Passiert large

Virus auf dem Vormarsch. Preise unter der Lupe. Techies im Driver’s Seat.

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Eine klei­ne Auf­lis­tung von Nach­rich­ten die­ser Woche gefäl­lig?

Drei Vier­tel der Kon­su­men­ten wol­len einer Stu­die zufol­ge ihre Weih­nachts­ein­käu­fe die­ses Jahr im Inter­net erle­di­gen. You­tube will Direkt­ver­käu­fe auf sei­ner Video­platt­form anbie­ten. Adi­das macht sei­ne exklu­si­ven Drops jetzt im eige­nen Web­shop. Der Online-Taschen-Anbie­ter Fashio­net­te will an die Bör­se. Asos fährt im gera­de abge­lau­fe­nen Geschäfts­jahr (31.8.) den vier­fa­chen Gewinn ein; der Ultra-Fast Fashion-Anbie­ter plant sei­ne stän­dig neu­en Trend­ar­ti­kel mit Hil­fe von KI. Das Münch­ner Start­up pre­si­ze will das Retou­ren­pro­blem für Online-Shops lösen und sam­melt bei ‚Höh­le der Löwen‘ ordent­lich Inves­to­ren­gel­der ein. Hugo Boss prä­sen­tiert sei­ne ers­te kom­plett digi­tal ent­wi­ckel­te Kol­lek­ti­on. H&M tes­tet in Stock­holm eine Ins­to­re-Recy­cling-Strick­ma­schi­ne. Walm­art expe­ri­men­tiert in den USA mit Droh­nen­lie­fe­run­gen. Ama­zon stellt den Pro­to­ty­pen sei­ner elek­trisch betrie­ben Lie­fer­flot­te vor. In Japan kann man sei­ne online bestell­ten KFC-Hähn­chen jetzt aus dem Schließ­fach abho­len. Android-Nut­zer kön­nen jetzt über den Goog­le-Sprach­as­sis­ten­ten mit Ebay kom­mu­ni­zie­ren. Apple stellt sei­nen neu­en Home­pod Mini vor, ein unschein­ba­res klei­nes Gerät, mit dem der Tech-Gigant bei der anste­hen­den Voice-Com­mer­ce-Revo­lu­ti­on ein Wört­chen mit­re­den will.

Der Ein­zel­han­del der Zukunft wird nicht mehr von Kauf­leu­ten, son­dern von Techi­es gestal­tet.

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Wie kann es sein, dass ein Guc­ci-T-Shirt 40 mal mehr kos­tet als eines von Uni­q­lo? Eine simp­le Fra­ge, die Euge­ne Rab­kin da in High­sno­bie­ty stellt. Ist es der Mar­ke­ting­auf­wand, den der Kun­de mit­be­zahlt? Sind T‑Shirts womög­lich die neu­en Cash Cows, mit denen die Luxus­un­ter­neh­men ihre expe­ri­men­tel­len Desi­gner­stü­cke quer­sub­ven­tio­nie­ren? Oder geht es den Mar­ken schlicht um Gewinn­ma­xi­mie­rung und sie neh­men den Preis, so Rab­kin, „weil sie es kön­nen“?

Mode­pro­fis ken­nen die Ant­wort natür­lich. Sie ist aus Ver­brau­cher­sicht wenig schmei­chel­haft, wie Rab­kin dann auch auf­zeigt. So wer­de ein T‑Shirt von Valen­ti­no, das in der Pro­duk­ti­on geschätz­te 3,50 Dol­lar kos­te, für 390 Dol­lar ver­kauft. Sol­che enor­men Span­nen mit­zu­neh­men sei nicht zuletzt auch eine Trieb­fe­der des zuneh­men­den Direkt­ver­triebs der Mar­ken­lie­fe­ran­ten. Von ehr­li­chen Prei­sen kön­ne jeden­falls in vie­len Fäl­len kei­ne Rede sein, so Rab­kin. Nicht sel­ten wer­de die Ware in Fern­ost genäht und in Euro­pa nur noch „ver­edelt“. Um etwa die Bezeich­nung “Made in Ita­ly” zu erhal­ten, müs­se der Wert der in Ita­li­en geleis­te­ten Arbeit ledig­lich den Wert über­stei­gen, der im Aus­land an einem Klei­dungs­stück geleis­tet wur­de, zitiert Rab­kin den Tex­til­ex­per­ten und Buch­au­tor Giu­sep­pe Iorio. Aber wenn ein Arbei­ter in Ban­gla­desch weni­ger als 50 Cent pro Stun­de erhält und die Baum­wol­le zur Her­stel­lung der T‑Shirts ein oder zwei Dol­lar kos­tet, muss man ein T‑Shirt nur in Ita­li­en fer­tig­stel­len – etwa durch Auf­bü­geln des Logos – und der Pro­zess wird (manch­mal auch mit Hil­fe krea­ti­ver Buch­hal­tungs­me­tho­den) teu­rer als der Rest des Klei­dungs­stücks.

