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„Ich habe nichts zu sagen“

Karl Lagerfeld: Das letzte Interview

Herr Lager­feld….

Man nennt mich auch Log­o­feld. Frü­her woll­te ich mal Comic-Illus­tra­tor wer­den, jetzt bin ich selbst eine Comic­fi­gur. Ich bin die Mickey Mou­se der Mode.

Was steckt hin­ter der Mas­ke?

Das ist kei­ne Insze­nie­rung. Das ist eine ganz nor­ma­le Ent­wick­lung, bei der das Resul­tat viel­leicht ein wenig selt­sam ist. Mein Look ist für mich natür­lich, nur unter­schei­det sich mein Kon­zept von Natür­lich­keit wahr­schein­lich von dem der meis­ten Men­schen. Ich fin­de mich stink­nor­mal, aber ich weiß viel­leicht nicht, was nor­mal ist. Man sieht eine Sil­hou­et­te. Es ist nichts dahin­ter. Mein aktu­el­ler Look hat mich zu einer Mario­net­te gemacht.

Sie wer­den nicht bestrei­ten, dass Sie gut damit gefah­ren sind?

Ich rate kei­nem, Karl Lager­feld wer­den zu wol­len.

Könn­ten Sie nicht wenigs­tens für uns mal die Bril­le abneh­men?

Die Bril­le ist mei­ne Bur­ka. Ich tue alles ohne Bril­le, außer mit Frem­den zu spre­chen.

Cha­nel, Fen­di, Lager­feld, und dann noch die gan­zen ande­ren Akti­vi­tä­ten: die Foto­gra­fie, Fern­seh­auf­trit­te, Mar­ken­ko­ope­ra­tio­nen. Wie schaf­fen Sie das alles?

Ich stand nie unter Druck. Stress – ken­ne ich nicht. Ich ken­ne nur Strass. Je mehr ich arbei­te, des­to bes­ser sind mei­ne Ideen. Am Fließ­band ste­hen, das ist Arbeit. Was ich mache, ist Frei­zeit­ge­stal­tung mit beruf­li­chem Hin­ter­grund.

Ist Ihre Dis­zi­plin typisch deutsch?

Ich has­se es, wenn man sagt, dass Dis­zi­plin deutsch sei. Es gibt auch fau­le Deut­sche. Ich habe über­haupt kei­ne Dis­zi­plin, denn ich will das ja, was ich mache. Ich muss mich zu nichts zwin­gen, nie. Ich gebe mir nicht gerings­te Mühe.

Aber ohne eine gewis­se Orga­ni­siert­heit ist Ihr Pen­sum doch nicht zu schaf­fen? 

Ich bin für den 48-Stun­den-Tag, aber das ist ein Pro­blem, spe­zi­ell in Frank­reich mit sei­ner 35 Stun­den-Woche. Scherz bei­sei­te: Ich bin eine Art Mode-Nym­pho­ma­ne, der nie einen Orgas­mus hat. Ich bil­de mir immer ein, ich könn­te es noch bes­ser machen. Im Übri­gen darf man nichts zu ernst neh­men. Nur das, was man macht.

Sie sind wahr­schein­lich ein anstren­gen­der Chef, oder?

Von mei­nen Ego­is­men leben vie­le Leu­te. Bei mir gibt’s nur eine Metho­de: Es wird nicht dis­ku­tiert. Der Besit­zer von Cha­nel hat über mei­ne Stu­dio­tür schrei­ben las­sen: “Krea­ti­vi­tät ist nicht demo­kra­tisch.” Wider­spruch gibt’s bei mir nicht, weil ich mir ja erst über­le­ge, was ich sage. Wir machen kei­ne Mee­tings, wir reden nicht über Mar­ke­ting. Viel­leicht haben sie bei Cha­nel Mar­ke­ting-Leu­te, aber ich habe sie nie gese­hen. Ich bin seit 31 Jah­ren in kein Mee­ting mehr gegan­gen. Das Leben ist zu kurz für Mee­tings! Was mich irri­tiert sind Leu­te, die Din­ge ver­kom­pli­zie­ren, um seri­ös zu erschei­nen und dabei tat­säch­lich nur ihr Gehalt recht­fer­ti­gen wol­len. Das has­se ich. Ich tref­fe auch nie­mals Kun­den. Ich mache nur Kol­lek­tio­nen.

