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Zurück in die Zukunft

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Jür­gen Mül­ler

Die spek­ta­ku­lärs­te Neu­ig­keit bei den Düs­sel­dorf Fashion Days kam aus Ber­lin. Die Pre­mi­um kehrt Frank­furt den Rücken und fin­det im Janu­ar wie­der an der Spree statt. Was für eine Vol­te! Da haben sich die Pre­mi­um-Macher drei Sai­sons lang stark gemacht für die Main-Metro­po­le („Der per­fek­te Ort“). Die Ban­ken­stadt durf­te sich des­we­gen schon als Mode­me­tro­po­le füh­len. Jetzt trom­meln sie wie­der für die Haupt­stadt („Wir sind im Her­zen Ber­li­ner“). Das kann man oppor­tu­nis­tisch fin­den. Aber wo der Umzug nach Frank­furt noch – sagen wir – erklä­rungs­be­dürf­tig war, ist die Rol­le rück­wärts jetzt zumin­dest nach­voll­zieh­bar.

Denn auf der ande­ren Sei­te ist die Situa­ti­on der Mode­mes­sen auch dra­ma­tisch. Vier Sai­sons lang muss­te die Pre­mi­um wegen der Pan­de­mie als Prä­senz­ver­an­stal­tung pau­sie­ren. Das muss man wirt­schaft­lich erst­mal ver­kraf­ten. Der Umzugs­be­schluss fiel rück­wir­kend betrach­tet zum denk­bar ungüns­tigs­ten Zeit­punkt. Der Beweis, dass es in Frank­furt funk­tio­nie­ren wür­de, konn­te in die­sem Janu­ar wie­der nicht erbracht wer­den. „Als Unter­neh­mer muss man jeder­zeit hand­lungs- und zukunfts­fä­hig blei­ben und getrof­fe­ne Ent­schei­dun­gen hin­ter­fra­gen“, so Pre­mi­um-MD Jörg Arntz. Da hat er natür­lich recht.

Die Kehrt­wen­de ist nicht zuletzt ein Coup für den neu gewähl­ten Senat. Fran­zis­ka Gif­fey hef­tet sich den Erfolg jeden­falls an die Brust: „Wir freu­en uns sehr, dass es gelun­gen ist, die Events der Pre­mi­um Group zurück nach Hau­se zu holen“, so die Regie­ren­de Bür­ger­meis­te­rin von Ber­lin.

Frank­furt bringt der Weg­gang in die Bre­douil­le. Die Mes­se hat in einer Stel­lung­nah­me bekräf­tigt, die Fashion Week im Juli auch ohne die Pre­mi­um Group durch­zie­hen zu wol­len. „Frank­furt kann Mode. Frank­furt ist krea­tiv, Frank­furt ist inter­na­tio­nal und Frank­furt begeis­tert“, so Ober­bür­ger­meis­ter Peter Feld­mann fast schon trot­zig. Mit der Neonyt beset­zen die Frank­fur­ter ein wich­ti­ges Zukunfts­the­ma. Die Fra­ge ist den­noch, ob die­se Mes­se für nach­hal­ti­ge Mode am Main allein funk­tio­niert, und ob zudem ein neu­es For­mat wie die Main­stream­mes­se Val:ue Fahrt auf­neh­men kann, wo es eine eta­blier­te Alter­na­ti­ve in Ber­lin gibt. Bei der Pre­mi­um wird man sich im Übri­gen eben­so Gedan­ken machen, wie man das Sus­taina­bi­li­ty-The­ma spielt. Wie auch immer: Zwei Mode­mes­sen-Stand­or­te braucht Deutsch­land nicht. Es wäre für die Bran­che bes­ser, die Kräf­te zu bün­deln.

Da Modemessen in allererster Linie eine Kommunikationsfunktion haben, ist es nicht egal, vor welcher Kulisse sie stattfinden. Das gilt für die internationale Wahrnehmung deutscher Mode wie für die D2C-Ambitionen der Brands.

Die Ber­lin-Ent­schei­dung dürf­te in Han­del und Indus­trie über­wie­gend wohl­wol­lend zur Kennt­nis genom­men wor­den sein. „Wir fah­ren dahin, wo es inter­es­sant ist“, gab Kai Bru­ne von Hen­schel in Darm­stadt der TW zu Pro­to­koll. Unter die­sem Gesichts­punkt spricht vie­les für Ber­lin. Die Stadt ist mit ihren groß­ar­ti­gen Loca­ti­ons, der akti­ven Desi­gner­sze­ne, dem inter­es­san­ten Ein­zel­han­del, der Kunst-Sze­ne und Sub­kul­tur ein natür­li­ches Habi­tat für Mode­mes­sen. Da die­se in aller­ers­ter Linie eine Kom­mu­ni­ka­ti­ons­funk­ti­on haben, ist es eben nicht egal, vor wel­cher Kulis­se sie statt­fin­den. Das gilt für die inter­na­tio­na­le Wahr­neh­mung deut­scher Mode wie für die D2C-Ambi­tio­nen der Brands, die die Pre­mi­um auch in Ber­lin unter­stüt­zen möch­te.

Lei­der ist es so, dass die Mes­sen das Ver­spre­chen von mehr Inter­na­tio­na­li­tät seit den Hoch­zei­ten der Bread & But­ter nicht mehr wirk­lich über­zeu­gend ein­ge­löst haben. Und ob es gelingt, sich mit einem Event in die D2C-Stra­te­gien der Mar­ken­an­bie­ter ein­zu­klin­ken, ist auch noch nicht raus.

„Klas­si­sche Mes­se­for­ma­te sind nicht mehr zeit­ge­mäß“, hat Pre­mi­um-Grün­de­rin Ani­ta Till­mann jeden­falls erkannt. “Wir müs­sen uns neu erfin­den und in die Zukunft bli­cken – in einen neu­en Lebens­ab­schnitt der Mode­indus­trie post Pan­de­mie, die alles ver­än­dert hat. Digi­ta­li­sie­rung, Kli­ma­wan­del, Pan­de­mie, Wer­te­wan­del, ver­än­der­te Bran­chen­zy­klen, neue Play­er sowie The­men rund um Gen­der Equa­li­ty, Diver­si­ty, Meta­ver­se, Gam­ing und NFTs sind nur eini­ge Berei­che, mit denen wir uns aus­ein­an­der­set­zen.“

Man darf gespannt sein, wie die­ses Zurück in die Zukunft dann vom 7. bis 9. Juli aus­se­hen wird. Vom 14. bis zum 20. März fin­det übri­gens die Ber­lin Fashion Week statt.