Natürlich sind es widersprüchliche Signale, die der Einzelhandel aktuell sendet. Dr.Christmas und Mr.Sale, wie Aziza Freutel in der TW sehr schön schreibt. Wir freuen uns an stimmungsvoll dekorierten Schaufenstern und Fußgängerzonen. Und dann schreien uns die Rabattangebote in den Zeitungen an. In den Läden tönen besinnliche Weihnachtsmelodien. Und aus dem Radio plärrt es „20 Prozent auf alles“. Übers Internet erreichen uns krawallige Mails (sofern die Telekom liefert). Und zugleich rühren uns wunderbare Christmas-Clips auf Youtube zu Tränen.
Der Weihnachtsfilm ist ja inzwischen zur eigenen Kunstform geworden. Es war wohl John Lewis in Großbritannien, der als Erster damit so richtig groß rauskam. Edeka hat dann mit „Heimkommen“ den definitiven Überhit gelandet, der inzwischen weit über 50 Millionen Mal angeschaut wurde. Jetzt meint jeder, eine ähnlich sentimentale Geschichte erzählen zu müssen, in der Hoffnung einen viralen Hit zu landen. So viel Glöckchenklingeln war nie im Netz. Der Beweis, dass die Tränendrüsendrückerei auch die Kassen zum Klingeln bringt, steht noch aus.
Schätzungsweise 7 Millionen Pfund hat allein die aktuelle Kampagne von John Lewis gekostet, ein etwas sehr konstruierter Zweiminüter um den Trampolin springenden Boxer Buster. Immerhin: Auf so eine Idee muss man erst mal kommen. H&M setzt mit Regisseur Wes Anderson und Hollywood-Star Adrian Brody auf ganz großes Kino. So schön kann Bahnfahren sein, wenn man mal nicht den ICE nimmt. Gesellschaftlich relevant geben sich Amazon und Lidl. Der Online-Gigant wagt sich an das Thema Religion mit einem Priester und einem Iman, die sich gegenseitig beschenken. Und der Discounter lässt in seinem Musikvideo gendergerecht Santa Clara gegen einen arroganten Macho-Santa Claus antreten. Edeka sorgt im übrigen erneut für Kontroversen, nur anders als beabsichtigt: Das in „Zeitschenken“ zufällig vorkommende Autokennzeichen MU-SS 420 ließ bei manchen Betrachtern Nazi-Assoziationen aufkommen (wegen des SS und des Führergeburtstages 20. April). Auch darauf muss man erstmal kommen. Immerhin wurde der Film sehr aufmerksam angesehen.
Und dies sind meine drei Lieblings-Clips der Saison:
Verreisen statt Heimkommen. In dem großartigen Clip der polnischen Internet-Auktionsplattform Allegro lernt Opa Englisch, um seinem Enkel guten Tag sagen zu können.
Abenteuer in Heathrow: Goldiges Generationendrama um zwei betagte Teddybären, die ihre Familie besuchen.
https://www.youtube.com/watch?v=TliScsnagc4
Weihnachten für Männer: So wie bei Jack & Jones wird es niemals sein.
https://www.youtube.com/watch?v=ARsiCFuwErI&feature=em-uploademail
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