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“Nicht reden, machen!”

Auf einen Kaffee mit.... Judith Dommermuth. Die Juvia-Gründerin über Loungewear und Unternehmertum in Corona-Zeiten.

Mit Coro­na ist die Jog­ging­ho­se end­gül­tig salon­fä­hig gewor­den. Die Mode­be­wuss­ten tra­gen die Din­ger nicht nur im Home Office, son­dern auch auf der Stra­ße. Inwie­weit pro­fi­tie­ren Sie davon? Gehört Juvia zu den Kri­sen­ge­win­nern?

Ich tra­ge seit jeher ger­ne beque­me Hosen. Jetzt fal­le ich damit nicht mehr so auf. (lacht) Ich will Juvia jetzt nicht als Kri­sen­ge­win­ner bezeich­nen. Aber vie­le Leu­te, die vor­her dach­ten, Loun­ge­wear sei nur ein Mode­trend, haben unse­re Pro­duk­te jetzt für sich ent­deckt. Das Bewusst­sein für Casu­al hat sich geän­dert.

Wie haben sich die Geschäf­te für Juvia seit April ent­wi­ckelt?

Es gab ver­schie­de­ne Pha­sen. Als die ers­ten Nach­rich­ten über die Pan­de­mie auf­ka­men, haben wir noch gedacht, das wird schon nicht so schlimm wer­den. Dann stand das Tele­fon plötz­lich nicht mehr still; es wur­den Auf­trä­ge stor­niert. Dann war es eine Wei­le ruhi­ger, alle waren mit sich selbst beschäf­tigt. Par­al­lel dazu zog es online mas­siv an, und auch sta­tio­när kam das Geschäft wie­der. Nach mei­ner Beob­ach­tung haben sich vor allem die mit­tel­gro­ßen Fach­ge­schäf­te sta­bil gehal­ten. Da haben ins­be­son­de­re vie­le Inha­ber eine enor­me Ener­gie ent­wi­ckelt und den Kon­takt zu ihren Kun­den gehal­ten und ver­tieft.

Wie läuft die Order­run­de?

Die haben wir in Deutsch­land schon hin­ter uns. Wir haben den Ver­kauf am 6. Juli begon­nen und nach sechs Wochen abge­schlos­sen. Das ist die Spring/Summer 2021-Kol­lek­ti­on, was komisch klingt, weil wir die ja ab Novem­ber aus­lie­fern. Ich muss sagen, dass das Ver­kau­fen unter den neu­en Bedin­gun­gen ganz gut funk­tio­nier­te. Wir hat­ten fes­te Ter­mins­lots in den Show­rooms, die Gesprä­che waren dadurch fokus­sier­ter und effi­zi­en­ter.

Mit wel­chem Ergeb­nis? Plus oder Minus?

Wir haben ein gutes Plus erzielt. Ich den­ke, da zahlt sich unse­re ver­gan­ge­ne Arbeit aus. Unse­re Abver­kaufs­quo­ten stim­men nach wie vor. Wir pro­du­zie­ren in Por­tu­gal und haben stets pünkt­lich und ver­läss­lich gelie­fert. Einen Lie­fer­ter­min im August haben wir stor­niert, dafür waren unse­re Kun­den dank­bar. Wir haben auch eini­ge Ver­triebs­part­ner zurück­ge­won­nen.

Was haben Sie gelernt in der Kri­se?

Wir alle hät­ten uns gewünscht, dass es die­se Kri­se nie gege­ben hät­te. Aber man muss das Bes­te dar­aus machen. Die Kri­se hat uns dazu gebracht, kon­se­quen­ter zu sein und auch unan­ge­neh­me Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, die wir sonst viel­leicht vor uns her­ge­scho­ben hät­ten.

Wel­che blei­ben­den Ver­än­de­run­gen wird es bei Juvia geben?

