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Verkäufer unter Druck

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Die Welt ist schlecht, und die Welt des Ein­zel­han­dels noch schlech­ter. Die­ser Ein­druck drängt sich zumin­dest auf, wenn man Zei­tung liest.

Zum Bei­spiel Kar­stadt: In Essen ver­sucht man nach einer schlech­ten Win­ter­sai­son fie­ber­haft, die letz­ten Reser­ven zu mobi­li­sie­ren. Die Lie­fe­ran­ten wer­den zur Kas­se gebe­ten, und die Mit­ar­bei­ter sol­len wei­te­re Opfer brin­gen. Das war abseh­bar und ent­spricht lang­jäh­ri­ger Übung nach Manage­m­ent­wech­seln bei dem Kri­sen­kon­zern. Des­glei­chen der Wider­stand: Eine Ver­di-Funk­tio­nä­rin bezeich­ne­te den Sanie­rungs­plan als “Holz­weg”. Kar­stadt wer­de mit den 2000 Stel­len­strei­chun­gen sowie der zusätz­li­chen Degra­die­rung von 1100 Ver­käu­fern zu Reg­a­lauf­fül­lern zum SB-Waren­haus. For­mal ist das natür­lich Unsinn. Fak­tisch ist Selbst­be­die­nung frei­lich lei­der schon lan­ge gän­gi­ge Pra­xis in den Kar­stadt-Häu­sern wie bei vie­len ande­ren Groß­flä­chen-Anbie­tern in den Innen­städ­ten.

Bei Kik wür­de die Gewerk­schaft eben­falls ger­ne mit­re­den. Nur lehnt das Manage­ment Gesprä­che mit unter­neh­mens­frem­den Par­tei­en ab, ähn­lich wie das zuletzt auch Ama­zon im Zusam­men­hang mit den Logis­tik-Streiks getan hat. Im Dezem­ber sag­te man in Bönen ein mit dem Kik-Betriebs­rat ver­ein­bar­tes Tref­fen ab. Die Arbeit­neh­mer­ver­tre­ter sind auf der Fich­te, weil das Unter­neh­men in der Logis­tik bil­li­ge Zeit­ar­bei­ter aus Polen beschäf­tigt. Dem­nächst wird die Sache vor Gericht ver­han­delt. Künf­tig wer­den sol­chen Taten übri­gens die ent­spre­chen­den Wor­te fol­gen: Die PR-Agen­tur des frü­he­ren Bild-Chefs Hans-Her­mann Tied­je über­nimmt ab sofort die Kom­mu­ni­ka­ti­on für Kik. Zum Start gab WMP Euro­com schon mal eine Kost­pro­be: “KiK ist ein Unter­neh­men mit einem Gesicht, und zwar einem sym­pa­thi­schen. Das wer­den wir gemein­sam ver­mit­teln.” Das wird anstren­gend, solan­ge man in Bönen den Wor­ten nicht auch ent­spre­chen­de Taten fol­gen lässt.

Schlech­te Pres­se hat­te schließ­lich auch Pri­mark: Mit­ar­bei­ter beschwe­ren sich in den Medi­en über Lärm und mög­li­cher­wei­se gesund­heits­schä­di­gen­de Che­mie­aus­düns­tun­gen. Daten­schutz­be­hör­den über­prü­fen die Video­über­wa­chung. In Han­no­ver hat Pri­mark 132 sei­ner 500 Beschäf­tig­ten ent­las­sen, größ­ten­teils han­del­te es sich um befris­te­te Arbeits­ver­trä­ge für das Weih­nachts­ge­schäft. Nach einem Bericht des NDR wur­de dort zudem ver­schim­mel­te Ware ange­bo­ten. Und zu allem Über­fluss kri­ti­sier­te neu­lich auch noch der Köl­ner Kar­di­nal Rai­ner Maria Woel­ki den “Man­ches­ter­ka­pi­ta­lis­mus pur”, den Pri­mark in sei­nen Pro­duk­ti­ons­stät­ten zulas­se.

