Hier ist eigentlich nicht der Platz, wo man eine Kommentierung der US-Wahl erwartet. Es ist drei Tage nach Trumps Triumph auch alles gesagt, und das von weitaus berufenerer Seite. Auf der anderen Seite scheint es angesichts dieses epochalen Ereignisses arg profan, sich jetzt über die Kapitalerhöhung von Tom Tailor oder die farbenfrohe Kenzo-Kollektion bei H&M auszulassen. Seit 9/11 haben wir nicht mehr mit so einer Bestürzung auf die Vereinigten Staaten geblickt. Auch weil der Ausgang der Wahlen so überraschend kam. Die Zahl der Hillary-Hasser war offenkundig größer als die der Trump-Verhinderer. Dass Clinton bei den Amerikanern als unaufrichtig und korrupt gilt, während Trump dreiste Lügen und zweifelhafte Geschäfte als Authentizität ausgelegt werden, ist paradox. Dem Entertainer gelang es, die Emotionen anzusprechen, wo Politik-Profi Clinton an die Ratio appellierte. Mit Twitter und Facebook verfügte er über die Instrumente, seine kruden Botschaften an den klassischen Medien vorbei ungefiltert an den Mann und die Frau zu bringen. Die Zeitungen und TV-Sender griffen Trumps Ausfälle zugleich quotensteigernd auf und verstärkten damit noch deren Wirkung. Die stabilisierende Rolle der Medien – das war einmal. Die Menschen googeln sich die Welt heute so, wie sie ihnen gefällt, alles andere ist Lügenpresse. Dass es für komplexe Herausforderungen keine einfachen Lösungen gibt, wollte die Mehrheit der US-Wähler jedenfalls nicht hören.
Jetzt haben wir bestenfalls einen Amateur und schlimmstenfalls eine gestörte Persönlichkeit an der Schaltstelle der Weltmacht. Das muss jedem vernunftbegabten Menschen Angst machen. Schließlich gibt es auch hierzulande Kräfte, die mit billigen Parolen erfolgreich auf Stimmenfang gehen.
Joschka Fischer hat einst festgestellt, dass die Verwandlung des Amtes durch den Menschen etwas länger dauere als die Verwandlung des Menschen durch das Amt. Dass dieser Befund auch auf Donald Trump zutrifft, muss sich erst noch zeigen. Die erleichterte Reaktion auf Trumps versöhnliche Worte bei seinem ersten Auftritt in der Wahlnacht zeigt nur, wie groß die Angst vor dem "American Psycho" (Liberation) ist. Dass er sich wie Ronald Reagan als großer Staatsmann entpuppen wird, ist nach den vielen Entgleisungen der vergangenen Monate kaum vorstellbar.
Den beeindruckendsten Auftritt des gesamten Wahlkampfes hatte Michelle Obama nach der "locker room talk"-Enthüllung. In einer aufrüttelnden Rede warnte die First Lady davor, dass Sexismus und Rassismus mit Trump wieder gesellschaftsfähig werden. Dieser Kulturkampf fand ein ziemlich unamerikanisches Ende: Das Böse hat gesiegt. Vorerst zumindest. Denn die Geschichte geht weiter. Wir sind schließlich nicht in Hollywood.
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