Passiert large

Ausverkauf!

XDrau­ßen schneit’s. Und der Mode­han­del ver­an­stal­tet „Mid Sea­son Sale“. Der Spring Sea­son wohl­ge­merkt. Wen das noch wun­dert, der muss neu in der Bran­che sein. Und wer sich ärgert, so unvor­sich­tig, nicht dar­auf vor­be­rei­tet gewe­sen zu sein. Es ist aber nicht das viel beschrie­be­ne ver­fehl­te Sai­son­ti­ming der Bran­che, das sich hier aus­wirkt. Jeden­falls nicht nur. Wenn das Wet­ter nicht mit­spielt (wie eigent­lich fast immer zum „Sai­son­start“ mit­ten im Som­mer bzw. Win­ter) fällt die man­gel­haf­te Syn­chro­ni­sa­ti­on nur beson­ders auf. Aber wie soll ein April-Sor­ti­ment denn schon aus­se­hen? Fell­par­kas neben Tank­tops? Wie auch immer – die TW mel­det seit zwei Wochen Minus. Trotz „Mid Sea­son Sale“.

Dass die Leu­te nicht ein­mal mit der Prei­s­peit­sche zum Kau­fen zu bewe­gen sind, liegt nicht nur an einem fal­schen Ange­bot, dem Wet­ter oder etwa dem viel beklag­ten nach­las­sen­den Inter­es­se an Mode. Ganz sicher ist es so, dass mit den Prei­sen auch die Wert­schät­zung für Tex­ti­li­en gesun­ken ist. Die eigent­li­che Ursa­che die­ses Preis­ver­falls sind aber die Über­ka­pa­zi­tä­ten im Markt: zu vie­le Anbie­ter, zuviel Flä­che, zuviel Ware in der Pipe­line. Der Über­fluss pro­du­ziert Über­druss. Inso­fern hat der Ver­drän­gungs­wett­be­werb eine Abwärts­spi­ra­le in Gang gesetzt, der sich die Unter­neh­men nur schwer ent­zie­hen kön­nen. Es droht der Aus­ver­kauf einer gan­zen Bran­che.

Was tun? Kos­ten sen­ken kann nie scha­den. Lang­fris­tig führt ein­sei­ti­ges Kos­ten­den­ken aber in eine Sack­gas­se. Man darf vor lau­ter Kos­ten­mi­ni­mie­ren nicht ver­ges­sen, sei­ne Kun­den zum Kon­sum zu ani­mie­ren. Es geht für den Fach­han­del stra­te­gisch dar­um, Geschäfts­mo­del­le zu ent­wi­ckeln, die höhe­re Prei­se ermög­li­chen. Das geht nur, indem man Qua­li­tät und Leis­tung her­aus­stellt. Und nicht stän­dig die Preis­trom­mel rührt.

Gott­sei­dank ist die Qua­li­täts­wahr­neh­mung gera­de bei Mode sehr sub­jek­tiv und in hohem Maße beein­fluss­bar. Der Wert eines Pro­duk­tes besteht für die einen in klas­si­schen Eigen­schaf­ten wie Mate­ri­al, Ver­ar­bei­tung und ver­läss­li­cher Pass­form. Ande­re legen Wert auf die Ein­hal­tung von Sozi­al- und Umwelt­stan­dards. Es gibt Kun­den, die suchen modi­sche Aktua­li­tät. Und ande­re, für die Image und Exklu­si­vi­tät zäh­len. Vie­le schät­zen ein attrak­ti­ves Ein­kaufs­um­feld. Man­che brau­chen per­sön­li­che Bera­tung. Nicht weni­ge suchen sozia­le Kon­tak­te und Enter­tain­ment. Alle mögen’s bequem. Nicht zuletzt des­halb boomt Online Shop­ping.

Der Preis allein kann’s jeden­falls nicht sein. Das kön­nen die Dis­coun­ter bes­ser.

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6 Antworten zu “Ausverkauf!

  1. Die Kla­gen sind ja eigent­lich immer die Glei­chen, aber Lösun­gen wur­den noch von kei­ner Sei­te gebo­ten. Die Kun­den kön­nen sich im Janu­ar nicht ent­schei­den San­da­len oder T‑Shirts zu kau­fen, weil sie noch gar nicht dar­auf ein­ge­stellt sind; im April hängt die Lust dann von der Wet­ter­la­ge ab und spä­tes­tens Mit­te Mai wird es schwer noch den vol­len Preis zu bekom­men, weil alle auf den Sale war­ten und sich über den Tisch gezo­gen füh­len, wenn sie ein oder zwei Euro zuviel bezah­len.…
    Grund­sätz­li­ches Pro­blem ist, dass die Kun­den den Wert von Pro­duk­ten nicht mehr ein­schät­zen kön­nen. Sie glau­ben, dass Basics (was ande­res kau­fen Otto­nor­mal­ver­brau­che­rIn­nen ja schließ­lich nicht) dem sel­ben Wert­ver­fall unter­lie­gen wie Desi­gner­kol­lek­tio­nen.

