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Nach Berlin

XWenn –  wie stets – von guter Stim­mung in Ber­lin die Rede ist, dann mag das für den Augen­blick und für vie­le ganz per­sön­lich stim­men. Tat­säch­lich lau­fen die Geschäf­te für die aller­meis­ten Markt­teil­neh­mer zur­zeit schlecht, und die Stim­mung ist, wenn man ehr­lich ist, ent­spre­chend. Die einen bekla­gen das Zuviel: zu viel Ware, zu viel Wett­be­werb, zu viel Preis­ak­tio­nen. Die ande­ren das Zuwe­nig: zu wenig Neu­es, zu wenig Ideen, zu wenig Begehr­lich­keit. Die Unzu­frie­den­heit ist gepaart mit all­ge­mei­ner Ver­un­si­che­rung, und die geht häu­fig ein­her mit einer gewis­sen Rat­lo­sig­keit, wie mit den aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen – dem Preis­ver­fall, den rück­läu­fi­gen Fre­quen­zen, der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on – umzu­ge­hen ist. “Was ich hier auf der Mes­se sehe, deckt doch nicht die Rea­li­tät des Mark­tes ab”, mein­te ein Gesprächs­part­ner auf der Pan­ora­ma. “Das ist wie in Matrix!”

“Das ist pure Nost­al­gie”, mein­te ein Ein­käu­fer auf dem Mode Salon.” So funk­tio­niert das Geschäft heu­te nicht mehr. Die­se Desi­gner tau­gen nur noch als Ideen­lie­fe­ran­ten, nicht als Beklei­dungs­lie­fe­ran­ten. Die Tex­ti­lie finan­ziert all die­se Brands nicht mehr.” Womög­lich ist es so, dass die Werk­aus­stel­lung im Kron­prin­zen­pa­lais mehr der Wahr­neh­mung deut­schen Mode­de­signs ins­ge­samt als dem Busi­ness der teil­neh­men­den Mode­de­si­gner hilft. Wenn Ers­te­res tat­säch­lich gelän­ge, wäre indes schon viel erreicht. Der Ber­li­ner Mode Salon ist jeden­falls aus B2B-Sicht alle­mal sinn­vol­ler als der für den Ein­kauf ziem­lich irrele­van­te Zir­kus am Eri­ka-Heß-Eis­sta­di­on.

Aber Kla­gen führt bekannt­lich nicht wei­ter, und des­halb war gut bera­ten, wer in Ber­lin mit offe­nen Augen und Ohren unter­wegs war. Natür­lich gab es auf den diver­sen Mes­sen neue Pro­duk­te und Brands zu ent­de­cken. Die Pan­ora­ma ver­stärk­te ihr Ange­bot an Schu­hen und Acces­soires. In der Nova Con­cept-Area fan­den sich Gad­gets vom Radio­we­cker bis zum Fahr­rad. Auch die Pre­mi­um expan­diert in neue Pro­dukt­fel­der wie Schmuck und Kos­me­tik. Bei­de Groß­ver­an­stal­tun­gen fol­gen damit der Con­cept-Store-Idee vie­ler groß­flä­chi­ger Ein­zel­händ­ler, die mit zusätz­li­chen Ange­bo­ten für Fre­quenz und Inspi­ra­ti­on sor­gen wol­len.

Inno­va­tio­nen gab es bei Fashiontech zu bestau­nen. Vie­le Weara­bles sind zur­zeit noch Spie­le­rei, und wir wer­den in zehn Jah­ren wahr­schein­lich auf die Leucht­di­oden­ja­cken bli­cken wie heu­te die Luft­han­sa-Pilo­ten auf Otto Lili­en­thals Flug­ge­rä­te. Aber hier fin­det Ent­wick­lung statt, und es ent­steht ein neu­er, poten­zi­ell gewal­ti­ger Markt (und, nicht wahr, Ani­ta, ein tol­les Mes­se­the­ma). Das wird irgend­wann auch modisch rele­vant sein. Die Fra­ge ist bloß, wer die­ses Geschäft machen wird – die Mode­leu­te oder die Nerds.

