Markenmaskottchen-Debatte: Roland Schweins antwortet Stefan Gessulat

"Blogger sind nicht besser als Modejournalisten", sagt Roland Schweins. "Das können sie auch gar nicht sein: Sie haben schlechte Vorbilder." Die Diskussion, die Siems Luckwaldts Auftritt auf dem Luxury Business Day aufgeworfen hat, geht weiter. Schweins, Absolvent der renommierten Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten, Gründer des Modeportals styleranking und Veranstalter des größten deutschen Modeblogger-Treffens, des FashionBloggerCafé in Berlin, antwortet auf den Beitrag von Stefan Gessulat.

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“Siems Luck­waldt hat mit sei­nen Äuße­run­gen viel Zuspruch gefun­den. Doch wor­um geht es im Kern? Dass Jour­na­lis­ten wie Suzy Men­kes Blog­gern Fähig­kei­ten abspre­chen, um ihr eige­nes Ter­rain zu zemen­tie­ren erscheint wenig ver­wun­der­lich. Eini­ge TV-Jour­na­lis­ten fin­den Print-Redak­teu­re arro­gant. Man­che Print-Redak­teu­re wie­der­um fin­den Fern­seh­ma­cher ober­fläch­lich. Eini­ge Maga­zin-Mit­ar­bei­ter begin­nen nun, selbst zu blog­gen. Was sind sie? Qua­li­täts­jour­na­lis­ten? Blog­ger?

Aus mei­ner War­te soll­te ein Mul­ti­pli­ka­tor stets pro­fes­sio­nell agie­ren – ob im Fern­se­hen, auf Papier oder in sei­nem Blog. Jeder, der eine rele­van­te Leser­schaft genießt, ist ein sol­cher Mul­ti­pli­ka­tor und besitzt zwei Din­ge: Ein­fluss und Ver­ant­wor­tung. Ich den­ke, es geht in der Dis­kus­si­on vor allem dar­um, dass Men­schen, die den Mul­ti­pli­ka­to­ren-Job jah­re­lang aus­ge­übt haben, bei neu­en Mul­ti­pli­ka­to­ren eben­die­se Ver­ant­wor­tung ver­mis­sen.

Doch wie soll ein Mode­blog­ger Vor­bil­der auf­bau­en, wenn er die Spiel­re­geln des Mode­jour­na­lis­mus ken­nen­lernt? Ich begeg­ne kaum einem Jour­na­lis­ten, der auf die teu­ren Inhal­te der Goo­die­bag ver­zich­tet. Und ich ken­ne kaum einen Redak­teur, der die Ein­la­dung in die ers­te Rei­he aus­schlägt. War­um soll­te ein Blog­ger dies tun? Um sei­nem Jour­na­lis­ten­vor­bild Ach­tung zu erwei­sen?

Das Pro­blem geht viel tie­fer. Blog­gern wird Unab­hän­gig­keit und Authen­ti­zi­tät zuge­spro­chen. Und genau die­se Wer­te funk­tio­nie­ren in der Mode-Blogo­sphä­re nicht (was übri­gens in ande­ren pro­dukt­ori­en­tier­ten Blogo­sphä­ren ähn­lich ist). Über die Jah­re haben sich im klas­si­schen Mode-Jour­na­lis­mus näm­lich Abhän­gig­kei­ten ent­wi­ckelt, die wenig mit dem von Ste­fan Gessu­lat ange­spro­che­nen Qua­li­täts­jour­na­lis­mus zu tun haben.