“Das Geld muss aus dem Fenster, damit es zur Tür wieder reinkommt”

Hal­ten Sie sich etwa für unfehl­bar?

Natür­lich mache ich Feh­ler. Aber so lan­ge so vie­le von mei­ner Eigen­wil­lig­keit pro­fi­tie­ren, mache ich mir dar­über kei­nen Kopf. Ich habe die mora­li­sche Ver­ant­wor­tung, aber nicht die finan­zi­el­le. Ich las­se immer die ande­ren zah­len. Und das nicht zu knapp: Das Geld muss aus dem Fens­ter, damit es zur Tür wie­der rein­kommt.

In den letz­ten Jah­ren hat der krea­ti­ve Druck enorm zuge­nom­men. Vie­le Desi­gner beschwe­ren sich über das Hams­ter­rad des Mode­busi­ness, das kei­ne ech­te Krea­ti­vi­tät mehr zulas­se.

Ich habe mich noch nie beschwert. Und genau des­halb has­sen mich alle ande­ren Desi­gner. Sie sind nur an ihren ver­damm­ten „Inspi­ra­tio­nen“ inter­es­siert, sie kön­nen eine Stun­de lang ent­schei­den, wohin ein Knopf gehen soll, oder Skiz­zen ihrer Assis­ten­ten aus­wäh­len, was mich ablenkt. Ich bin eine Maschi­ne. Das Schlimms­te an all dem ist, dass sie ver­su­chen, mir die Schuld für ihre Pro­ble­me mit Über­stun­den zu geben. Gera­de in der Mode­welt sehen sich heut­zu­ta­ge ja vie­le als Künst­ler. Die reden zu viel Stuss und intel­lek­tua­li­sie­ren etwas, das wirk­lich nicht intel­lek­tua­li­siert wer­den muss. Ich füh­re nie­mals Unter­hal­tun­gen über sol­che The­men. Ich has­se das. Ich bin für Small Talk.

Sie haben seit jeher ein ange­spann­tes Ver­hält­nis zu Ihrer Zunft. War­um eigent­lich?

Zuletzt habe ich mei­ne bei­den bes­ten Fein­de ver­lo­ren, Pierre Ber­gé und den ande­ren. Azze­di­ne hat mich ver­ab­scheut. Ich kri­ti­sie­re ihn nicht, auch wenn er am Ende sei­ner Kar­rie­re nur noch Bal­lett­schu­he für Mode-Opfer in den Wech­sel­jah­ren gemacht hat. Und zu Pier­res Beer­di­gung frag­te mich mein Flo­rist: ‚Sol­len wir einen Kak­tus schi­cken?

Wolf­gang Joop hat mal über Sie geläs­tert: „Der ist so hart gesot­ten, dass sich nicht ein­mal der Tod an den ran­traut.“ 

Joop sieht aus wie eine alte Gei­sha. Sein Dra­ma ist, dass er nicht ich ist. Inter­na­tio­nal kennt ihn doch kei­ner. Er kann alles gut imi­tie­ren, aber er hat kei­nen eige­nen Stil.

Es gibt eine neue Gene­ra­ti­on von Sty­lis­ten, Leu­te wie Vir­gil Abloh, Jac­que­mus oder J.W. Ander­son. Mit wem wür­den Sie lie­ber auf einer ein­sa­men Insel stran­den?

Vor­her wür­de ich mich umbrin­gen.

“Man muss alles wissen, alles sehen und alles kennen, um dann alles zu vergessen und seine eigenen Sachen zu machen”

Wor­in unter­schei­det sich Karl Lager­feld von den ande­ren Desi­gnern?