  2. …top herr mül­ler mal wie­der den nagel ele­gant auf den kopf getroffen.…..und ein wenig amü­sie­ren darf man sich auch dabei.….…..doch bei all dem spre­chen über timing .…mode und mar­ken dür­fen wir nicht über­se­hen das wir immer sel­te­ner bei der durch­schnitts­kun­din über­haupt von mode sprechen.…es ist beklei­dung !!!!…und die gibts auch beim dis­coun­ter oder ist redu­ziert im fach­han­del immer noch up to date genug.……ich ste­he in einer klein­stadt jeden tag im geschäft und sehe kun­di­nen jeg­li­cher art.…aber nur einen bruch­teil wür­de ich als modisch inter­es­siert bezeichnen.….….die mega shop dis­plays und tol­le online looks täu­schen oft dar­über hin­weg das sich mode als wer­ti­ge art sich beson­ders zu klei­den oder zu insze­nie­ren bei der brei­ten basis kei­ne rol­le mehr zu spie­len scheint und design fin­det da schon gar­nicht mehr statt.….und ein blick auf die­ses foto aus der ver­gan­ge­nen woche lässt einen doch nur schmunzeln.…oder sieht sehen so men­schen aus die sich mit design ernst­haft beschäf­ti­gen.….……http://www.textilwirtschaft.de/business/pics/15/artikel6-36149-org.jpg ?.……das soll nicht böse und bit­ter sein aber ich fin­de es bil­det ein wenig den ist zustand ab und zeigt war­um es so weni­ge men­schen momen­tan zur mode treibt.…..abgesehen von 8 grad und hagel.…lach !

  3. Mal wie­der viel Wah­res gut zusam­men­ge­fasst. Wobei die unsin­ni­gen Sale Aktio­nen oft weni­ger umsatz­ge­trie­ben son­dern oft durch wei­ter­hin fal­sches timing getrie­ben sind. Man­ches Fashion The­ma wür­de ohne Rot­stift lau­fen wenn es 6–8 Wochen spä­ter auf die Flä­che kom­men wür­de

  4. Die Geschäfts­füh­re­rin des Netz­wer­kes Deut­scher Mode- und Tex­til-Desi­gner, Mara Michel, sagt:

    Wen wun­dert es, dass der MODE-Ein­zel­han­del sich para­ly­siert?
    Stellt er sich die fal­schen Fra­gen?

    Die 4 wich­tigs­ten Fak­ten, die sich nicht auf­hal­ten oder ändern las­sen:
    1. Online-Ein­käu­fe neh­men rapi­de zu
    2. Mode­ket­ten sind belieb­ter denn je
    3. Mar­ken machen sich unab­hän­gig vom Ein­zel­han­del
    4. Das Wet­ter schlägt Kaprio­len

    Wie reagiert der MODE-Ein­zel­han­del dar­auf?
    Er jam­mert und war­tet ab – im bes­ten Fall über­legt er sich „neue alte“ Mar­ke­ting­stra­te­gien, wie noch mehr Preis­re­du­zie­rung, noch mehr per­ma­nen­te Schluss-Abver­käu­fe,.….… wobei her­aus­kommt: kein Gewinn und gera­de so überm Was­ser hal­ten oder been­den.
    Über den Preis kann es also nicht gehen, dass die Kun­den­fre­quenz wie­der höher wird, da sind E‑commerce und Ket­ten weit über­le­gen.

    Was dann?
    Sinn­vol­le Fra­ge­stel­lung zu 1. – Online-Ein­käu­fe neh­men rapi­de zu -:
    Was hat der E‑Commerce nicht, was der MODE-Ein­zel­han­del jedoch ein­zig­ar­tig bie­ten kann?
    Die Ant­wort: Per­sön­li­che Begeg­nung, Gesprächs­kul­tur und empa­thi­sche Bera­tung. Dafür gilt es Pro­gram­me zu ent­wi­ckeln.