Zahl­rei­che PR-Agen­tu­ren und Unter­neh­men über­häu­fen die fest ange­stell­ten Mode­re­dak­teu­re der Maga­zi­ne mit Geschen­ken, damit die­se dar­über schrei­ben. Regel­mä­ßig ken­nen die Agen­tu­ren auch die Klei­der­grö­ßen der Redak­teu­rin­nen. War­um soll­ten sie also in der Blog­ger-PR anders vor­ge­hen? Jedes Mal, wenn ich einen Shop­ping-Gut­schein bei einem Pres­se­ter­min ableh­ne, schau­en mich die Agen­tur­ver­tre­ter ver­wun­dert an. Zahl­rei­che Kol­le­gen ver­schie­de­ner Medi­en­gat­tun­gen ste­cken den Gut­schein ein – Print, TV, Radio, die 200-Euro-Gut­schein­kar­te wird ein­ge­löst. Aus mei­ner War­te ist das Bestechung. Bei mir rufen Agen­tu­ren an, die mich nach mei­ner Schuh­grö­ße fra­gen. Und wenn ich dann erwi­de­re: Sen­det mir lie­ber einen tol­len exklu­si­ven Inter­view­part­ner, dann ern­te ich Unver­ständ­nis. Denn das ist nicht der Auf­trag, den die Agen­tur aus­übt.

Es gibt also kei­nen Grund, aus­ge­rech­net Blog­ger als Schma­rot­zer zu bezeich­nen. Die Bran­che hat ein ande­res Pro­blem: Unter­neh­men und Mar­ken sind mäch­ti­ger als deren Mul­ti­pli­ka­to­ren. Und durch die Blog­ger wer­den die­se Macht­ver­hält­nis­se nun offen­sicht­lich.

Bei den Maga­zi­nen ließ es sich noch gut ver­ste­cken, dass vor­wie­gend über die Fir­men geschrie­ben wird, die auch eine Anzei­ge plat­zie­ren. Wenn nun Blog­ger auf ein See­ding-Event ein­ge­la­den wer­den und plötz­lich zehn reich­wei­ten­star­ke Blogs über die­sel­be Blog­ger­ver­an­stal­tung und Kol­lek­ti­ons­vor­stel­lung schrei­ben, dann ärgert das die Jour­nail­le: Das Sys­tem, wann war­um wor­über geschrie­ben wird, wird auf ein­mal trans­pa­rent. Rechts steht die Anzei­ge, links der zuge­hö­ri­ge redak­tio­nel­le Posi­tiv-Text.

Im so genann­ten Qua­li­täts­jour­na­lis­mus gibt es Prin­zi­pi­en: Die zwei­te Quel­le, die Unbe­stech­lich­keit oder den Infor­man­ten­schutz. Wer­den die­se von ange­stell­ten Jour­na­lis­ten in der Mode gelebt? Ich möch­te auf eini­ge Aus­sa­gen von Ste­fan Gessu­lat näher ein­ge­hen.

„Natür­lich genü­gen die meis­ten Blog­ger nicht den Stan­dards, die für Qua­li­täts­jour­na­lis­mus gel­ten“, schreibt der ehe­ma­li­ge Chef­re­dak­teur. Die­se Aus­sa­ge muss man stark rela­ti­vie­ren.

Zahl­rei­che Maga­zi­ne genü­gen bei wei­tem nicht den Stan­dards für Qua­li­täts­jour­na­lis­mus und ver­zich­ten auf Tren­nung von Anzei­gen und Inhalt. Kri­ti­sche Bericht­erstat­tung? Fehl­an­zei­ge. Wer nur über Posi­ti­ves schreibt, braucht sich nicht mit Pro­duk­ti­ons-Skan­da­len in Ban­gla­desch oder Chi­na beschäf­ti­gen. Pres­se­rei­sen, auf die Jour­na­lis­ten ein­ge­la­den wer­den, sind in den ein­schlä­gi­gen Maga­zi­nen nicht als sol­che gekenn­zeich­net. Also genü­gen mei­ner Mei­nung nach viel mehr Blog­ger den Stan­dards für Qua­li­täts­jour­na­lis­mus, wenn sie offen schrei­ben, dass sie einer Ein­la­dung gefolgt sind, bei der Hotel, Anrei­se und Ver­kos­tung vom ein­la­den­den Unter­neh­men über­nom­men wur­den.