Alle Kol­le­gen, die sich in ihrer Ver­gan­gen­heit und in ihren Krea­tio­nen gerä­kelt haben wie in einem unge­mach­ten Bett, haben danach nichts Neu­es mehr zustan­de gebracht. Ich hal­te das für gefähr­lich. Es gibt kei­nen Kre­dit auf die Ver­gan­gen­heit. Für mich ist nur das wich­tig, was ich als Nächs­tes machen will. Nur wer kei­ne Gegen­wart hat, muss dau­ernd sei­ne Ver­gan­gen­heit erklä­ren. Du bist so gut, nicht wie Dei­ne letz­te Show, son­dern nur wie Dei­ne nächs­te Show.

Als Mode­de­si­gner müs­sen Sie Ihrer Zeit vor­aus sein.

Wir müs­sen damit fer­tig­wer­den, was die Zeit uns vor­schlägt. Wenn Sie die Zeit nicht mehr ver­ste­hen, dann ist ihre Zeit vor­bei.

Wel­che Kun­din haben Sie bei Cha­nel im Blick?

Ich erin­ne­re mich an eine Mode­schöp­fe­rin, die behaup­te­te, ihre Klei­der wür­den nur von intel­li­gen­ten Frau­en getra­gen. Natür­lich ist sie plei­te gegan­gen.

Woher neh­men Sie Ihre Ein­ge­bun­gen?

„‚Ein­ge­bun­gen‘ ist ein furcht­ba­res Wort. Das klingt ja wie ‚Ein­lauf‘. Man hat nur einen Kopf. Aber dar­in ist Platz für ver­schie­de­ne Sachen. Man muss alles wis­sen, alles sehen und alles ken­nen, um dann alles zu ver­ges­sen und sei­ne eige­nen Sachen zu machen. Im Übri­gen gilt: Die schöns­ten Bil­der sind gemalt.

Ist Mode­de­sign Kunst?

Als Mode­schöp­fer wirst du zum Künst­ler sti­li­siert. Sen­si­bel, schwach – das kannst du dir nicht leis­ten! Men­schen kau­fen Klei­der, um glück­lich zu sein. Und nicht um Mit­leid zu bekun­den. Ich bin auch sehr gegen die Vor­stel­lung, dass ‚kom­mer­zi­ell‘ lang­wei­lig ist. Du kannst kei­ne Kol­lek­ti­on machen, die nie­mand trägt. Mode ist, was die Leu­te tra­gen und was sie kau­fen.

Aber das kön­nen schon auch Träu­me sein, nicht wahr?

Wir ver­kau­fen natür­lich Träu­me, kei­ne Rea­li­tät. Soll ich ein Defi­lee mit Bom­ben­an­schlä­gen machen? Die Idee der Rea­li­tät ist sti­mu­lie­ren­der als die wirk­li­che Rea­li­tät. Mein Leben besteht dar­aus, Rea­li­tät zu idea­li­sie­ren, zu ver­schö­nern, zu ver­klä­ren. Ich habe mein gan­zes Leben damit ver­bracht, die Wirk­lich­keit zu mei­den. Ich bin ganz ‚down to earth‘, das kön­nen Sie mir glau­ben. Nur eben nicht von die­ser Welt. Nur nor­ma­le Leu­te den­ken, ich sei nicht nor­mal.

Mode­de­si­gner sind immer auch eine Stil-Instan­zen. Wel­chen Tipp kön­nen Sie uns da geben?

Man muss Stil haben, um ihn sich kau­fen zu kön­nen. Und um ein coo­ler Typ zu wer­den, muss man einer sein. Per­so­na­li­ty beg­ins whe­re com­pa­ri­son ends.

“Ich hasse das Wort billig. Leute können billig sein, Kleider nicht.”

Gibt es abso­lu­te No-gos aus Ihrer Sicht?

Naja. Wer Jog­ging­ho­sen trägt…

Ich weiß…

Think pink, but don’t wear it! Und nichts ist pein­li­cher als eine Frau, die von Kopf bis Fuß von einem ein­zi­gen Mode­haus ein­ge­klei­det wor­den ist. Ich has­se das Wort bil­lig. Leu­te kön­nen bil­lig sein, Klei­der nicht.