Ob die Anwür­fe in allen Fäl­len gerecht­fer­tigt sind oder nicht – der Ein­zel­han­del muss sich über sein schlech­tes Image nicht wun­dern. Die­ses Image wirkt sich auch auf die Gemüts­la­ge der Beschäf­tig­ten aus. Die Ergeb­nis­se der Ver­käu­fer­stu­die, die die TW Anfang des Jah­res ver­öf­fent­licht hat, spre­chen jeden­falls Bän­de: 89% der gut 700 befrag­ten Ver­käu­fer gaben in der Stu­die an, dass sie ihren Beruf „im Gro­ßen und Gan­zen sehr ger­ne” aus­üben, vor sechs Jah­ren lag die­ser Wert aber noch bei 95%. Dass Ver­käu­fer „ein Beruf mit Zukunft“ ist, glau­ben heu­te weni­ger (38%) als vor sechs Jah­ren (43%). „Als Ver­käu­fer füh­le ich mich von den Kun­den nicht rich­tig akzep­tiert“, sagt fast die Hälf­te (48%), vor sechs Jah­ren waren das nur 40%. Alar­mie­ren­de 82% (2008: 72%) mei­nen, dass Ver­käu­fer „in den Augen der meis­ten Men­schen ein unter­ge­ord­ne­ter Beruf ist“.

Das schlech­te Sozi­al­pres­ti­ge des Ver­käu­fer­be­rufs hat aber nicht nur mit ungüns­ti­gen Arbeits­zei­ten und manch­mal schlech­ten Arbeits­be­din­gun­gen zu tun, son­dern macht sich auch an der Höhe des Gehalts fest. Im Schnitt ver­die­nen die Voll­zeit­be­schäf­tig­ten in der TW-Stu­die 1968 Euro brut­to pro Monat. Wenn im Freun­des­kreis alle mehr ver­die­nen, nützt das schöns­te Employ­er Bran­ding mit Hoch­glanz­pro­spek­ten und Fit­ness-Ein­rich­tun­gen nichts.

Auf der ande­ren Sei­te lässt der Wett­be­werb den Unter­neh­men mone­tär wenig Spiel­raum. Ein Aus­weg wären Gehäl­ter mit spür­bar höhe­ren varia­blen Antei­len, die leis­tungs­ab­hän­gig bezahlt wer­den und indi­vi­du­ell deut­lich höhe­re Ein­kom­men ermög­li­chen. So wie das im Ver­trieb in vie­len Bran­chen üblich ist. Die Prä­mi­en, die im Ein­zel­han­del der­zeit bezahlt wer­den, sind all­zu häu­fig Pea­nuts. Einen höhe­ren Per­so­nal­kos­ten­an­teil kön­nen sich die meis­ten Unter­neh­men indes nicht leis­ten. Es soll­te des­we­gen auf eine stär­ke­re Sprei­zung der Gehäl­ter hin­aus lau­fen. Da sind lei­der häu­fig die Arbeit­neh­mer­ver­tre­ter vor. Für sol­che Leis­tungs-Zula­gen braucht es zudem Spiel­raum. Der wur­de mit der Ein­füh­rung des Min­dest­lohns nicht grö­ßer.

So oder so braucht es einen Ein­stel­lungs­wan­del auf Sei­ten der Arbeit­ge­ber. Die­se betrach­ten Mit­ar­bei­ter all­zu häu­fig nur als Kos­ten­fak­tor. Ver­käu­fer sind aber vor allem auch ein Umsatz­fak­tor. Ange­sichts einer Ent­wick­lung, wo der Han­del sich zuneh­mend gegen Algo­rith­men behaup­ten muss, wird der mensch­li­che Fak­tor im Ver­kauf künf­tig noch viel wich­ti­ger.

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