    Sinn­vol­le Fra­ge­stel­lung zu 2. – Mode­ket­ten sind belieb­ter denn je –:
    Was haben die Mode­ket­ten nicht, was der MODE-Ein­zel­han­del jedoch ein­zig­ar­tig bie­ten kann?
    Ant­wort: Neue Ware. Unbe­kann­te Label, die nicht über­all zu haben sind.
    Dafür muss mit min­des­tens 20 % des Ein­kaufs ins Risi­ko gegan­gen wer­den, ‑nach genau­es­ter Ziel­grup­pen­ana­ly­se. Dafür gilt es Pro­gram­me zu ent­wi­ckeln.

    Sinn­vol­le Fra­ge­stel­lung zu 3. – Mar­ken machen sich unab­hän­gig vom Ein­zel­han­del -:
    Was hat der MODE-Ein­zel­han­del den Marken­lä­den vor­aus?
    Ant­wort: Indi­vi­du­el­le, auf sei­ne Ziel­grup­pe spe­zi­fisch aus­ge­wähl­te, viel­sei­ti­ge Ware. Das direk­te Ein­ge­hen kön­nen auf die Wün­sche sei­ner Kun­den.
    Dafür gilt es Pro­gram­me zu ent­wi­ckeln.

    Sinn­vol­le Fra­ge­stel­lung zu 4. – Das Wet­ter schlägt Kaprio­len -:
    Wie kann der MODE-Ein­zel­han­del dem Wet­ter die Stirn bie­ten?
    Ant­wort: Durch vor­sor­gen mit „Wet­ter­wa­re“. Nicht im Janu­ar und Febru­ar schon Früh­ling und Som­mer zei­gen, nicht im hei­ßes­ten Monat Som­mer­schluss­ver­käu­fe star­ten, nicht im August Win­ter­wa­re zei­gen. In den Fens­tern spon­tan die Außen­tem­pe­ra­tur mit der ent­spre­chen­den Ware spie­geln.
    Dafür gilt es nicht nur Pro­gram­me zu ent­wi­ckeln und Mög­lich­kei­ten bereit­zu­stel­len, son­dern auch MODE-Ein­zel­han­dels-POLI­TIK zu betrei­ben.

    Das Netz­werk DEUTSCHER MODE- und TEXTI-DESIGNER
    Bie­tet dafür Work­shops und Pro­gram­me an mit erfah­re­nen Desi­gnern, Indus­trie­part­nern, Quer­den­kern und Brain­stor­mern.

    Mara Michel
    Geschäfts­füh­re­rin VDMD
    Netz­werk für Mode + Tex­til + Inte­ri­or
    Vize­prä­si­den­tin Dt. Design­Tag im Deut­schen Kul­tur­rat Ber­lin
    Mit­glied im Kul­tur­rat Fach­aus­schuss Arbeit Sozia­les
    Mit­glied im Kul­tur­rat-Spre­cher­rat
    Mit­glied im Prä­si­di­um des EFC, Euro­päi­scher Mode­rat

  5. Gut auf den Punkt gebracht Herr Mül­ler, das ist doch die Mise­re der Bran­che.
    Ich ver­mis­se nur noch den Ver­gleich zu den Lem­min­gen, das Ende wird das Glei­che sein.
    Nicht zu ver­ges­sen der “Own Retail” Hype, der dem ver­lang­sam­ten Kon­sum und dem Wert­ver­fall von Beklei­dung als Abwärts­be­schleu­ni­ger noch ein ordent­li­ches Pen­sum an Fix­kos­ten auf­drückt. Inno­va­te or Die, die Gewin­ner von heu­te kom­men schon lan­ge nicht mehr aus der klas­si­schen Beklei­dungs­in­dus­trie.
    Wie immer sind Ihre Publi­ka­tio­nen “spot on” und lesens­wert.

  6. Und wäh­rend ich so die­sen sehr tref­fen­den und ehr­li­chen Arti­kel lese, flat­tert mir eine Push Benach­rich­ti­gung von Inti­mis­si­mi auf den Bild­schirm “jetzt wirds sport­lich: 20% Rabatt”… Wie so oft und erfolg­reich zum Bei­spiel in der Sucht­the­ra­pie – die Lösung liegt in der Abs­ti­nenz auch wenn der Schrott dort­hin der schwie­ri­ge­re ist ver­gli­chen mit dem Wett­lauf um die Schnäpp­chen­jä­ger. Ein Hoch auf alle Unter­neh­men, die sich zu weni­ger Kol­lek­tio­nen und dafür einer bes­se­ren Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie beken­nen. Bur­ber­ry macht’s vor.

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