Sie sind ein gern­ge­se­he­ner Gast in Talk­shows, auch weil Sie so poin­tiert for­mu­lie­ren. Den anschlie­ßen­den Fak­ten-Check über­steht frei­lich nicht jede Ihrer Äuße­run­gen, oder?

Wahr­heit ist eine Stand­punkt­fra­ge. Lügen erfüllt manch­mal kari­ta­ti­ve Zwe­cke. Das Niveau Ihrer Fra­gen erlaubt es mir, noch die Wahr­heit zu sagen.

Sie reden wahn­sin­nig schnell.

Ich rede nicht, ich ant­wor­te. Meis­tens geht das, was ich sage, noch nicht mal durch mein Gehirn. Alles, was ich sage, ist ein Witz. Ich has­se intel­lek­tu­el­le Kon­ver­sa­tio­nen mit Intel­lek­tu­el­len, weil mich nur mei­ne eige­ne Mei­nung inter­es­siert. Es gibt zugleich nichts Ermü­den­de­res als Men­schen, die zuviel reden.

Ken­nen Sie das belieb­te TV-Spiel? Ich nen­ne einen Begriff oder Namen, und Sie sagen spon­tan, was Ihnen dazu ein­fällt. 

Okay.

Hei­di Klum?

Ich ken­ne sie nicht. Clau­dia kennt sie auch nicht. Die war nie in Paris, die ken­nen wir nicht.

Seal?

Ich bin kein Der­ma­to­lo­ge, aber sei­ne Haut möch­te ich nicht haben.

Ade­le?

Sie ist ein biss­chen zu fett, aber sie hat ein schö­nes Gesicht und eine himm­li­sche Stim­me.

Ursu­la von der Ley­en?

Die­se Kriegs­mi­nis­te­rin fin­de ich nied­lich.

Bri­git­te Macron?

Sie hat eine bezau­bern­de Sil­hou­et­te.

Pip­pa Midd­le­ton?

Ich mag ihr Gesicht nicht. Sie soll­te nur ihren Hin­tern zei­gen.

Ange­la Mer­kel?

Ich ken­ne Ange­la Mer­kel nicht per­sön­lich, ich will sie auch gar nicht ken­nen­ler­nen, so kann ich wei­ter Kari­ka­tu­ren über sie machen.

Der Papst?

Der neue Papst, der ist lieb und gut, der hat ein Cha­ris­ma. Der ande­re, den fand ich ganz furcht­bar. Eine alte Jung­fer! Furcht­bar!

“Man kann auf alles verzichten. Aber wozu?”

Haben Sie kei­ne Angst, sich eine Kla­ge wegen Belei­di­gung ein­zu­fan­gen?

Die ande­re Backe hin­zu­hal­ten, gehört nicht zu mei­ner Erzie­hung. Aber nur Dumm­köp­fe ändern ihre Mei­nung nicht.

Immer wie­der äußern Sie sich auch zu gesell­schaft­li­chen The­men. Sind Sie ein poli­ti­scher Mensch? 

Heut­zu­ta­ge glau­be ich nicht an die Poli­tik. Ich den­ke, Län­der soll­ten wie gro­ße Unter­neh­men geführt wer­den. Wenn Frank­reich mehr geführt wer­den wür­de wie LVMH, dann gäbe es so gute Zah­len wie die, die Ber­nard Arnault bekannt gege­ben hat.

Sie reden dem Kapi­tal das Wort. Dabei wer­den die Rei­chen immer rei­cher. Ist das gerecht?

Das Leben basiert auf Unge­rech­tig­keit. Die sozia­le Unge­rech­tig­keit ist noch die ein­zi­ge, die man arran­gie­ren kann. Aber wenn Sie dumm sind, blei­ben Sie dumm, und wenn Sie häss­lich sind, blei­ben Sie häss­lich.

Har­te Wor­te. Sie sind also nicht für Gleich­be­rech­ti­gung?

Die Gleich­be­rech­ti­gung ist kei­ne Gabe der Natur. Man bewun­dert Män­ner nicht für ihr Aus­se­hen, son­dern für das, was sie gemacht haben. In mei­nem Beruf waren die Frau­en aller­dings immer wich­ti­ger als die Män­ner.

