen voran Levi’s, aber auch Miss Sixty, Bench, Calvin Klein Jeans und Custo. Diesel, Replay und Meltin Pot sind schon länger nicht mehr vertreten. Dafür kamen Mainstream-Marken wie Alberto, Strellson und Tom Tailor. Vor einem halben Jahr hatten Tom Tailor-Mitarbeiter noch Mühe, überhaupt Zugang zur Messe zu bekommen, jetzt ist die ganze Firma da. Gut möglich, dass neben den Absagen von Ausstellern auch die Ansage der neuen Messe Panorama Müller veranlasste, die Schleusen zum Flugfeld in Tempelhof etwas weiter zu öffnen. Wenn sie es sich aussuchen könnten, dann würden wohl die meisten Brands dem ehemaligen Flughafen den Vorzug gegenüber dem künftigen Airport geben.
Puristen mögen darin einen Qualitätsverfall sehen. Aber das ist lediglich der Lauf der Dinge. Tempelhof ist nun mal etwas anderes als der Eckige Rundbau in Köln, wo Karl-Heinz Müller und seine Mitstreiter vor elf Jahren die Bread & Butter starteten. Damals profilierte sich die Tradeshow als hippe Alternative zur mainstreamigen Interjeans. Die Bread & Butter bezog ihren Reiz aus einer strikt selektiven Türpolitik und ihren Charme aus einem gleichberechtigten Nebeneinander von großen Weltmarken und authentischen Nischen-Brands. Dieses Konzept hat Müller dann auf weitaus größerer Fläche im Spandauer Kabelwerk umgesetzt. In Barcelona hielten dann bereits die ersten Standburgen Einzug. Spätestens mit dem Umzug nach Tempelhof ist aus der Bread & Butter eine Demonstration der Markt-Machtverhältnisse geworden. Der Temple of Denim, den Karl-Heinz Müller in diesem Sommer erstmals installierte, ist der durchaus gelungene Versuch, den authentischen Kern der Bread & Butter, die Denim-Kultur, zu bewahren und zu betonen.
Ein weiterer Aspekt ist nicht zu vernachlässigen: Die Bread & Butter war als Nischen-Veranstaltung anfangs nicht nur die authentischere, sondern zugleich die billigere Alternative. Mit der schier unendlichen Fläche von Tempelhof hielt ein Gigantismus Einzug, der die Messe-Kosten für die großen Marken explodieren ließ. Das musste früher oder später die Controller auf den Plan rufen. Und bevor ein Aussteller seinen Stand verkleinert, bleibt er lieber ganz von der Messe weg, dann muss man nicht so viele Fragen beantworten. Der Gewöhnungseffekt kommt dazu. Die Wanderzirkus-Idee, die Karl-Heinz Müller anfangs vorschwebte, war diesem Drang nach permanenter Aufregung geschuldet. Er kennt seine schnell gelangweilten Pappenheimer. Das Gerücht über einen Umzug nach Istanbul ist vor diesem Hintergrund zu sehen.
Das kommerzielle Rad wird sich nicht mehr zurückdrehen lassen. In Authentizität zu sterben, ist keine Option. Die Messe funktioniert nur, wenn sie Geld verdient. Die Bread & Butter ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte und der Nukleus der Modestadt Berlin. Das sollten wir pflegen und nicht kleinreden.
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