Ich glau­be, dass sich bei uns eini­ges ver­än­dern wird, ange­fan­gen bei einer wei­ter­ge­hen­den Home-Office-Rege­lung. Außer­dem wer­den wir unse­re Kol­lek­ti­ons­über­ga­ben auch künf­tig immer digi­tal anbie­ten. Das hat den posi­ti­ven Effekt, dass alle Ver­triebs­mit­ar­bei­ter zuge­schal­tet wer­den kön­nen und nicht nur die Agen­tur­chefs anrei­sen. Auch die Video­te­le­fo­na­te haben man­chen Kon­takt per­sön­li­cher gemacht, vor­her hat man oft nur gemailt. Das wird blei­ben. Und schließ­lich sind die gan­zen Ver­kaufs­un­ter­la­gen jetzt digi­tal. Frü­her hat der Ver­trieb immer ver­sucht, die Kun­den in den Show­room ein­zu­la­den. Heu­te mer­ken wir, dass die digi­ta­len Look­books eben­falls sehr gut funk­tio­nie­ren kön­nen.

Haben Sie an den Kol­lek­ti­ons­in­hal­ten, der Struk­tur oder den Lie­fer­rhyth­men etwas geän­dert?

Wir haben schon seit län­ge­rem die Erkennt­nis umge­setzt, dass unser Ange­bot rea­dy to wear sein muss. Wir ent­wi­ckeln Pro­duk­te und brin­gen sie in den Ver­kauf. Schon das tra­di­tio­nel­le Wor­ding der Bran­che fin­de ich irri­tie­rend. Wie gesagt: Wir lie­fern im Novem­ber Spring/Summer aus. Das ist doch nicht mehr zeit­ge­mäß. Jetzt haben wir den Kol­lek­tio­nen neue Namen gege­ben. Auch der Order­rhyth­mus von zwei­mal im Jahr ist nicht die Zukunft. Wenn wir ein gutes Teil ent­wi­ckeln, dann brin­gen wir es zukünf­tig auch zwi­schen­durch im Rah­men von Rea­dy to Order-Cap­su­les in den Ver­kauf. Da zahlt sich aus, dass wir ein klei­nes, agi­les Unter­neh­men sind.

Wie­vie­le Mit­ar­bei­ter beschäf­ti­gen Sie aktu­ell?

Wir sind rund 30 Leu­te.

“Hätte ich mein komplettes Erspartes investiert, wenn ich im Zweifel nicht weich fallen würde?    Wahrscheinlich nicht.”

Juvia gibt es jetzt seit sie­ben Jah­ren. Was wür­den Sie rück­bli­ckend anders machen?

Jede Erfah­rung war wert­voll. Wir haben zwei­mal bewusst die Ver­triebs­agen­tur gewech­selt. Das war natür­lich jedes Mal ein Lern­ef­fekt. Auch die­se Erfah­rung möch­te ich nicht mis­sen.

Was hat Sie sei­ner­zeit bewo­gen, aus­ge­rech­net ins Tex­til­ge­schäft ein­zu­stei­gen?

Ich habe frü­her gemo­delt, bin viel gereist und habe gern beque­me Sachen getra­gen. Nach­dem ich bei mei­nem Mann immer nur geklagt habe, dass es kei­ne schö­ne Lea­su­re­wear gibt, hat er gesagt: ‚Nicht reden, machen!‘ Den Satz ver­ges­se ich nicht. Und er hat noch einen guten Satz gesagt: ‚Es ist kei­ne Schan­de zu schei­tern. Es ist eine Schan­de, es nicht zu pro­bie­ren.‘

Mit Bernd Ber­ger hat­ten Sie frei­lich auch ein fach­kun­di­ges Back­up.

Bernd ist von Anfang an dabei und teilt sich mit mir seit vie­len Jah­ren die Geschäfts­füh­rung und lei­tet außer­dem die Pro­duk­ti­on. Auch unse­re Chef­de­si­gne­rin und die Schnitt­tech­ni­ker haben frü­her mit ihm zusam­men­ge­ar­bei­tet.

Es kann hei­kel sein, wenn man den Ehe­mann wech­selt und nicht den Geschäfts­part­ner.

Es war anders­rum. Die Tren­nung von Bernd Ber­ger war bereits vor­her. Wir haben erst ange­fan­gen zusam­men­zu­ar­bei­ten, als ich schon mit mei­nem heu­ti­gen Mann ver­hei­ra­tet war.

Ver­ste­he. Apro­pos: Nervt es Sie eigent­lich, immer­zu auf Ihren Mann, United Inter­net-Grün­der Ralph Dom­mer­muth (1&1) ange­spro­chen zu wer­den?