Inso­fern ist es schon mal rich­tig, an die­ser Stel­le Nach­wuchs­för­de­rung zu betrei­ben. Bezeich­nen­der­wei­se ist es die Tele­kom, die mit „Fashion Fusi­on“ einen ent­spre­chen­den Ideen­wett­be­werb anstößt. Ansons­ten konn­te man in Ber­lin den Ein­druck gewin­nen, dass es bald mehr Nach­wuchs­de­si­gnerprei­se gibt als Nach­wuchs­de­si­gner. Die Pre­mi­um ver­gab ihre Young Desi­gners Awards, die Stif­tung der Deut­schen Beklei­dungs­in­dus­trie die Euro­pean Fashion Awards. Vogue stell­te erneut viel­ver­spre­chen­de Nach­wuchs­de­si­gner beim Vogue Salon vor. P&C kür­te zum 10. Mal den Desi­gner for Tomor­row (DfT). Und der Fashion Coun­cil Ger­ma­ny (FCG) tüte­te ein Fel­low­ship Pro­gram­me mit H&M ein.

Der Ansatz dahin­ter ist vor­bild­lich. Dass man sich schon nach ein paar Wochen nur noch an die Preis­stif­ter erin­nert und kaum mehr an die Namen der Gewin­ner, ist eine bedau­erns­wer­te Begleit­erschei­nung sol­cher Initia­ti­ven. Mehr als mit kurz­fris­ti­ger Publi­ci­ty oder Geld ist dem Nach­wuchs des­halb mit Know-how gehol­fen – mit pro­fes­sio­nel­ler Beglei­tung und prak­ti­scher Start­hil­fe, wie H&M/FCG und auch P&Cs DfT sie bie­ten.

Neu­es gibt es nicht zuletzt von der Bread & But­ter. Das popu­lä­re Fashion-Fes­ti­val, dass Zalan­do im Sep­tem­ber ver­an­stal­ten wird, hat mit der selek­ti­ven Mes­se von Karl-Heinz Mül­ler nur noch den Namen gemein. „Von der Trade Show zur Trend­schau“, schrieb die TW tref­fend. Wer hät­te das gedacht: Die Bread & But­ter wird zum Off­line-Erleb­nis eines Online-Shops und zum Mar­ke­ting­tool in Zalan­dos Platt­form-Stra­te­gie. Bit­te nicht aus alter Gewohn­heit zum Ordern hin­fah­ren, lie­be Ein­zel­händ­ler!

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Eine Antwort zu “Nach Berlin

  1. „Das ist pure Nost­al­gie“, mein­te ein Ein­käu­fer auf dem Mode Salon.“ So funk­tio­niert das Geschäft heu­te nicht mehr. Die­se Desi­gner tau­gen nur noch als Ideen­lie­fe­ran­ten, nicht als Beklei­dungs­lie­fe­ran­ten. Die Tex­ti­lie finan­ziert all die­se Brands nicht mehr.“ Womög­lich ist es so, dass die Werk­aus­stel­lung im Kron­prin­zen­pa­lais mehr der Wahr­neh­mung deut­schen Mode­de­signs ins­ge­samt als dem Busi­ness der teil­neh­men­den Mode­de­si­gner hilft.

    sehr guter Komen­tar. Ich fra­ge mich aller­dings, ob man als wirt­schaft­lich her­um­k­re­peln­der inde­pen­dent desi­gner unbe­dingt ein­ge­spannt wer­den will für “design made in Ger­ma­ny”… ich mei­ne , man hat doch tau­send ande­re din­ge zu tun …!?
    Ich per­sön­lich habe von mei­ner Kund­schaft auch nicht den Ein­druck , dass Pres­se so sehr aus­schlag­ge­bend ist, um eine “purcha­se decis­i­on zu trig­gern”… Der Kun­de ist natür­lich beein­druckt , wenn irgend­wo Vogue dran steht, aber des­halb kom­men sie trotz­dem noch lan­ge nicht und kau­fen. Ich glau­be es sind heu­te ande­re Grün­de, die dazu füh­ren, dass wir unse­re Kre­dit­kar­ten raus holen.

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