Wie hal­ten Sie es mit dem Tier­schutz? Bei Fen­di haben Sie inten­siv Pel­ze ver­ar­bei­tet.

Solan­ge wir Fleisch essen, kön­nen wir uns nicht über Pel­ze beschwe­ren. Fast Food ist auf dem Vor­marsch, umso wich­ti­ger ist die Hau­te Cou­ture.

Man wirft der Mode­bran­che vor, für die gras­sie­ren­de Mager­sucht mit­ver­ant­wort­lich zu sein.

Nicht die Dün­nen, son­dern die Dicken sind das Pro­blem: Es gibt weni­ger als ein Pro­zent anorek­ti­sche Mäd­chen, aber es gibt in Frank­reich über 30 Pro­zent Mäd­chen mit gro­ßem Über­ge­wicht. Das ist viel gefähr­li­cher und sehr schlecht für die Gesund­heit. Mager­sucht ist ein Fami­li­en­pro­blem. Das hat mit Mode nichts zu tun.

Sie haben selbst mal über 40 Kilo abge­nom­men. Ist das nicht auch eine Form von Mager­sucht?

Ich bin jetzt wie die Mar­ke von Bade­wan­nen und Wasch­be­cken: Ide­al Stan­dard. Ich habe mich an mich gewöhnt.

Sind Sie ein Asket?

Man kann auf alles ver­zich­ten. Aber wozu?

Auch auf – erlau­ben Sie mir die Fra­ge – Sex?

Ich bin Free­lan­cer – beruf­lich wie pri­vat. Sexua­li­tät ist heu­te nur noch eine Sport­art.

“Ich lache darüber, wie schlecht ich immer gelaunt bin”

Sind Sie nicht manch­mal ein­sam?

Ich lebe wun­der­bar mit mir zusam­men. Ich lache dar­über, wie schlecht ich immer gelaunt bin.

Was treibt Sie an?

Mei­ne wich­tigs­te Kraft ist der Selbst­er­hal­tungs­trieb. Dafür gehe ich über Lei­chen.

Gibt es eine gro­ße Lei­den­schaft neben dem Mode­ma­chen?

Ich habe 200.000 Bücher. Und ich kau­fe immer noch wel­che dazu. Es geht nicht dar­um, alles zu lesen, aber es geht eine Kraft von ihnen aus. Ich lie­be Bücher, ich lie­be Zei­tun­gen, ich lie­be Papier. Ich bin ein Paper-Freak. Die Buch­hand­lung Felix Jud ist mein intel­lek­tu­el­les Deli­ka­tes­sen­ge­schäft, und ohne sie wür­de ich ver­hun­gern. Und ich lie­be Ver­sailles. Ich könn­te hier als Frem­den­füh­rer arbei­ten.

Foto­gra­fie gilt als eine wei­te­re Lei­den­schaft von Ihnen. War­um foto­gra­fie­ren Sie Ihre Model­le nie­mals nackt?

Die Knack­würst­chen-Foto­gra­fie liegt mir nicht. Ich bin kein Uro­lo­ge. Auch Sel­fies has­se ich. Wis­sen Sie war­um? Weil die Leu­te dann ein zu lan­ges Kinn haben und einen zu schma­len Ober­kopf. Grau­en­haft. Für mich ist das eine digi­ta­le Mas­tur­ba­ti­on.

Was kön­nen Sie gar nicht lei­den?

Ich has­se per­fek­te Men­schen. Das Leben ist kei­ne Maß­schnei­de­rei. Ich miss­traue klei­nen Män­nern. Sie sind von allen die bos­haf­tes­ten, ver­bit­terts­ten, nach­tra­gends­ten, die es gibt. Das Schlimms­te aber sind Leu­te, die schlecht aus dem Mund rie­chen. Das ist, als ob man in ein Jau­che­fass geschmis­sen wird. Lei­der kommt das auch bei Mit­ar­bei­tern vor. Von einem muss­te ich mich tren­nen.