Nein, das pas­siert immer weni­ger. Und außer­dem bin ich stolz auf mei­nen Mann.

Sie wer­den die Vor­ur­tei­le ken­nen, die so eine Kon­stel­la­ti­on mit sich bringt.

Natür­lich. Das höre ich nicht das ers­te Mal. Als Start­ka­pi­tal habe ich mei­ne Model-Erspar­nis­se ein­ge­setzt. Außer­dem habe ich einen Kre­dit von der Bank. Mein Mann hat mir lie­be­voll gesagt: ‚Nimm Dein eige­nes Geld, dann musst Du nach­her nicht Dan­ke sagen‘.  Ich woll­te auch spä­ter nichts geschenkt bekom­men, für die Wachs­tums­fi­nan­zie­rung hat mein Mann mir einen Kre­dit zu markt­üb­li­chen Zin­sen gege­ben, den ich mitt­ler­wei­le fast voll­stän­dig getilgt habe.  Aber natür­lich hat die Kon­stel­la­ti­on unbe­streit­ba­re Vor­tei­le: Hät­te ich mein kom­plet­tes Erspar­tes inves­tiert und wäre ich ‚all in‘ gegan­gen, wenn ich im Zwei­fel nicht weich fal­len wür­de? Wahr­schein­lich nicht.

Wie lan­ge hat es gedau­ert, bis die Fir­ma Geld ver­dient hat?

Wir sind soli­de gewach­sen. Nach drei Jah­ren waren wir ope­ra­tiv in den schwar­zen Zah­len.

“In der Corona-Krise hat sich gezeigt, welcher Influencer Substanz hat. Es ist halt was anderes, ob sie wirklich was zu erzählen haben, oder nur zuhause ihre Acai-Bowl filmen.”

Wie geht es wei­ter mit Juvia? Was sind Ihre Zie­le und Pro­jek­te für die kom­men­den 12 Mona­te und dar­über hin­aus?

Wir wer­den das Manage­ment per­so­nell stär­ken und die Fir­ma brei­ter auf­stel­len. Zum 1. Janu­ar fängt ein CFO in der Geschäfts­füh­rung an. Inhalt­lich bau­en wir die Mens­wear aus. Wir haben hier­für eine zusätz­li­che Desi­gne­rin ein­ge­stellt. Frü­her hat das Damen-Team die Män­ner­mo­de mit­ge­macht. Die Mens­wear hat sich nicht zuletzt in der Coro­na-Pha­se sehr gut ent­wi­ckelt. Last not least for­cie­ren wir auch das Acti­ve­wear-Seg­ment.

Wie ist die Gla­mo­me­ter-Koope­ra­ti­on ange­lau­fen?

Sehr gut! Wir machen das mit Annet­te Weber, sie gestal­tet die Arti­kel und zeigt die Sachen auf Insta­gram. Der Ver­trieb läuft aus­schließ­lich online. Die typi­sche Gla­mo­me­ter-Kun­din ist oft nicht schon Juvia-Kun­din. Die influen­cer­ge­trie­be­ne Drop-Idee ist grund­sätz­lich sehr span­nend, und wir ler­nen dar­aus eine Men­ge. Klei­ne Cap­su­les, limi­tiert, aus­ver­kauft ist aus­ver­kauft – ich glau­be, dar­in steckt viel Poten­zi­al für die Zukunft.

Sie sind offen für wei­te­re sol­che Koope­ra­tio­nen?

Sag nie­mals nie –  Wenn, dann sehr poin­tiert. In der Coro­na-Kri­se hat sich gezeigt, wel­cher Influen­cer Sub­stanz hat und wer nicht. Es ist halt was ande­res, ob sie wirk­lich was zu erzäh­len haben, oder nur  zuhau­se ihre Acai-Bowl fil­men. Gene­rell ach­ten wir beim Influen­cer-Mar­ke­ting schon immer mehr auf die Qua­li­tät der Fol­lower als auf die Quan­ti­tät. Außer­dem gilt: Wer eine klei­ne, treue Ziel­grup­pe hat, ist für uns oft erfolg­rei­cher als die gro­ßen Namen mit ihrer Mil­lio­nen-Fol­lo­wer­schaft.

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