In Berlin ist diese Woche nicht nur ein Bürgermeister von seinem Amt, sondern auch ein Messemacher von seiner Entscheidung zurückgetreten. Karl-Heinz Müller ließ verkünden, dass die Bread & Butter nun doch nicht nach Barcelona geht, sondern im Januar in Berlin bleibt. Warum nur überrascht uns das nicht? Wenige Wochen nach der Absage der Publikumsöffnung sagt Karl-Heinz Müller ein weiteres Mal ein groß angekündigtes Vorhaben ab. Der Gegenwind aus der Branche war zu stark. Müller zeigt Nerven. Das Hin und Her schadet seiner Glaubwürdigkeit. Die Entscheidung ist trotzdem gut so, für den Messestandort Berlin wie für den Modestandort Deutschland.
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Zu einem Rückzieher sah sich auch Zara gezwungen. Die blau gestreiften Shirts mit dem gelben Sheriffstern sorgten weltweit für Empörung. Die Spanier nahmen die "KZ-Tops" schnell vom Markt und entschuldigten sich per Twitter. Erst vor wenigen Tagen musste Zara T‑Shirts mit dem Aufdruck "White is the new Black" aus dem Verkehr ziehen. Ein Spruch, der wohl den aktuellen Schwarz-Weiß-Trend thematisieren soll, dummerweise aber auch rassistisch interpretiert werden kann und zumal vor dem Hintergrund der Ereignisse in Ferguson besonders unpassend erscheint. Da hat in La Coruna einer wohl nicht weiter nachgedacht. Jedenfalls steht kaum zu vermuten, dass dort jemand den hervorragenden Beitrag von Bodo Mrozek in der Welt gelesen hat, der sich mit dem "neuesten Zombie im Katalog der Modesünden" beschäftigt: dem Nipster – Nazis im Hipster-Look. Zaras Shirtgate ist Wasser auf die Mühlen derer, die Mode für eine oberflächliche Angelegenheit und Designer für eine ausschließlich ästhetisch motivierte, aber intellektuell tiefergelegte Spezies halten.
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Ebenfalls durch aktuelle Ereignisse bedroht sieht sich der britische Wäschefilialist Ann Summers. Der verkauft in seinen Läden Ware unter dem Namen "Isis". Slips und Büstenhalter, ausgerechnet. Die Marke "Isis" sei jedoch nach der ägyptischen Fruchtbarkeitsgöttin benannt, ließen die Briten verlauten. Sollen die im Irak sich doch umbenennen.
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Und dann war diese Woche noch Zalando rauf und runter. Die Medien belegten den mit ziemlicher Sicherheit anstehenden Börsengang mit Sperrfeuer. Allen voran die Wirtschaftswoche ("Drei glorreiche Halunken") und das ZDF mit seiner Frontal 21-Reportage. Die brachte die bekannten Fakten und Vorurteile zu den Samwers, Rocket Internet und Zalando so flott wie holzschnittartig verpackt auf den Schirm: Aggressive Kopisten. Unfaire Geschäftspraktiken. Fehlende Mitbestimmung. Niederlassungen in Steueroasen. Und dann auch noch Subventionen kassieren! Als würde die Old Economy auf solche Möglichkeiten verzichten, wenn sie sich bieten. Oliver Samwer kam mit seinem Haifischlächeln und der Bohlenesken Stimme allerdings ziemlich unglücklich rüber. War wohl wenig Zeit für Medientraining. Otto-Sprecher Thomas Voigt beanstandete in einem Blog-Beitrag die Gleichsetzung von E‑Commerce mit Rocket/Zalando und die Inszenierung Samwers als "Revolutionär des internationalen Einzelhandels, der den alten Knaben Mores lehrt". Als gebe es keinen Jeff Bezos. Und keinen Otto. Zur Einordnung empfehle ich die Profashionals-Serie Online Handeln. Pünktlich zum Insights Day für die Presse am Donnerstag meldete Zalando übrigens erstmals schwarze Zahlen.
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