„Blog­ger haben eine völ­lig neue Medi­en-Kate­go­rie begrün­det (…) Der klas­si­sche Rück­schluss ana­lo­ger Medi­en ‚viel Text = viel Qua­li­tät‘ taugt hier gar nichts“, schreibt Gessu­lat. Ich behaup­te: Blog­ger haben kei­ne neue Medi­en-Kate­go­rie begrün­det. Seit Bestehen des Inter­nets gibt es Inhal­te im Über­fluss. Wiki­pe­dia etwa, ein Quell für zahl­rei­che Mode­infor­ma­tio­nen, hat eben­so kei­ne neue Medi­en-Kate­go­rie gegrün­det. Wären Mode­ma­ga­zi­ne mit dem Auf­bau ihrer redak­tio­nel­len Online­auf­trit­te nicht so lang­sam gewe­sen, näh­men sie heu­te auch einen ganz ande­ren Stel­len­wert in der Online-Welt ein. Wir erin­nern uns: Die deut­sche Instyle war bis Mit­te 2010 eine sta­ti­sche Abo-Sei­te. Da schrie­ben sich Mode­blog­ger im Netz schon die Fin­ger wund.

Apro­pos Schrei­ben. Es gibt zahl­rei­che Blogs, die weit­aus mehr Text lie­fern als dies in Mode­ga­zet­ten der Fall ist. Hier ist zu unter­schei­den, wel­che Mode­blogs in der Ana­ly­se denn gemeint sind: Blogs, die sich mit Kol­lek­tio­nen und Hin­ter­grün­den aus­ein­an­der­set­zen wie etwa Horstson.de, Modepilot.de oder Lesmads.de – oder eben rei­ne Sty­le­b­logs, bei denen das per­sön­li­che Out­fit im Vor­der­grund steht. Es erscheint mir wich­tig, sich sehr tief mit der Blogo­sphä­re zu befas­sen und zu dif­fe­ren­zie­ren.

„Blogs demo­kra­ti­sie­ren den Mei­nungs­bil­dungs­pro­zess“, schreibt Gessu­lat. Ich den­ke, das trifft nur auf ganz weni­ge Bei­spie­le zu und bin hier nahe am Urteil von Siems Luck­waldt, der sagt: „Die Blogs wer­den den Mode­jour­na­lis­mus nicht zu einer Renais­sance füh­ren.” Der Grund ist ein­fach: Sobald Blog­ger Anfra­gen erhal­ten und den Wert ihrer Leser­schaft erken­nen, begin­nen die­se zwangs­läu­fig, sich nach den Spiel­re­geln der Indus­trie zu rich­ten. „Schrei­be (gut) über mich, dann lade ich dich ein.“

Das Modell des Mode­mar­ken­mas­kott­chen-Jour­na­lis­ten wird auf den Blog­ger erfolg­reich über­tra­gen. Ver­lässt ein Blog­ger die­ses Spiel und schreibt kri­tisch, dann lädt das wer­be­trei­ben­de Unter­neh­men ein­fach einen ande­ren ein oder wirbt mit einem nicht gekenn­zeich­ne­ten Adver­to­ri­al auf einem ande­ren Blog. Dies ist mei­ner Mei­nung nach auch der Grund, war­um bei den Äuße­run­gen von Siems Luck­waldt so viel Ent­täu­schung mit­schwingt. Anstatt der Bran­che neu­en Wind ein­zu­hau­chen, wird der Mei­nungs­bil­dungs­pro­zess mas­si­ver denn je von jenen gesteu­ert, die das ent­spre­chen­de Bud­get hin­ter­le­gen.