Haben Sie sich nie­mals Kin­der gewünscht?

Kin­der reden doch immer Stuss. Des­halb hass­te ich als Kind ande­re Kin­der. Ich spiel­te nie mit Gleich­alt­ri­gen, fand mich selbst total doof. Klein zu sein, emp­fand ich als die größ­te Zeit­ver­schwen­dung im mei­nen Leben. Mei­ne Paten­kin­der habe ich pret-à-por­ter gekriegt. Die waren schon fer­tig. Man macht ja kei­ne Kin­der, um Spaß zu haben. Dann kauft man sich bes­ser einen Hund.

Oder eine Kat­ze.

Ich habe das Talent, ande­re Leu­te bekannt zu machen, und das gilt eben auch für Tie­re. Wir leben in einer Welt, wo eine Kat­ze mehr Umsatz machen kann als jemand, der hart in einer Fabrik arbei­tet. Das ist viel­leicht unge­recht, aber dafür kann ich nichts.

Aber ist Weih­nach­ten ohne Fami­lie nicht trau­rig?

Lie­der sin­gen? Das sol­len gern ande­re machen. Die­ses Waren­haus­ge­flim­mer will ich nicht zu Hau­se haben. Und hin­ter­her ist es eine Rie­sen­schwei­ne­rei, wenn die gan­zen Nadeln abfal­len. Es gibt nichts Trost­lo­se­res als einen Christ­baum nach dem Fest. Sil­ves­ter ist noch schlim­mer. Auf einer Par­ty mit vie­len Leu­ten, denen man allen ein gutes neu­es Jahr wün­schen muss…

Hat ein Karl Lager­feld eigent­lich Hob­bies?

Ich kann nicht kochen, wenn Sie das mei­nen. Ich kann kaum einen Eis­schrank auf­ma­chen.

Rei­sen?

Sight­see­ing? Ich bin doch kein Chi­ne­se! Ich habe alles gese­hen, was ich sehen will, und den Rest stel­le ich mir lie­ber vor. Heu­te ist ja nichts mehr authen­tisch. Es ist ja alles Zir­kus.

Was ist mit Sport?

Auf die Dau­er leert der Fuß­ball die Schä­del. Ich habe aber nichts gegen Fuß­ball. Wis­sen Sie, ich habe nichts gegen nichts.

Musik?

Mei­ne Mut­ter hat ver­sucht, mich für das Kla­vier­spiel zu begeis­tern. Eines Tages klapp­te sie den Kla­vier­de­ckel auf mei­nen Fin­gern zu und mein­te: „Zeich­ne lie­ber, das macht weni­ger Lärm.“

Gott­sei­dank. Haben Sie nie an Ruhe­stand gedacht?

War­um soll­te ich auf­hö­ren zu arbei­ten? Ich wür­de ster­ben und alles wäre vor­bei.

Was soll blei­ben, wenn Karl Lager­feld geht?

Das fri­sche Bröt­chen kann man in der Tat nicht ewig blei­ben. Man soll die Beschäf­ti­gung mit dem Alter und dem Tod aber nicht über­trei­ben. War­um soll ich mir dar­über graue Haa­re wach­sen las­sen? Ich will weiß Gott kei­ne Kapel­le haben, die mir per­sön­lich gehört. Es reicht, dass mir ein Buch­la­den und ein Foto­stu­dio gehö­ren. Ich schrei­be auch kei­ne Memoi­ren. Ich habe nicht das gerings­te Bedürf­nis danach, obwohl ich Ange­bo­te in Mil­lio­nen­hö­he bekom­me. Aber ers­tens brau­che ich kein Geld, und zwei­tens habe ich nichts zu sagen. Ich ant­wor­te auch nur auf Fra­gen. Von mir aus habe ich nichts zu sagen.

Bit­te lesen Sie dazu auch: Lager­felds Heim­kom­men

* Die­ses Inter­view hat so nie statt­ge­fun­den. Es han­delt sich um ein Best of von Lager­feld-Zita­ten aus Inter­views und Medi­en­be­rich­ten der ver­gan­ge­nen Jah­re.  

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