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Birkenstock vs. Amazon: Die Marke geht. Die Schuhe bleiben.

ImgWir befin­den uns im Jah­re 2017 nach Chris­tus. Der Markt wird von Ama­zon besetzt. Der gan­ze Markt? Nein! Ein von unbeug­sa­men Schuh­ma­chern bevöl­ker­tes Unter­neh­men hört nicht auf, dem Online-Gigan­ten Wider­stand zu leis­ten…

Bir­ken­stocks Rück­zug von Ama­zon ist in der Öffent­lich­keit als Auf­säs­sig­keit wahr­ge­nom­men wor­den – der ver­meint­lich klei­ne Schuh­fa­bri­kant aus der Pfalz zeigt dem Welt­kon­zern aus Ame­ri­ka eine lan­ge Nase. So wie Aste­rix und Obe­lix das römi­sche Welt­reich vor­füh­ren. Abge­se­hen davon, dass Bir­ken­stock mit sei­nen über 400 Mil­lio­nen Euro Umsatz so unbe­deu­tend gar nicht ist, hat CEO Oli­ver Rei­chert ein­mal mehr Sinn für gute Öffent­lich­keits­ar­beit bewie­sen. Vor zwei Jah­ren hat­te das Unter­neh­men publi­ci­ty­träch­tig einen Ver­kaufs­stop ver­kün­det. Man kön­ne die Nach­fra­ge nicht mehr befrie­di­gen und lie­fe­re des­halb kei­ne Ware mehr aus. Was die Mar­ken­be­gehr­lich­keit natür­lich wei­ter ange­heizt hat.

Der aktu­el­le Fall liegt anders. Tat­säch­lich bringt die Bir­ken­stock-Ent­schei­dung ein Pro­blem zur öffent­li­chen Wahr­neh­mung, das vie­le Brands betrifft: das Ange­bot von gefälsch­ten Mar­ken­pro­duk­ten auf Online-Platt­for­men, und die Unfä­hig­keit oder der Unwil­le der Markt­platz­be­trei­ber, dage­gen vor­zu­ge­hen. Wenn Ver­brau­cher min­der­wer­ti­ge Bir­ken­stock-Kopien kau­fen, die nach fünf­mal Tra­gen aus­ein­an­der fal­len, dann unter­gräbt dies das Ver­trau­en in die Mar­ke. Sol­che Fäl­schun­gen rich­ten im world wide web bedeu­tend mehr Scha­den an als auf einem tür­ki­schen Tou­ris­ten­ba­sar. Was den Gal­li­ern der Zau­ber­trank, ist den Pfäl­zern halt nun mal das Fuß­bett – die Erfin­dung, die ihnen das Über­le­ben sichert. Die Ent­schei­dung, die Belie­fe­rung von Ama­zon ein­zu­stel­len, ist da nur kon­se­quent.

Allein, das wird nichts brin­gen. Es ver­kau­fen ja immer noch zahl­rei­che unab­hän­gi­ge Schuh­händ­ler Bir­ken­stock-Ori­gi­na­le über den Ama­zon Mar­ket­place. Die­sen Bir­ken­stock-Part­nern den Online-Ver­trieb zu unter­sa­gen, wür­de das Kar­tell­amt ver­hin­dern. Den Druck der Behör­de haben auch schon Adi­das und Asics zu spü­ren bekom­men. Die kürz­li­che Coty-Ent­schei­dung des Euro­päi­schen Gerichts­ho­fes gibt vie­len Mar­ken­an­bie­tern gleich­wohl Hoff­nung, dass ein selek­ti­ver Ver­trieb auch im Web durch­setz­bar sein könn­te.