„Blog­ger leis­ten etwas Wich­ti­ges, in dem sie eine Büh­ne für güns­ti­ge Mode schaf­fen – zum Bei­spiel für Pri­mark“, schreibt Gessu­lat. Die­se Aus­sa­ge ver­stört mich sehr. Klas­si­sche Medi­en berich­ten regel­mä­ßig über Schnell­dre­her wie Pri­mark, Zara und H&M. Sel­tenst fin­de ich kri­ti­sche Berich­te oder Blog­posts, die erklä­ren kön­nen, woher die Bil­lig­la­bels ihre Ware bezie­hen. Hier ver­sagt die Blogo­sphä­re. Berich­te über Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen von T‑Shirts für drei Euro gibt es in kei­nem Mode-Medi­um. Die­se Auf­ga­be wird von Objek­ten über­nom­men, die viel Abstand zum modi­schen Krea­tiv­pro­zess haben: Von Spie­gel, Focus oder Stern – Print wie online. Das nächs­te Bei­spiel, das auf­grund sei­nes Markt­ein­tritts ein erheb­li­ches Wer­be­vo­lu­men mit­brin­gen wird und in Maga­zi­nen wie bei Blog­gern gefei­ert wer­den wird, heißt mei­ner Ein­schät­zung nach Fore­ver 21. Bei dem Filia­lis­ten gibt es eine Jeans für rund zehn Euro.

„Blog­ger kön­nen gut gemach­te redak­tio­nel­le Edi­to­ri­als natür­lich nicht erset­zen“, schreibt Gessu­lat. Ich behaup­te: Mode­blog­ger haben ver­staub­te redak­tio­nel­le Edi­to­ri­als längst abge­löst. Und daher sit­zen sie nun auch in der ers­ten Rei­he.

Blog­ger sind nicht bes­ser als Mode­jour­na­lis­ten. Das kön­nen sie auch gar nicht sein: Sie haben schlech­te Vor­bil­der. Aber sie sind auch bei wei­tem nicht schlech­ter. Nur kön­nen Sie auf­grund der skiz­zier­ten Macht­ver­hält­nis­se eines nicht aus­lö­sen: Eine Revo­lu­ti­on.”

Bit­te lesen Sie dazu auch: Krä­hen gegen Pfau­en: Die Mode­me­di­en-Revo­lu­ti­on geht wei­ter

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6 Antworten zu “Markenmaskottchen-Debatte: Roland Schweins antwortet Stefan Gessulat

  1. Vor­erst ein­mal gra­tu­la­ti­on an Jür­gen Mül­ler. So ein Dis­cus­sion is schwer neu­trall zu gestallten.Das The­ma Fashion Blog­ger vs. Fashion Jour­na­lis­mus ist bezüg­lich fashion des Qua­li­täts aspec­tes nicht ein­fach zu klä­ren.

    Auch sehr inter­es­sant hier in die­sem post sind die Kom­men­ta­re die unter­schied­li­cher nicht sein könn­ten. Von Tol­ler­anz für fashion blog­ger die von Sabi­ne hier gefor­dert wird bis hin zur Kri­tik and den aut­hor, dass der Arti­kel hier nicht spe­zi­fi­sche Ziel­grup­pen anspricht.

    Ich fin­de der Blog Arti­kel hier ist gut geschrie­ben, jedoch es is ya wirk­lich nur dis Spitz des eis­ber­ges, denn über so ein them könn­te man ewig schrei­ben.

    Per­sön­lich wür­de ich mich freu­en mehr von Jür­gen Mül­ler über die­ses The­ma zu hören.

  2. So als Blog­ger und Mode­jour­na­list kann ich dazu auch nur – wie Sabi­ne – zu einer Tole­ranz­of­fen­si­ve auf­ru­fen. Haben wir alle denn ver­ges­sen, was ein Blog sein soll? Ein Tage­buch im Netz – nicht mehr, nicht weni­ger. Und das steht allen frei, egal wie alt sie sind, egal, wie viel sie über Mode wis­sen, und egal, ob man sich Luxus­pro­duk­te leis­ten kann oder nicht.

