Während sich in der Politik die Rücktritte häufen – Horst Köhler (zu früh), Christian Wulff (zu spät) – sorgen in der Mode spektakuläre Comebacks für Schlagzeilen. Erst hat sich Wolfgang Joop bei einem Joop!-Event in Berlin verplappert, so dass alle jetzt von einer Wiedervereinigung von Marke und Designer ausgehen. Und jetzt macht Jil Sander bei Jil Sander wohl auf großen Bellheim. Wir erinnern uns: das war dieser TV-Mehrteiler, in dem eine Rentner-Truppe ein heruntergewirtschaftetes Kaufhausunternehmen wieder nach vorne brachte. Die Modemarke, mittlerweile im Besitz des japanischen Onward-Konzerns, steht zwölf Jahre nach dem Ausstieg der Gründerin mehr schlecht als recht da. Jil Sander-Kreativchef Raf Simons, stilistisch an sich ein kongenialer Interpret des minimalistischen Jil Sander-Stils, wurde von der Fachwelt und den Medien für seine Arbeit hochgelobt. Für große Umsatz-Sprünge hat er aber nicht sorgen können, im Gegenteil. Jil Sander setzte nach den zuletzt veröffentlichten Zahlen gerade mal noch 100 Mill. Euro um, im Jahr 2000 waren es noch über 130 Mill. Euro. Das Unternehmen schrieb bald zehn Jahre lang Verluste. Jetzt scheidet Simons aus, was die seit längerem kursierenden Spekulationen um eine Rückkehr der 68jährigen Gründerin zusätzlich angeheizt hat. Unklar ist freilich, ob Simons geht, weil Sander kommt. Oder ob Sander kommt, weil Simons geht. Angeblich steigt der belgische Designer als neuer Kreativer bei Dior ein. Stilistisch ist der Belgier auf einem völlig anderen Trip als der geschasste John Galliano („I love Hitler“). Darin läge aber womöglich gerade der Reiz eines Engagements bei der LVMH-Tochter. Nächste Woche, wenn in Paris die Fashion Week startet, werden wir es erfahren. Ob Jil Sander das Ruder bei Jil Sander herumreissen kann, wird man ebenso sehen. Der Einzelhandel jubelt schon mal. „Für mich wäre das ein Halleluja“, zitiert die TW Albert Eickhoff. „Niemand konnte Jil Sander so gut wie sie selbst.“ Das stimmt natürlich. Die Modewelt hat sich seit den 90er Jahren trotzdem weitergedreht. Auch Michael Schumacher fährt nach seinem Rücktritt vom Rücktritt meist hinterher.
Ganz sicher wird die Rückkehr der Queen of Less für Aufmerksamkeit sorgen und Jil Sander wieder in die Medien bringen. Ähnlich wie bei dem scheuen Raf Simons sind von ihr nicht allzu viele Interview zu erwarten. Gottseidank möchte man sagen. Der FAZ erklärte sie ihre Arbeitsweise vor Jahren wie folgt: „Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils.“ Für das Zitat wurde Jil Sander 1997 vom Verein Deutscher Sprache mit dem Titel „Sprachpantscher des Jahres“ bedacht.
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