“Die Tra­gö­die besteht nicht dar­in, dass die­se Mar­ken 500 Dol­lar für ein T‑Shirt ver­lan­gen”, zitiert Rab­kin Iorio. “Die Tra­gö­die besteht dar­in, dass sie die ita­lie­ni­sche ver­ar­bei­ten­de Indus­trie umbrin­gen.“ Dabei hät­te die­se die Wahr­neh­mung und das Pres­ti­ge des ‘Made in Italy’-Labels geprägt. „Die Luxu­ry Brands könn­ten eine Mil­li­on Arbeits­plät­ze in Ita­li­en schaf­fen, wenn sie es woll­ten. Es wür­de sie immer noch nur 8 Euro kos­ten, ein T‑Shirt voll­stän­dig in Ita­li­en her­zu­stel­len, und sie könn­ten es immer noch für 500 Dol­lar ver­kau­fen.“

„Letz­ten Endes kön­nen Unter­neh­men jeden Preis ver­lan­gen, den die Ver­brau­cher mit­tra­gen“, gesteht Rab­kin zu. „Luxus­mo­de­mar­ken genie­ßen eine benei­dens­wer­te Pres­ti­ge­po­si­ti­on, die es ihnen erlaubt, den Schmerz­punkt immer wei­ter nach oben zu ver­schie­ben. Was soll’s, wenn die Ver­brau­cher Hun­der­te von Dol­lar für ein Logo-T-Shirt bezah­len wol­len?“ Es zwin­ge sie ja kei­ner, so Rab­kin, mit Aus­nah­me des indus­tri­el­len Kom­ple­xes von Luxu­ry Brands und Fashion Cele­bri­ties, der eine mate­ria­lis­ti­sche Kul­tur des auf­fäl­li­gen Kon­sums her­vor­ge­bracht habe und die­se mit Mar­ke­ting und Grup­pen­druck immer wei­ter for­cie­re. „Viel­leicht lohnt es sich irgend­wann zu hin­ter­fra­gen, wofür genau wir bezah­len.“

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Die befürch­te­te zwei­te Coro­na­wel­le rollt. Die Poli­tik beschließt im Wochen­rhyth­mus neue Beschrän­kun­gen des öffent­li­chen Lebens. Die Hoff­nung auf ein bal­di­ges Ende des Aus­nah­me­zu­stands schwin­det gera­de mal wie­der. Ein erneu­ter Lock­down im Ein­zel­han­del ist nicht völ­lig aus­ge­schlos­sen, ver­ein­zelt und in loka­len Virus-Hot­spots könn­te das pas­sie­ren. Ein Her­un­ter­fah­ren der Läden in ganz Deutsch­land, so wie wir es im Früh­jahr erlebt haben, soll­te es indes nicht wie­der geben. Wir haben gelernt, dass sich die Men­schen eher nicht beim Ein­kau­fen anste­cken, und der Ein­zel­han­del hat auf brei­ter Front Sicher­heits­kon­zep­te imple­men­tiert.

Gleich­wohl dürf­ten die per­ma­nen­ten War­nun­gen von Poli­ti­kern und Viro­lo­gen ihre Wir­kung nicht ver­feh­len. Ins­be­son­de­re in den Groß­städ­ten dürf­te sich das nega­tiv auf die Kun­den­fre­quenz aus­wir­ken. Auf der ande­ren Sei­te wer­den die klei­ne­ren Stand­or­te und die Stadt­teil­la­gen mög­li­cher­wei­se pro­fi­tie­ren. Das war in den ver­gan­ge­nen Mona­ten schon so. Und natür­lich sind die opti­mis­ti­schen Gewinn­pro­gno­sen von Zalan­do & Co. wei­ter­hin gerecht­fer­tigt.

Zugleich soll­ten die Unter­neh­men nun auf den Worst Case bes­ser vor­be­rei­tet sein. Im Früh­jahr hat der plötz­li­che Lock­down die gesam­te Bran­che kalt erwischt und der Waren­druck die tex­ti­le Pipe­line kom­plett ver­stopft. Inzwi­schen haben vie­le Unter­neh­men einen Crash­kurs in Digi­ta­li­sie­rung hin­ter sich, man­cher loka­le Play­er nimmt es mit sei­nem eige­nen Web­shop inzwi­schen mit Ama­zon auf. Man hat gelernt, wel­che Pro­duk­te in Pan­de­mie­zei­ten gefragt sind und wel­che nicht. Und das sind ja nicht nur die unge­lieb­ten Mas­ken. Wo mög­lich wird man die Kos­ten ange­passt haben. Kurz­ar­bei­ter­geld und ande­re öffent­li­che För­de­run­gen haben vie­len über die Run­den gehol­fen. Die Unter­neh­men wer­den kon­ser­va­tiv pla­nen, stär­ker auf kurz­fris­ti­ge­re Nach­ver­sor­gung set­zen, und die gro­ßen Play­er wer­den bei ihren Lie­fe­ran­ten zu deren Leid­we­sen auf eine ande­re Risi­ko­tei­lung gepocht haben.

Klar ist: Der Spuk ist so schnell nicht vor­bei, selbst wenn wir im kom­men­den Jahr ein Impf­stoff zur Ver­fü­gung ste­hen soll­te. Wir wer­den mit Coro­na erst­mal leben müs­sen, und wir wer­den mit Coro­na leben ler­nen.