    Ich für mei­nen Teil als einer der deut­schen Mode­blog­ger der ers­ten Stun­de kann dazu nur sagen: Wenn ein jun­ges Mäd­chen, das zum Bei­spiel noch zur Schu­le geht, sich in einem Blog zu ihren Mode­inter­es­sen oder Mode­sor­gen aus­tau­schen will, dann soll sie das auch tun dür­fen. Sie wird mit ihrem Bud­get nur H&M, Zara und Pri­mark kau­fen kön­nen und das ist völ­lig in Ord­nung. Blogs, die von gestan­de­nen Jour­na­lis­ten, PR-Leu­ten oder Job­wechs­lern betrie­ben wer­den und eine Leser­schaft von 30+ anvi­sie­ren, die sol­len dann eben auch den Luxus hoch und run­ter jubeln. Wich­tig ist doch ein­fach nur, dass man sei­ner Aus­rich­tung, Ziel­grup­pe, Stra­te­gie treu bleibt. Und das auf einem Blog die eige­ne Mei­nung klar wird.

    Was ich heu­te den Mode­blog­gern vor­wer­fen könn­te, ist die­se “Ich wil es allen recht machen”-Haltung. Die eige­ne Mei­nung fällt hin­ten über – das ist schlimm.

    Aber ich möch­te nicht, wie man­che hier, den Zei­ge­fin­ger heben gegen­über einer – sagen wir mal – 18-Jäh­ri­gen, die von einer Fir­ma ein Geschenk annimmt. Denn das ist ein­fach für sie was ganz Außer­ge­wöhn­li­ches und viel­leicht ist es etwas, was sie sich selbst nie hät­te leis­ten kön­nen. Soll sie doch. Ist in Ord­nung. Und ich fin­de auch die­se neue, aus der Luft gegrif­fe­ne und hier gefor­der­te Anspruchs­hal­tung, dass Mode­blogs nun alle über die sozia­len Unge­rech­tig­kei­ten der Bran­che zu Platt­for­men des inves­ti­ga­ti­ven Jour­na­lis­mus mutie­ren sol­len, total über­trie­ben und fehl an Platz für die­se Art der media­len Form.

    Auch Out­fit-Blogs haben ihre Berech­ti­gung, wenn sich das Mäd­chen oder Jun­ge cool sty­len kön­nen. Davon wird kein Arbei­ter in Ban­gla­desh bes­se­re Löh­ne erhal­ten, aber eine Lese­rin könn­te den Look nach­sty­len und sich viel­leicht dann bes­ser in ihrer Haut füh­len. Wenn nur ein Leser danach glück­li­cher ist, hat der Out­fit-Blog sei­ne Daseins­be­rech­ti­gung erfüllt.

    Mal Hand aufs Herz: Ist wirk­lich einer der Blog­ger ange­tre­ten, den Jour­na­lis­mus zu revo­lu­tio­nie­ren? Nein. Mir kommt das hier alles wie ein Sturm im Was­ser­glas vor: Die­je­ni­gen Blogs, die cool sind, lus­tig sind und vie­les anders machen als die Print­leu­te, wer­den ihre Leser fin­den. Und das haben sie sich auch ver­dient. Es stimmt zwar, dass vie­le Leser und Face­book-Fans wenig über die inhalt­li­che Qua­li­tät eines Blogs aus­sa­gen, aber die “Bild der Frau” hat­te auch schon immer mehr Leser als die “Vogue”. Und? Wen stört’s?