An dem Pro­blem der Fäl­schun­gen wür­de das aber auch nichts ändern. Zu „Lou­is Vuit­ton“ erhält man auf Ama­zon bei­spiels­wei­se über 3400 Tref­fer. Das kann eigent­lich nur Schmu, Fake oder gebrauch­te Ware sein, denn die Mar­ke ver­kauft ihre Pro­duk­te aus­schließ­lich über eige­ne Ver­triebs­we­ge. Und auch Preis­dis­zi­plin ist im Inter­net nicht mehr durch­setz­bar. Das Medi­um macht end­gül­tig trans­pa­rent, dass die (ver­meint­lich) glei­che Ware zu unter­schied­li­chen Prei­sen im Markt ist. So kos­tet das Bir­ken­stock-Modell Ari­zo­na auf Ama­zon zwi­schen 53,95 und 224,95 Euro, die Gizeh-Zehen­san­da­le gibt es von 35,17 bis 191,09 Euro. So lan­ge Kre­thi und Ple­thi eine Mar­ke ver­trei­ben dür­fen, wird das so blei­ben.

Aus Grün­den der Mar­ken­füh­rung, letzt­lich aber vor allem, weil sie die Umsät­ze mit­neh­men will, wird die Mar­ken­in­dus­trie das Online-Geschäft künf­tig immer mehr selbst machen wol­len. Die Digi­ta­li­sie­rung befeu­ert so die Ver­ti­ka­li­sie­rung. Für den Mul­ti­la­bel-Han­del bedeu­tet das nicht nur mehr Wett­be­werb. Die Lie­fe­ran­ten wer­den ihre Ent­schei­dung, bei einem Han­dels­part­ner über­haupt im Sor­ti­ment ver­tre­ten zu sein, mehr noch als bis­her davon abhän­gig machen, ob die­se Zusam­men­ar­beit Mar­ken­be­kannt­heit und ‑sym­pa­thie stärkt. Der Ein­zel­händ­ler wird in die­sem Sze­na­rio zu einer Art Bot­schaf­ter für die Mar­ken, der die­se nicht nur ver­treibt, son­dern mit einem image­för­dern­den Auf­tritt, mit sei­ner Wer­bung und mit Daten dazu bei­trägt, die Bezie­hun­gen zwi­schen Mar­ken und Kon­su­men­ten zu ver­tie­fen.

Bei einer Sport-Auto­ri­tät wie Engelhorn.de gelis­tet zu sein, ist, um ein Bei­spiel zu nen­nen, aus Adi­das-Sicht künf­tig womög­lich mehr eine Fra­ge der Mar­ken­po­si­tio­nie­rung als des Umsat­zes. Denn das Geschäft wird per­spek­ti­visch größ­ten­teils über den eige­nen Adi­das-Web­shop gemacht wer­den. Adi­das-CEO Kas­per Ror­s­ted hat kürz­lich ein Online-Umsatz­ziel von 4 Mil­li­ar­den Euro bis in drei Jah­ren aus­ge­ge­ben, der­zeit sind es 2 Mil­li­ar­den. Wie­viel davon dann wohl über den Adi­das-Shop auf Ama­zon läuft?

Und sonst?

…bahnt sich ein Mega-Deal in der Shop­ping Cen­ter-Bran­che an: Uni­bail-Rodam­co zahlt fast 25 Mil­li­ar­den Dol­lar für die West­field Malls, es ent­steht ein Glo­bal Play­er mit 102 Ein­kaufs­zen­tren im Port­fo­lio. Es scheint doch noch Leu­te zu geben, die Geld für Sta­tio­när­han­del aus­ge­ben.

…ändert Kauf­hof bun­des­weit sei­ne Weih­nachts­fens­ter. Igel­schüt­zer haben einen Stof­figel moniert, der eine bren­nen­de Ker­ze auf dem Rücken trägt. Der Wer­be­rat schloss sich der Beschwer­de an: Die Dar­stel­lung ver­sto­ße gegen den Tier­schutz und sei geeig­net, zu unso­zia­lem Ver­hal­ten anzu­re­gen.

…hat Kik-Grün­der Ste­fan Hei­nig einen unge­wöhn­li­chen Weih­nachts­wunsch: Eine Stra­ße im Neu­bau­ge­biet von Hom­bruch soll nach ihm benannt wer­den. Der Stra­ßen­na­me zeugt zugleich von Beschei­den­heit: „Hei­nig-Win­kel“.