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Corona-Tagebuch: “Klein ist das neue Groß”?

PhotoFrei­tag, 15. Mai. „Growth is the ene­my“, dik­tiert Mil­lard Drex­ler BoF-Grün­der Imran Ahmed in den Pod­cast. “Mehr ist nicht bes­ser“, so der US-Retail-Guru. „Klein ist das neue Groß.“ Auch wenn dem Ex-Chef des insol­ven­ten J.Crew die Erfah­rung mit Finanz­in­ves­to­ren offen­sicht­lich noch in den Kno­chen steckt – das hört sich in die­sen Zei­ten irgend­wie zynisch an.

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Sams­tag, 16. Mai. Mas­ken­ball in Mün­chen, Erleb­nis­ein­kauf der ande­ren Art. Bei Loden­frey trägt das Per­so­nal Van Laack. Gibt’s jetzt auch bei Lidl. In der Fuß­gän­ger­zo­ne ordent­lich Fre­quenz, in den Läden mal mehr, mal weni­ger. Schlan­gen vor H&M und Zara. Und bei Guc­ci. Esca­da hat dage­gen zu. Kurz­ar­beit Null rech­net sich hier anschei­nend eher. Bei Kauf­hof eine Pfan­ne gekauft. Die asia­ti­schen Mit­ar­bei­ter bei WMF war­ten ver­geb­lich auf die Chi­ne­sen.

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Mon­tag, 18. Mai. Pro­mod geht mit sei­nen 32 deut­schen Läden in die Insol­venz. Run­ners Point macht alle 80 Filia­len dicht. Ver­gan­ge­ne Woche hat Tal­ly Wei­jl bereits ver­kün­det, sich von 200 Stores und einem Drit­tel sei­ner Mit­ar­bei­ter tren­nen zu wol­len. Hall­hu­ber, Esprit, Sinn, Gale­ria Kar­stadt Kauf­hof – unterm Schutz­schirm wird’s lang­sam eng. Wie wer­den unse­re Fuß­gän­ger­zo­nen und Ein­kaufs­zen­tren in ein paar Mona­ten aus­se­hen?

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In Groß­bri­tan­ni­en ver­schafft sich der­weil Boo­hoo fri­sches Kapi­tal. Es liegt jetzt rund eine hal­be Mil­li­ar­de in der Kriegs­kas­se, die man für Über­nah­men nut­zen möch­te: „Wir wol­len zahl­rei­che Chan­cen nut­zen, die sich in den kom­men­den Mona­ten in der glo­ba­len Mode­bran­che erge­ben dürf­ten.” Des einen Kri­se ist des ande­ren Chan­ce.

So auch in den USA, wo Ama­zon gerüch­te­wei­se als Über­neh­mer für die über 800 Waren­häu­ser des insol­ven­ten JC Pen­ney gehan­delt wird. Doch war­um soll­te Jeff Bezos sich das antun?

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Dafür hat Ama­zon ein vir­tu­el­les Schau­fens­ter zur Unter­stüt­zung der US-Desi­gner ein­ge­rich­tet, in Zusam­men­ar­beit mit Vogue und dem Bran­chen­ver­band CFDA. Der Web­shop bie­tet Ware von Brands wie Phil­ip Lim oder Derek Lam. Das Pro­jekt soll, wie es heißt, den Desi­gnern die Mög­lich­keit geben, mit Hil­fe der Ama­zon-Reich­wei­te ihren Umsatz in der Coro­na-Kri­se anzu­kur­beln – und Ama­zon Fashion die Gele­gen­heit, mit dem offi­zi­el­len Segen von Anna Win­tour sein modi­sches Pro­fil zu schär­fen.

Dass Ama­zon die Mode nicht ret­ten wird, son­dern im Gegen­teil sys­tem­be­dingt ein Feind der Mode­mar­ken ist, ana­ly­siert Law­rence Leni­han in einem klu­gen BoF-Essay am Mitt­woch. „Es gibt nur eine Mar­ke, die wich­tig ist für Ama­zon, und die heißt Ama­zon.“ Ama­zons Natur sei, Bequem­lich­keit, Aus­wahl und Preis zu kom­mer­zia­li­sie­ren, nicht die Mar­ken zu unter­stüt­zen“, so Leni­han. Nie­mand wer­de kom­men, um die Mode zu ret­ten. Die Mode müs­se sich selbst ret­ten. „Damit die Mode­indus­trie über­le­ben und gedei­hen kann, muss sie ihre Nach­hal­tig­keits­kri­se bewäl­ti­gen, die Rol­le des Ein­zel­han­dels neu über­den­ken, ihre tech­no­lo­gi­sche Infra­struk­tur moder­ni­sie­ren und ihren krea­ti­ven Kern wie­der­ent­de­cken.“

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Diens­tag, 19. Mai. In New York erstei­gert ein Snea­k­er­head die 35 Jah­re alten Schu­he von Micha­el Jor­dan. Für 560.000 Dol­lar! Es gibt noch Nach­rich­ten jen­seits von Coro­na.