    Wich­tig wäre, dass Wer­be­trei­ben­de end­lich kapie­ren, dass nicht nur die Zah­len bei einem Blog ent­schei­dend sind. Wenn sie Metho­den aus dem Print­jour­na­lis­mus auch auf Blogs anwen­den wür­den, wie z.B. Ziel­grup­pen­af­fi­ni­tät, Sege­ment­ana­ly­sen etc. dann gäbe es auch nicht die Dis­kus­si­on, war­um eine 16-Jäh­ri­ge, die sich in H&M und Zara auf ihrem, hun­dert­tau­send­fach geklick­ten Out­fit-Blog zeigt, in der Front Row neben der Chef­re­dak­teu­rin von Elle sitzt. Denn sie wür­de da gar nicht sit­zen, son­dern viel­leicht eine Blog­ge­rin, die alle hier pos­tu­lier­ten Anfor­de­run­gen erfüllt (inves­ti­ga­ti­ve Bran­chen­be­richt­erstatt­tung, Aus­rich­tung auf das Luxus­seg­ment etc.), aber die gera­de mal auf 1000 Uni­que User am Tag kommt. Und wer weiß, viel­leicht weist die­se Blog­ge­rin dann auch die ach, so bösen Wer­be­ge­schen­ke zurück.

  3. …weil er gera­de so bele­bend ist, die­ser Dis­kurs, noch eine Bemer­kung zu einer end­lich statt­fin­den­den Debat­te:

    Lie­ber Siems, lie­ber Herr Gessu­lat, lie­ber Herr Schweins,

    nicht zu unter­schät­zen­der Aspekt:

    Wer pocht dar­auf, dass der Anzei­gen­kun­de redak­tio­nell (posi­tiv ver­steht sich) ins Blatt kommt? Nicht die Redak­teu­re. Son­dern Anzei­gen­lei­ter und Ver­le­ger. Das Sys­tem Mode­jour­na­lis­mus ver­kommt so all­zu oft zum blo­ßen Geschäfts­mo­dell, statt Qua­li­tät und Unab­hän­gig­keit etcpp zu för­dern. Aber das liegt an den obe­ren Eta­gen, nicht unbe­dingt an den Redak­teu­ren.

    Auch wenn’s die eige­nen Feh­ler nicht bes­ser macht: Die­ses Sys­tem fin­det sich auch im Auto‑, Rei­se- oder Wirt­schafts­jour­na­lis­mus u.a.

    Zu den Fashion-Blog­gern: Wie gesagt, sie tra­ten an, es anders zu machen und sind nun selbst im Geschäfts­mo­dell-Sys­tem ver­an­kert – ohne Ver­le­ger und Anzei­gen­lei­ter im Nacken sit­zen zu haben. So wer­den sie zu Unter­neh­mern, nicht aber zu Jour­na­lis­ten.

    Von Deu­tungs­ho­heit will ich gleich gar nicht mehr reden. Das Ziel von so man­chem Blog­ger war es wohl eher , selbst in den Ver­lags-Jour­na­lis­mus rein zu kom­men über den Weg des Blog­gens (wie bei den Mädels von Les­Mads etwa).

    Gegen Jour­na­lis­ten, die nun selbst blog­gen, ist nun wirk­lich nichts zu sagen: Gehen wir mal von deren fach­li­chen Exper­ti­se aus und von einem gewis­sen Maß an jour­na­lis­ti­schem (v.a. schrei­be­ri­schem) Hand­werk – wären da schon zwei Aspek­te, die Fashion-Blog­ger per se so nicht unbe­dingt erfül­len.

    Mode­jour­na­lis­mus erschöpft sich nicht aus­schließ­lich in rei­nen Mode-Maga­zi­nen, ist auch Teil von Tages­zei­tun­gen, Wochen­zei­tun­gen und all­ge­mein aus­ge­rich­te­ten Maga­zi­nen. Die wer­den hier­zu­lan­de oft ver­ges­sen.
    Ich will den Mode­jour­na­lis­mus nicht schön­re­den. Aber die Fashion-Blog­ger sind der Hei­lig­spre­chung, die ihnen zuteil wur­de, nicht gerecht gewor­den.

    Wie wär’s mit einer klei­nen Tole­ranz-Offen­si­ve? Es gibt bei­de Sei­ten: Nach “Online first” und “Print is back” haben jetzt alle ihre Berech­ti­gung.

    Die Über­hö­hung der Blog­ger von Außen hat dem eigent­li­chen Ziel, bes­se­ren Jour­na­lis­mus zu bekom­men, nicht gedient. Gestan­de­nen Mode­jour­na­lis­ten wur­de ihr Daseins­be­rech­ti­gung angrspro­chen. Gab’s das eigenltich auch in der Lite­ra­tur? Dass Buch­emp­feh­lun­gen im Netz den Reich-Rani­ckis die­ser Welt den Platz strei­tig gemacht haben?

  4. Mis­sio­nars­ar­beit war schon immer ein undank­ba­rer Job! Ob nun Blog­ger oder Print-Jour­na­lis­ten, wer bit­te­schön dankt den Schrei­bern eigent­lich gut recher­chier­te Arti­kel, smar­te Reflek­ti­on und Hin­wei­se auf bran­chen­spe­zi­fi­sche Miss­stän­de? Die Wer­be­trei­ben­den jeden­falls nicht, die lie­ben Kol­le­gen aber auch nicht! Ob’s dar­an lie­gen mag, dass jedes hin­ter­las­se­ne “LIKE”, jeder abge­ge­be­ne Kom­men­tar auf Face­book sicht­bar ist für Freun­de und Bekann­te, dar­un­ter auch PR- und Mar­ke­ting­leu­te sowie Media-Plan­ner, denen die Zustim­mung Miss­fal­len könn­te?

    Es ist kein Geheim­nis, dass nicht die inhalt­lich rele­van­ten Mode­zeit­schrif­ten und Blogs die erfolg­reichs­ten sind, son­dern die gefäl­ligs­ten! Wer aller­dings nach mehr Geist und Gehalt im Mode­jour­na­lis­mus ruft, darf nicht dar­auf erpicht sein, zur Eröff­nung jeder Thun­fisch­do­se zu tan­zen. Doch das scheint leich­ter gesagt als getan, schließ­lich ist der Event des (Mode-) Jour­na­lis­ten Nah­rungs­trog und Ego-Bal­sam zugleich. „Ich bin dabei, also bin ich!“ Damit das auch wei­ter­hin so bleibt, ris­kiert man bes­ser nichts. Hält sich statt­des­sen mit sei­ner eige­nen Mei­nung öffent­lich zurück und spielt das Spiel zu den Regeln der Mäch­ti­gen, den wer­be­trei­ben­den Unter­neh­men, mit.

    Dass Blog­ger hier beherzt nach der Goo­die-Bag grei­fen, in einem Busi­ness in der es für sie ja auch gar nichts ande­res abzu­grei­fen gibt, scheint da irgend­wie ver­ständ­lich. Genau­so, wie die Tat­sa­che, dass Print­jour­na­lis­ten nur schwer die Hand schla­gen kön­nen, die sie füt­tert. Von Idea­lis­mus allein, zahlt sich eben noch kei­ne Mie­te. Eine Erkennt­nis die die Qua­li­tät des Mode­jour­na­lis­mus natür­lich nicht vor­an­bringt. Solan­ge Medi­en jedoch wer­be­fi­nan­ziert sind, wird es die objek­ti­ve, kri­ti­sche Bericht­erstat­tung schwer haben sich durch­zu­set­zen.

  5. Ich gra­tu­lie­re Roland Schweins zu sei­nem wei­test gehend sach­li­chen und fai­ren State­ment.

    In der gesam­ten Dis­kus­si­on fehlt mir aller­dings die “Ziel­grup­pe”, die letzt­end­lich die­se Ent­wick­lung prägt und mit ver­ant­wor­tet. Waren die Pari­ser und Mai­län­der Schau­en vor Jah­ren noch den “Ein­ge­weih­ten” vor­be­hal­ten, fin­den sie heu­te via www. den Weg in die Wohn- und Kin­der­zim­mer von Hin­ter­tup­fin­gen – auch “auf dem Dorf” sitzt man jetzt in der ers­ten Rei­he. Mehr als das: Auch die so genann­ten Street Looks der inter­na­tio­na­len Mode­me­tro­po­len, die Trends – und damit den Absatz – oft­mals mehr beein­flus­sen als die Schau­en gro­ßer Desi­gner, wer­den in Cas­trop-Rau­xel (man stel­le sich vor… und auch hier will man Mode!) genau­so gese­hen wie in Ham­burg oder Ber­lin und wol­len nach­ge­stylt wer­den. Dies­bzgl. bewei­sen die “End­ver­brau­cher” alle Alters­klas­sen viel Fan­ta­sie und… DEMOKRATIE. Ohne Berüh­rungs­ängs­te wer­den Mar­ken und sol­che, die auf­grund effi­zi­en­ter Mar­ke­ting- und Wer­be­stra­te­gien als sol­che wahr­ge­nom­men wer­den, über alle Preis- und Qua­li­täts­seg­men­te hin­weg, ver­mischt – bis der Style stimmt. Auf die Auf­ga­ben­stel­lung der Mar­ken ein­zu­ge­hen, wür­de zu weit füh­ren und ent­spricht nicht der hier geführ­ten Dis­kus­si­on, jedoch sei eine Behaup­tung erlaubt: Scott Schu­man, durch sei­nen Blog “The Sar­to­ri­a­list” zum inter­na­tio­na­len Mode-Guru sti­li­siert, ent­schei­det nach Style und nicht nach Mar­ken, ob ein Look auf sei­nem Blog, der längst Kult-Sta­tus erreicht hat, abge­bil­det wird oder nicht. Das bestä­tigt ein Zitat, das ich per­sön­lich bei einer Pres­se­kon­fe­renz mit ihm hören durf­te: “Mode inter­es­siert mich nicht, ich bin in ers­ter Linie Foto­graf” – wor­auf­hin ca. 30 jun­ge Blog­ger etwas “bedröp­pelt”, ob der Aus­sa­ge ihres Idols, drein­schau­ten.

    Am Ende des Tages geht es um zwei essen­ti­el­le Din­ge: Demo­kra­tie und Rele­vanz. Offen­sicht­lich ent­spre­chen Blog­ger die­sen bei­den Kri­te­ri­en, wenn auch nicht immer den höchs­ten Ansprü­chen. Offen­sicht­lich – und das bele­gen die Nach­mit­tags­pro­gram­me der ein­schlä­gi­gen Pri­vat­sen­der jeden Tag – ist der Bedarf an “schlich­ten” For­ma­ten jedoch durch­aus erwünscht. Und hier liegt es an den “Mar­ken” ihren Auf­trag zu erfül­len, um ihre Wunsch­ziel­grup­pe zu erreich – ob per Hoch­glanz­ma­ga­zin, per Blog, per TV oder, oder, oder, die media­le Welt bie­tet zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten, die im pas­sen­den Mix genutzt wer­den kön­nen und soll­ten.

    Jedes Medi­um spricht sei­ne ganz eige­ne Spra­che, im Ide­al­fall die sei­ner Ziel­grup­pe. Der Ruf nach Demo­kra­tie, der immer lau­ter wird – aktu­el­le Ereig­nis­se wer­fen hier ein­mal mehr ihre Schat­ten vor­aus – macht auch vor der Mode nicht halt. Statt sich in Dis­kus­sio­nen über die Daseins­be­rech­ti­gung der ein­zel­nen “Grup­pen” zu ver­lie­ren, soll­te sich jedes Medi­um, das sich Mode auf die Fah­ne geschrie­ben hat, der Her­aus­for­de­rung stel­len, rele­vant für sei­ne Ziel­grup­pe zu sein.

    Lie­be Grü­ße

    Dani­elle De Bie

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